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Zivilschutz-Kongress
(Quelle: CDU/CSU-Bundestagsfraktion)

„Zivilschutz muss Teil der Zeitenwende werden“

  • Union veranstaltet Kongress zur Reform der Sicherheitspolitik
  • Zivile und militärische Verteidigung müssen Hand in Hand gehen
  • Lernen von anderen Ländern

Die Sicherheitsdividende, die Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges eingefahren hat, ist aufgebraucht. Während die Bemühungen um eine Ertüchtigung der Bundeswehr bereits angelaufen sind, führt der Zivilschutz ein Schattendasein. Mit einem Kongress über die dringend benötigte Reform der Sicherheitspolitik hat die CDU/CSU-Fraktion das Thema in den Fokus gerückt. Fraktionschef Friedrich Merz forderte, der Zivilschutz müsse Teil der Zeitenwende werden, die nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 eingeläutet wurde.

Seit dem Fall der Mauer 1989 wurden in Deutschland Bunker geschlossen, Sirenen abgebaut und Schutzpläne eingemottet. „So kann der Zustand in Deutschland nicht bleiben“, bemängelte Merz. „Wir brauchen ein starkes öffentliches Bewusstsein für alle Aspekte der Verteidigung: im militärischen und im zivilen Bereich.“ Er verwies auf die skandinavischen Länder, wo der Zivilschutz selbstverständlich Teil der Daseinsfürsorge sei. Der Unionskongress diente auch dazu, von anderen Ländern zu lernen. 

Wie die Sache in Schweden funktioniert, erläuterte deren Minister für zivile Verteidigung, Carl-Oskar Bohlin. Bohlin betonte: „Die zivile und die militärische Verteidigung müssen Hand in Hand gehen, um glaubhaft zu sein.“ Dabei müssten alle politischen Bereiche einbezogen werden: von der Gesundheit über Verkehr und Energie bis hin zur Kommunikation. Nur so könne eine robuste und resiliente Gesellschaft heranwachsen, die auf alle Katastrophen- und Verteidigungsfälle vorbereitet sei. Einem Angreifer dürfe es nicht gelingen, das Rückgrat der Bevölkerung zu brechen.

„Denken Sie das Undenkbare!“

Der Leiter der israelischen Behörde für Katastrophenmanagement, Jacob Wimisberg, riet den Politikern: „Denken Sie das Undenkbare!“ Das sei die Lehre, die Israel aus dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 gezogen habe. Man müsse flexibel auf jede Bedrohung reagieren können – im Verbund militärischer und ziviler Strukturen. Es gehe nicht nur um Koordination unterschiedlicher Behörden, es gehe um ein integriertes Konzept, in das alle eingebunden seien. Zivilschutz heute sei mehr als Hilfs- und Rettungsaktionen. Man müsse sich vor allem schauen, dass der Staat im Angriffsfall weiter funktioniere und dass die Bevölkerung mental gewappnet sei.

Bei der lokalen Selbstverwaltung fängt es an

Aus der polnischen Praxis berichtete der Unterstaatssekretär im Innenministerium, Wieslaw Lesniakiewicz. Auch er warb für einen ganzheitlichen Ansatz, in dem jeder Ebene ihre Aufgaben zugeordnet würden. Der Ausgangspunkt sei aber die lokale Selbstverwaltung, die im Kriegsfall unbedingt in der Lage sein müsse, ihre Aufgaben zu erledigen. Zum Zivilschutzkonzept gehöre außerdem der Umgang mit Flüchtlingsströmen – etwa für den Fall, dass Russland ab 2029 in der Lage wäre, ein NATO-Land zu überfallen. 

„Wir haben eine riesige Aufgabe vor uns“, mahnte Fraktionsvize Johann David Wadephul angesichts der Schilderungen. Für Deutschland brauche es einen nationalen Sicherheitsrat, der die Gefahren permanent analysieren und Abwehrpläne erarbeiten müsse. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz mahnte: „Wir müssen ein Bewusstsein schaffen für die Bedeutung des Zivilschutzes.“ Es sei Zeit zu handeln. 

Der Landesbeauftragte Bayern im Technischen Hilfswerk (THW), Fritz-Helge Voß, wies darauf hin, dass ein glaubhafter Schutz der Bevölkerung auch die Demokratie legitimiere. „Freiheit und Demokratie sind es wert, verteidigt zu werden“, sagte Voß. Diesen Gedanken müsse man öfter aussprechen. Auf praktischer Ebene müsse man alle Strukturen und Prozesse des Zivilschutzes in Deutschland auf den Prüfstand stellen, denn sie seien seit 30 Jahren vernachlässigt worden. 

Der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos, Generalleutnant André Bodemann, forderte vor allem eine Ertüchtigung der kritischen Infrastruktur. Bodemann erinnerte daran, dass im Fall eines Angriffs auf die NATO Deutschland logistischer Dreh- und Angelpunkt der Alliierten Truppen wäre. Flughäfen, Häfen, Autobahnen und Schienen müssten besonders gegen Spionage und Sabotage geschützt werden. 

Das alles geht nicht ohne Geld, mahnte die Präsidentin des Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt. „Wir plädieren für mindestens 0,5 Prozent des Bundeshaushaltes“, sagte sie, das Fünffache des Jetzigen. Umgerechnet wären das 2,4 Milliarden Euro jährlich – „kein großer Betrag“, aber ein wichtiger Beitrag zur Zeitenwende im Bevölkerungsschutz. Auch strukturell sieht Hasselfeldt einiges im Argen, vor allem mit Blick auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten und die mangelnde Koordination. Selbst ein einheitliches, digitales Lagebild fehle. 
 

Fotos: CDU/CSU-Bundestagsfraktion

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