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(Quelle: Tobias Koch)

„Die Bahn muss komplett neu aufgestellt werden“

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Ulrich Lange, fordert Trennung von Schienennetz und Zugbetrieb

Die Bahn kommt aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. Die Deutsche Bahn ist absolute Spitze, wenn es um die Unzufriedenheit bei Reisenden geht. Die Gründe kennt jeder: Verspätung und Zugausfälle, schlechtes WLAN und mangelhafter Service, abgehängte Bahnhöfe und eine marode Infrastruktur. Jede Fahrt ist ein kleines Abenteuer. Dabei steht die Bahn als umweltfreundliches Verkehrsmittel für die Mobilität der Zukunft. Wie das Unternehmen reformiert werden kann, dazu der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange.

Herr Lange, die Performance der Bahn wird immer schlechter. 2023 waren nur noch knapp über 50 Prozent der Züge pünktlich. Woran liegt das?

Lange: In der Tat ist von den 80 Prozent Pünktlichkeit, die während unserer Regierungszeit stabil erreicht wurden, inzwischen nichts mehr übrig. Im November wurde ein neuer Tiefpunkt erreicht, denn nur jeder zweite Zug rollte pünktlich zum Bahnsteig. Die vielen Zugausfällen sind völlig inakzeptabel.

Eine Ursache für die miserable Performance der Bahn ist, dass die Schiene seit Amtsantritt von Verkehrsminister Wissing stark vernachlässigt wurde, obwohl es die Ampel ganz anders angekündigt hatte. Sie investiert viel zu wenig in den Erhalt und den Ausbau des Netzes. Gerade erst hat sie die Mittel gekürzt – was natürlich daran liegt, dass der Ampel das Geld fehlt, nachdem ihre Haushaltstricks in Karlsruhe aufgeflogen sind.

Von den üppigen Investitionen aus unserer Regierungszeit ist jedenfalls nichts mehr übrig. Hinzu kommt, dass Verkehrsminister Wissing den Bahnvorstand schalten und walten lässt, wie es diesem beliebt. Anstatt den Vorstand an die kurze Leine zu nehmen und von ihm bessere Leistungen einzufordern, gewährt Wissing ihm zumindest für 2022 auch noch satte Boni. Kurzum: Bei der Bahn läuft alles total schief. Das muss ein Ende haben.


Welche Reformen braucht die Bahn?

Lange: Die Deutsche Bahn muss komplett neu aufgestellt werden. Es muss eine Trennung von Infrastruktur- und Verkehrsbereich her. Wir wollen, dass der Bund die Verantwortung für das Schienennetz bekommt und künftig darüber entscheiden kann, welche Strecken gebaut oder saniert werden. Nur wenn der Bund hier das Sagen hat, können wir das Schienennetz mittel- und langfristig auf Vordermann bringen. Die Deutsche Bahn sollte – gemeinsam mit ihren Mitbewerbern – künftig nur noch für den Verkehr auf der Schiene zuständig sein. Damit hat sie genug zu tun.


Zum 1. Januar hat die Bahn bereits eine Strukturreform vollzogen. Reicht das nicht aus?

Lange: Nein, denn mit dieser Scheinreform lässt Verkehrsminister Wissing im Grunde alles beim Alten. Aus 750 werden jetzt 749 Gesellschaften unter dem Dach des bisherigen DB-Konzerns.

Die Konsequenz ist, dass der Bahnvorstand weiterhin tun und lassen kann, was er will. Anstatt sich auf die Hinterbeine zu stellen und sich um Verbesserungen zu bemühen, gaukelt er sein Engagement nur vor. Die angeblichen Generalsanierungen von 40 wichtigen Schienenstrecken bis 2030 sind das beste Beispiel dafür.

Um den schönen Schein zu wahren, doktert die Bahn ein bisschen an Schienen und Weichen herum. Dass eine echte Generalsanierung fehlt, zeigt sich am Beispiel von Brücken oder Tunneln, die als planfeststellungsbedürftige Vorhaben bei den Sanierungsarbeiten außen vor bleiben. In ein paar Jahren muss man wieder von vorne anfangen und Fahrgästen erneut massive Einschränkungen zumuten.

Das alles zeigt, dass es an der Zeit ist, bei den Strukturen Tabula rasa zu machen. Wir dürfen den Bahnvorstand in der jetzigen Form nicht weiter gewähren lassen. Wohin die bisherigen Strukturen führen, sehen wir ja aktuell. Die Performance der Bahn war nie schlechter. So wird mancher ICE zum Bummelzug.

Wie teuer werden „echte“ Reformen und wo soll das Geld herkommen?

Lange: Die grundlegende Bahnreform, so wie wir sie vorschlagen, würde zunächst keine großen Kosten verursachen. Im ersten Schritt würde es ja nur um eine Änderung der Strukturen gehen: Die Schieneninfrastruktur würde in eine bundeseigene GmbH überführt. In einem zweiten Schritt ginge es dann darum, wie die Schienenprojekte finanziert werden. Wir wollen, dass das möglichst transparent und nachvollziehbar passiert. Deshalb sollte das Geld für sämtliche Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen hauptsächlich aus dem Bundeshaushalt kommen. Die Bundesmittel können ergänzt werden durch die Einnahmen aus den Trassenentgelten, die die Verkehrsunternehmen für die Nutzung der Schienen bezahlen.

Bislang haben wir nur über den Personenverkehr gesprochen. Wie muss der Güterverkehr künftig aufgestellt sein?

Lange: Auch wir wollen mehr Güterverkehr auf die Schiene bekommen. Denn es ist durchaus sinnvoll, unsere Straßen vom Güterverkehr zu entlasten. Aktuell sehen wir ja, dass sich Güterzüge und Personenzüge auf vielbefahrenen Schienenstrecken häufig gegenseitig ausbremsen, da die Strecken verstopft sind und es keine Ausweichmöglichkeiten gibt. Dort kommt es dann zum Stau.

Da Personenzüge in der Praxis oft den Vorrang bekommen, entstehen für die Güterzüge teilweise erhebliche Wartezeiten. Die Lieferungen der Güter verzögern sich entsprechend. Die Voraussetzungen für den Güterverkehr müssen weiter verbessert werden. Hierfür könnten wir uns vorstellen, ein Hub-System in der Fläche einzurichten, also Sammelpunkte an verschiedenen Orten. Dort würden die Ladungen auf Waggons oder Lkw verteilt – je nachdem, auf welche Weise die Waren am schnellsten zum Zielort gebracht werden können. Denn: Ohne höhere Kapazitäten im Schienennetz bekommen wir die Herausforderungen nicht in den Griff.

Verkehrsminister Wissing hat es bisher versäumt, diese zusätzlichen Kapazitäten zu schaffen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihm das gelingen wird, auch weil die Ampel gerade die Mittel für den Schienenausbau massiv eingedampft hat. Deshalb wird die Koalition ihr Ziel, den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene von 19,8 Prozent im Jahr 2022 auf 25 Prozent bis 2030 zu steigern, krachend verfehlen. 

Aus: Printausgabe Fraktion Direkt | März 2024

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