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Organspendeausweis
(Quelle: picture alliance)

Organspende weiter nur mit Zustimmung

Bundestag setzt auf Information und bessere Dokumentation

In Deutschland bleibt es jedem Bürger weiter selbst überlassen, ob er sich nach seinem Tod als Organspender zur Verfügung stellt. Der Bundestag beschloss mit deutlicher Mehrheit die Zustimmungslösung, die auf zusätzliche Information und bessere Aufklärung setzt. Die Widerspruchslösung, die die Bürger automatisch zu potenziellen Spendern gemacht hätte, lehnten die Abgeordneten ab. 

Grundsätzlich bleibt es dabei: Wie bisher können Bürger künftig freiwillig ihre Bereitschaft zur Organspende erklären. Den Gesetzentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende, den eine Gruppe um die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, und den CDU-Abgeordneten Stephan Pilsinger, eingebracht hatte, sieht allerdings eine Weiterentwicklung der bestehenden Rechtslage vor: Bürger sollen nun bei Arztbesuchen, Ausweisverlängerungen und anderen Behördengängen um eine Entscheidung zur Organspende gebeten werden. Diese Entscheidung wird in einem bundesweiten Online-Register dokumentiert. Sie kann jederzeit widerrufen werden.

Widerspruchslösung abgelehnt

Die doppelte Widerspruchslösung wäre hingegen eine grundlegende Neuerung gewesen. Für sie hatte eine Gruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und den stellvertretenden Unionsfraktionsvorsitzenden Georg Nüßlein geworben. Sie sah vor, dass jeder Bürger ab dem 16. Lebensjahr als potenzieller Spender gegolten hätte, wenn er seinen Widerspruch nicht vor seinem Tod hätte registrieren lassen. Ärzte hätten die Organe des Toten dann entnehmen dürfen, wenn auch den Angehörigen kein entgegenstehender Wille bekannt gewesen wäre.

Organspenden in Krankenhäusern leichter machen

In Deutschland stehen derzeit rund 9.400 Patienten auf der Warteliste für eine Organtransplantation. 2018 spendeten allerdings nur knapp 1.000 Menschen bundesweit nach dem Tod ihre Organe für schwerkranke Patienten. Umfragen zufolge stehen 84 Prozent der Bürger einer Entnahme von Organen und Gewebe nach dem Tod positiv gegenüber. Jedoch besitzen derzeit nur 36 Prozent einen Spenderausweis. Die Koalition hat bereits organisatorische und strukturelle Weichen gestellt, um Organtransplantationen in den Krankenhäusern zu erleichtern und zu beschleunigen.

„Spende muss Spende bleiben“

Bei der Entscheidung zur Neuregelung ging es generell laut Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe „um den Kern des Menschenbildes unserer freiheitlichen Rechtsordnung“. Er warb für die Entscheidungslösung mit den Worten: „Spende muss Spende bleiben.“ Die doppelte Widerspruchslösung hätte jedoch einen Systemwechsel dargestellt. Sie hätte das Selbstbestimmungsrecht des Menschen unter eine Bedingung gestellt. Das Selbstbestimmungsrecht indes sei „der Anker unserer medizinisch-ethischen Grundüberzeugung“, sagte der ehemalige Gesundheitsminister.

Staat darf nicht über den Körper verfügen

Auch der CDU-Abgeordnete Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, gab zu bedenken, dass sich durch die Widerspruchslösung das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern grundlegend ändere. Organspende sei eine persönliche Entscheidung. Der Staat habe keine Verfügungshoheit. Eine Spende müsse dem freien Willen entspringen. „Schweigen darf nicht als Zustimmung gelten.“ 

Keine Spende als „Normalfall“

Die Befürworter der Widerspruchslösung, darunter die Fraktionsvizes Georg Nüßlein und Gitta Connemann, betonten , dass das Recht des Einzelnen, eine Organspende abzulehnen, auch bei der Widerspruchslösung gewahrt bleibe. Nur sei es dann eben der „Normalfall“, dass man spendenbereit sei, erklärte Nüßlein. Connemann unterstrich, es gehe „nicht um einen Zwang zur Organsspende“. Es sei aber „zumutbar, sich Gedanken zu machen und sich zu entscheiden“. Appelle der Ärzte, der Behörden, der Krankenkassen reichten nicht. Man brauche einen „Mentalitätswechsel“.Auch Bundesgesundheitsminister Spahn betonte: „Nur mehr Aufklärung löst das Problem nicht.“ In keinem anderen medizinischen Bereich in Deutschland sei die Versorgungslage schlechter als bei der Transplantationsmedizin – ein inakzeptabler Zustand. 

Deutsche Regelung in Europa weitgehend alleine

Fast alle europäischen Länder setzen auf die Widerstandslösung. Daran erinnerte Claudia Schmidtke, die zugleich Patientenbeauftragte der Bundesregierung ist. Da stelle sich die Frage, ob Deutschland abseits stehen könne, zumal Organe aus diesen Ländern auch Patienten hierzulande eingepflanzt würden.