Dieter Stier: "Wir wissen, mit welchen Belastungen die landwirtschaftlichen Betriebe zu kämpfen haben"
Deutsche Landwirtschaft stärken
Sehr geehrter Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der heutigen Zeit Landwirt zu sein, das erfordert nicht nur Geduld, sondern auch viel Optimismus und Beharrlichkeit. Ich weiß, von unseren Landwirten wird gegenwärtig viel erwartet, ständig etwas Neues gefordert und immer mehr abverlangt. Der Anpassungsdruck ist hoch und oft an der Schmerzgrenze des Zumutbaren; die abermaligen Proteste in dieser Woche zeigen das. Wir wissen sehr wohl, mit welchen Belastungen Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe zu kämpfen haben. Dass sie sich dennoch täglich diesen Herausforderungen stellen, dass die Regale in unserem Land trotzdem voll sind, jetzt auch noch erschwert durch die Coronapandemie, das verdient höchsten Respekt und unser aller Dank und Anerkennung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bei persönlichen Gesprächen mit Landwirten erlebe ich den Frust über die Politik und die noch größere Enttäuschung über die oft verzerrte Darstellung der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Der Landwirt soll es allen recht machen: der EU, den Tierschützern, den Klima- und Umweltaktivisten, und nie ist es genug. Zu allem Überfluss hört man noch, da sei wohl viel mehr möglich – sagt zum Beispiel der Kollege Ebner –, wenn man den Bauern endlich einmal härter rannehmen würde.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Da haben Sie aber was missverstanden, Herr Kollege! Da haben Sie nicht zugehört!)
Nein, meine Damen und Herren, an dieser Eskalation sollten und dürfen wir uns nicht beteiligen. Deswegen sage ich: Die heute vorliegenden Oppositionsanträge sind wenig hilfreich, und sie sind erst recht kein Beitrag zur Beruhigung der aktuellen Lage.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ihre Rede ist auch nicht hilfreich!)
Jetzt zu den Anträgen. Beim Blick in den AfD-Antrag fallen mir viele Schlagworte auf, die bei den meisten Landwirten, mich eingeschlossen, sofort breite Zustimmung finden könnten: Deregulierung, Freiwilligkeit, Planungssicherheit, weniger Produktionskosten, mehr Gewinn für bäuerliche Familienbetriebe. Das klingt alles super. Doch das Fatale ist, dass Sie den grotesken Eindruck vermitteln, man könne das alles ganz einfach mit einem Federstrich über Nacht und ohne Probleme lösen, wenn man es denn nur will. Das ist falsch, das geht nicht, und das wissen Sie genau. Trotzdem sind Sie sich nicht zu schade, auf diesen Effekt zu setzen.
Komplexe, über Jahre gewachsene Rechtsvorschriften auf nationaler und europäischer Ebene binden uns. Sie stehen einfachen Lösungen, die jeder, auch ich, sehr gerne hätte, gleich vielfach entgegen. Das nur am Rande: Seit Jahren setzen wir Agrarpolitiker der Unionsfraktion uns permanent dafür ein, den Bürokratieabbau voranzubringen und für mehr Praxisnähe bei den Vorschriften zu sorgen. Wir kämpfen auch regelmäßig dafür, dass der Ministerialbürokratie nicht die Pferde durchgehen, wenn es lediglich darum geht, die Eins-zu-eins-Umsetzung einer EU-Richtlinie auf den Weg zu bringen.
(Stephan Protschka [AfD]: Seit 15 Jahren an der Regierung!)
Lassen Sie mich ein paar Worte noch zu den Anträgen der Grünen sagen. Auch hier wurde mit diversen Vorschlägen nicht gespart. Liest man das alles, so findet man leider die alten Parolen. Auffällig ist: Sie kultivieren Ihr wohlbekanntes Feindbild von der industriellen Landwirtschaft, dem ganz großen Übel. Die schnelle Lösung zur Beseitigung haben Sie auch gleich parat: Man solle doch einfach alle nur denkbaren Möglichkeiten des Europarechts ausnutzen, um eine radikale Agrarwende herbeizuführen, also noch mehr Regulierung, noch mehr Bürokratie, noch mehr Kosten aus Brüssel; das ist Ihre Antwort!
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das, was die wissenschaftlichen Beiräte vorschlagen!)
Niemand, meine Damen und Herren, bezweifelt ernsthaft die Notwendigkeit von Natur-, Umwelt- und Artenschutzmaßnahmen. Das ist heute Konsens; das ist unverrückbar.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie mal der CDU in Sachsen-Anhalt!)
Eine radikale Agrarwende, wie Sie sie wollen, die eine moderne Landwirtschaft unmöglich machen soll – das sage ich Ihnen mit Blick auf die großflächigere Landwirtschaft bei uns in den neuen Ländern und die anstehenden Beratungen zur GAP –, wird meine Zustimmung nicht finden, vor allem deshalb, weil eine moderne, digitalisierte Landwirtschaft noch viel besser und präziser sein wird.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und möchte Ihnen eines noch mit auf dem Weg geben: Wer mit alten Parolen in die Debatte einsteigt, der kann nicht ernsthaft erwarten, unser Dialogpartner für die Zukunft zu sein.
(Zuruf von der LINKEN: Oh!)
Die vorliegenden Anträge lehnen wir entsprechend der mehrheitlichen Empfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ab.
Ich wünsche uns und Ihnen, dass Sie auch in Zukunft noch einige heimische Produkte genießen können. Essen Sie einmal ein Ei vom Landwirt von nebenan.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir ständig!)
Frohe Ostern heute schon, weil wir ja vor Ostern nicht noch einmal zusammenkommen, und Ihnen allen einen schönen Tag!
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Kann ich eines vom Huhn haben?)
– Na klar.