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Tino Sorge
(Quelle: Tobias Koch)

30 Jahre Pflegeversicherung

Union hat das Urheberrecht

Herausforderung Demografie – Vorsorge für eine alternde Gesellschaft 

Von Tino Sorge

 

Norbert Blüm hat rechtzeitig erkannt, was auf die alternde Gesellschaft der Bundesrepublik zukommt: „Wir brauchen eine anständige Antwort auf das Thema Pflege“, stellte der Arbeits- und Sozialminister 1993 fest. Trotz aller Widerstände zur damaligen Zeit: Blüm gelang es, sich mit seinem Projekt durchzusetzen. Wenig später, am 1. Januar 1995, wurde die Pflegeversicherung eingeführt. 

Vor der Einführung der Pflegeversicherung vor bald 30 Jahren waren die mit einer Pflegebedürftigkeit verbundenen finanziellen Belastungen ein rein privates Risiko. Wer zum Pflegefall wurde, musste alles Nötige aus eigener Tasche bezahlen: die Pflegekraft, die Hilfsmittel, gegebenenfalls den Aufenthalt in einem Heim. Reichte das Geld dafür nicht aus, rutschte derjenige zwangsläufig in die Sozialhilfe.

Nun gab es neben der Kranken-, der Renten-, der Arbeitslosen- und der Unfallversicherung eine fünfte Sozialversicherung – wenngleich als Teilkasko. Das bedeutet: Die Pflegeversicherung sichert das Risiko zwar nicht zu hundert Prozent ab, sorgt aber dafür, dass viele Pflegebedürftige und ihre Angehörigen spürbar entlastet werden. Mittlerweile ist diese Leistung zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Ein Sozialsystem ohne Pflegeversicherung wäre heute für die meisten Deutschen nicht mehr vorstellbar. 

Die Pflegeversicherung ist aber kein starres Konstrukt, sondern orientiert sich an den Herausforderungen ihrer Zeit. So muss sie immer wieder neu an die demografische Entwicklung oder den medizinischen Fortschritt angepasst werden. Auch hier waren es Gesundheitsminister der Union, die in den vergangenen 30 Jahren mit ihren Ideen für weitreichende Reformen gesorgt haben. 

Hermann Gröhe etwa holte als Gesundheitsminister zwischen 2014 und 2017 lange aufgeschobene Leistungssteigerungen nach. Vor allem aber definierte er die Pflegebedürftigkeit neu. Seither werden auch an Demenz Erkrankte von der Versicherung unterstützt. Gröhe setzte auch eine Idee des damaligen gesundheitspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion, Jens Spahn, um und errichtete einen Pflegevorsorgefonds, um Mittel für die Zeit anzusparen, in der die Babyboomer alt und möglicherweise pflegebedürftig werden. 

Jens Spahn kümmerte sich in seiner Amtszeit als Gesundheitsminister von 2018 bis 2021 darum, dass Menschen, die in Pflegeheimen untergebracht werden müssen, nicht finanziell überfordert werden. Er dämpfte die Höhe der Eigenanteile bei der Finanzierung des Heimplatzes. Nun gilt: Je länger jemand im Pflegeheim lebt, desto mehr Kostenanteile übernimmt die Pflegeversicherung. 

Und heute? Alles im grünen Bereich? Leider nein: Trotz aller bisherigen kostendämpfenden Maßnahmen wird die Pflege teurer. Was daran liegt, dass die Bevölkerung in unserem Land älter wird und die Anzahl der Pflegebedürftigen wächst. Haben im Jahr 1995 noch 1,06 Millionen Menschen Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erhalten, waren es 2022 bereits knapp 4,9 Millionen. Außerdem: Die Zahl derjenigen, die ins Beitragssystem einzahlen, wird sinken, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kommen. Gleichzeitig steigen die Kosten für Pflegekräfte und Leistungsangebote. Deshalb ist die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung ein Gebot der Zeit. Die Ampel hat es bisher allerdings nicht geschafft, nachhaltige Lösungsvorschläge vorzulegen. Ganz im Gegenteil: Geringfügige Leistungserhöhungen werden mit Beitragssteigerungen erkauft. Schwer wiegt zudem, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Zahlungen an den Pflegevorsorgefonds gestoppt hat. Der Fonds wird damit praktisch ausgetrocknet. Künftigen Generationen werden Finanzreserven vorenthalten, die sie dringend benötigen werden. 

In der restlichen Wahlperiode ist von der Ampel auch nicht mehr viel zu erwarten, zu unterschiedlich sind die Vorstellungen der Koalitionspartner. So wird wohl die geplante dauerhafte Absenkung von Eigenanteilen bei der Finanzierung eines Pflegeplatzes auf der Strecke bleiben. Und eine Dynamisierung des Pflegegeldes, also die Anpassung an die Inflation, hat auch keine Chance mehr auf Umsetzung. Für die Pflegeversicherung waren die Jahre der Ampel somit verlorene Jahre. 

Und wir? Was haben wir vor? Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist klar, dass die Pflegeversicherung die Menschen im Fall der Pflegebedürftigkeit auch künftig solide absichern muss. Dieses Versprechen gilt. Was das konkret heißt, hat die Unionsfraktion in ihrem Positionspapier „Die Pflege zukunftsfest machen“ vom Oktober 2023 klar und deutlich beschrieben. 

"Die Pflegekräfte brauchen verbesserte Arbeitsbedingungen"

So halten wir am bestehenden Teilleistungssystem fest. Eine Vollversicherung, wie sie in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, ist in der Pflege schlichtweg nicht realistisch. Das bedeutet: Neben der gesetzlichen Versicherung brauchen wir eine betriebliche Mitfinanzierung plus eigenverantwortliche Vorsorge, wenn die Pflege auf solide Füße gestellt werden soll. 

Damit ist es aber nicht getan: Die Menschen, die sich tagtäglich in den Pflegeberufen engagieren, brauchen verbesserte Arbeitsbedingungen. Nur wenn der Beruf attraktiv ist, können wir den ständig wachsenden Fachkräftebedarf in der Pflege abdecken. Und natürlich wird das System nicht funktionieren ohne die pflegenden Angehörigen. Dieser „größte Pflegedienst der Nation“ benötigt ebenfalls Unterstützung und Entlastung, um seine Aufgaben meistern zu können. 

Strukturelle Reformen sind aus unserer Sicht nötig und möglich. Sogenannte versicherungsfremde Leistungen, etwa Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, sind systemwidrig und müssen ausgelagert werden. So könnten wir die Pflegeversicherung entlasten. 

Gute Vorschläge im Einzelnen gibt es. Aber wir sind auch abhängig von der Gesamtsituation. Denn Grundlage für eine solide Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung ist eine gesunde Wirtschaft. Es gilt auch hier wieder ein Satz von Norbert Blüm: „Sozialleistungen sind keine himmlischen Geschenke, sondern müssen hart erarbeitet werden.“ 

Nur eine gute Konjunktur schafft eine stabile finanzielle Basis für die Sozialversicherung. Nur sie schafft den nötigen Spielraum für betriebliche und private Vorsorgemöglichkeiten. Die unionsgeführten Bundesregierungen haben über Jahre für Wirtschaftswachstum gesorgt und dadurch notwendige Reformen in der Pflege möglich gemacht. Davon ist die aktuelle Bundesregierung weit entfernt. Für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen hat dies weitreichende Auswirkungen. 

Die Union hat also nicht nur das Urheberrecht an der Pflegeversicherung, sondern auch die Verantwortung und Verpflichtung, sie weiterzuentwickeln, damit auch kommende Generationen von ihr profitieren. Denn – zurück zu Blüm – wenn nicht wir die „anständigen Antworten“ auf das Thema Pflege geben, wer täte es sonst?
 

Aus: Printausgabe Fraktion Direkt | Juli 2024

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