Dieter Stier: Landwirte sind selbstbestimmte und wirtschaftlich eigenverantwortliche Unternehmer und bleiben es auch künftig
Redebeitrag zum Direktzahlungen-Durchführungsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Landwirte in Deutschland wurden bereits vor Beginn der Coronapandemie sehr hart geprüft. Scharfe Urteile, raue Töne und offene Anfeindungen sind leider Alltag für fast jeden Tierhalter und Betriebsinhaber. Leider hat das Verständnis für ihre tägliche Arbeit seitdem weitere Rückschläge einstecken müssen. Ich möchte daher zu Beginn meiner Anmerkungen unseren Landwirten die oft versagte Anerkennung aussprechen, die sie dringend nötig und verdient haben und die – lassen Sie mich das bitte ergänzen – von diesem Haus nur selten überzeugend von allen hier vertretenen Fraktionen übermittelt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Wir sollten mit der Fehlbeurteilung aufräumen. Landwirtschaft ist mehr als nur stinkende Gülle und mehr als laute staubverursachende Traktoren. Deswegen sage ich einen Dank an all jene in der Landwirtschaft und Tierhaltung, die bis heute trotz dieser massiven Widerstände, trotz teilweise anhaltender Trockenheit, trotz ständig steigender Bodenpreise und anderer Widrigkeiten unsere Ernährungsgrundlagen sichern, auch in Zeiten einer Pandemie. Wir alle sollten diese Leistung vorurteilsfrei anerkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für mich ist klar: Nur ein Mindestmaß an Respekt kann die Grundlage für alle weiteren Diskussionen sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute stehen mehrere Dinge zur Beratung an: das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz, die Änderung agrarmarktrechtlicher Bestimmungen, welche insbesondere europarechtliche Umsetzungen beinhalten, aber auch ein Antrag der FDP-Fraktion vom Januar, dessen heutige Beratung aus meiner Sicht eigentlich schon durch den langen Zeitablauf entbehrlich gewesen wäre.
Zum Direktzahlungen-Durchführungsgesetz und zur Umschichtung der Mittel von der ersten in die zweite Säule hat der Kollege Färber schon die bedeutendsten Punkte ausgeführt, die Vor- und Nachteile abgewogen. Es liegt jetzt bei den Ländern, bei der Umsetzung der Förderprogramme die richtigen Schwerpunkte zu setzen.
Ja, als Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt kann ich Ihnen sagen, lieber Artur, dass bei uns die Vorgewende sicherlich etwas weiträumiger sind als in Süddeutschland. Deshalb ist es richtig, dass die Länder auch unterschiedliche Förderschwerpunkte bei der Umsetzung setzen können.
Ja, ich verstehe nicht, warum in meiner Heimatstadt Weißenfels zwar ein hochmoderner Schlachtbetrieb arbeitet, aber seit dem Fall der Mauer die Tierhaltung dort immer mehr schwindet. Ich kann denen, die das zuständige Ressort in Sachsen-Anhalt verantworten, nur zurufen: Setzen Sie andere Förderschwerpunkte! Unser Gesetzentwurf macht es möglich.
(Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Lassen Sie mich auch zum Antrag der FDP einige Anmerkungen machen. Ich stimme Ihnen vollkommen zu,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
dass Landwirte selbstbestimmte und wirtschaftlich eigenverantwortliche Unternehmer sind und auch künftig bleiben.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das war jetzt zu früh geklatscht!)
Das sehe ich genauso, und dafür müssen wir alles tun, und das ist auch unser Leitbild.
Ich teile weiterhin Ihre Überzeugung, die uneingeschränkt richtig ist, dass zur Ausrichtung der Betriebe verlässliche und langfristige Rahmenbedingungen erforderlich sind. Hier gibt es überhaupt keine Unterschiede in der Betrachtungsweise. Aber Ihr abenteuerlicher Vorwurf, wir würden uns bewusst jeglichem ernstgemeinten Dialog verweigern, den kann ich für mich, aber sicherlich auch für die Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition so nicht im Raum stehen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese Behauptung, liebe Freunde, ist einfach falsch. Sie lässt sich auch leicht widerlegen. Als die Landwirte vor knapp einem Jahr in zahlreichen Städten, insbesondere auch hier in Berlin, ihren Unmut zum Ausdruck brachten, war es da draußen vorm Brandenburger Tor Ministerin Klöckner, die sich den 40 000 geduldig zum Dialog gestellt hat. Verweigerungshaltung, lieber Kollege Hocker, sieht anders aus. Dafür haben selbst Kritiker Anerkennung gehabt.
Vizepräsident Thomas Oppermann:
Gestatten Sie denn dem Kollegen Hocker eine Zwischenbemerkung?
Dieter Stier (CDU/CSU):
Aber selbstverständlich gestatte ich dies dem Kollegen Hocker.
Dr. Gero Clemens Hocker (FDP):
Vielen Dank, verehrter Herr Kollege, dass ich diese Zwischenfrage stellen darf. – Sie haben eben ja ausgeführt, dass ein Dialog zwischen der Bundesregierung und den Landwirten stattfindet. Würden Sie mir zustimmen, dass zu Beginn dieses Dialogs, zu dem ja über 40 Gruppen und Organisationen eingeladen wurden, schon Referentenentwürfe kursiert haben, in denen es darum ging, wie in Zukunft Düngeverordnungen und weitere maßgebliche Regelungen für Landwirtschaft auszusehen haben? Und wollen Sie tatsächlich an Ihrer Aussage festhalten, dass es ein Dialog auf Augenhöhe ist, wenn die Ergebnisse zu Beginn dieses Dialogs eigentlich schon festgestanden haben?
Dieter Stier (CDU/CSU):
Lieber Herr Kollege Hocker, vielen Dank für die Frage. Die beantworte ich ganz kurz: Bei uns kursieren ständig Entwürfe, weil wir nämlich ständig arbeiten und deshalb fortdauernd Ideen entwickeln. Die werden wir auch mit den Gruppen rechtzeitig besprechen; und das haben wir zu dieser Zeit auch getan.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist meistens der Sinn von Entwürfen, dass man darüber redet! – Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was, meine Damen und Herren – damit komme ich noch einmal zum Antrag der FDP –, unterscheidet uns von Ihrem Antrag? Die Ministerin verspricht eben nichts, was falsche Hoffnungen weckt, sondern sie sagt ganz schlicht, was möglich ist.
(Hermann Färber [CDU/CSU]: Genau!)
Spätestens hier treten die großen Unterschiede zwischen Ihnen und uns in Sachen Herangehensweise auch zutage. Ihr Antrag stellt Scheinlösungen ins Schaufenster, die Sie dann natürlich nicht verantworten müssen. So kommen wir nicht voran.
Übrigens – noch ein letzter Satz –: Der Dialog auf Augenhöhe, den Sie uns absprechen, hat längst stattgefunden.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das merkt nur keiner!)
Auch die Bundeskanzlerin – Herrn Hoppenstedt habe ich hier gerade gesehen; das kann er ihr ja ausrichten – hat sich im November letzten Jahres auf dem extra anberaumten Agrargipfel mit Landwirten und Vertretern von Branchenverbänden persönlich ausgetauscht, weil wir eben erkennen, dass die Lage der grünen Branche nicht einfach ist. Sie sehen also, meine Damen und Herren: Der von Ihnen angemahnte Dialog hat längst stattgefunden. Er findet täglich statt. Er wird auch künftig sachorientiert stattfinden,
(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und er wird auch ständig fortgeführt werden. Ihr Antrag hilft uns dabei, mit Verlaub, leider nicht weiter.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)