Standards zur Altersfeststellung unbegleiteter minderjähriger Ausländer bundesweit vereinheitlichen
Verlässliche Methoden zur Altersfeststellung werden zu selten angewandt
Nach Expertenschätzungen sind viele unbegleitete junge Flüchtlinge, die von der Jugendhilfe betreut werden, gar nicht minderjährig. In der aktuellen Diskussion um die Altersfeststellung erklärt die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön:
„Wir brauchen bundeseinheitliche Standards für die Altersfeststellung von jugendlichen Ausländern, die ohne Papiere nach Deutschland einreisen. Betreuung durch die Kinder- und Jugendhilfe darf nur wirklich Schutzbedürftigen zukommen – im Bedarfsfall auch jungen Volljährigen bis 21 Jahren. Es ist aber nicht länger hinnehmbar, dass durch die laxe Handhabung vieler Jugendämter nach Schätzungen von Experten mindestens ein Drittel bis zur Hälfte der in Obhut genommenen Jugendlichen deutlich älter ist – eine große Anzahl sogar Mitte zwanzig. Sie werden in Heimen, Wohngruppen oder von Pflegeeltern betreut. Das ist nicht nur kostenintensiv, sondern bindet auch Kapazitäten der Jugendhilfe, die für wirklich Hilfsbedürftige dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Dabei bietet das Kinder- und Jugendhilferecht durch § 42f SGB VIII schon jetzt den rechtlichen Rahmen, in welchen Fällen und wie eine medizinische Altersfeststellung zu erfolgen hat. Maßstäbe hierfür sind selbstverständlich das Kindeswohl, die Achtung der Menschenwürde und die körperliche Integrität
Derzeit kann jedes der rund 600 Jugendämter in Deutschland eigenständig entscheiden, wie das Alter unbegleiteter Minderjähriger festgestellt wird. Röntgen der Handknochen oder der Zähne werden von vielen Jugendämtern nur selten angewandt. Die vorläufige Inobhutnahme beruht meist auf der sogenannten qualifizierten Inaugenscheinnahme durch Behördenmitarbeiter. In Zweifelsfällen kann aber auf Antrag des unbegleiteten minderjährigen Ausländers (oder seines Vertreters) oder aber von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung zur Altersfeststellung veranlasst werden. Dabei ist selbstverständlich eine Genitaluntersuchung gänzlich ausgeschlossen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter hat in ihren Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen das Verfahren der Altersfeststellung genau beschrieben.
Wir sollten uns an unseren Nachbarländern Österreich, Dänemark und Schweden orientieren und zusammen mit den Ländern ein geregeltes Verfahren festschreiben: Wenn durch bloße Inaugenscheinnahme eines unbegleiteten jugendlichen Ausländers durch Behördenmitarbeiter nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob er noch minderjährig ist, sollten zwingend Mediziner zur Begutachtung hinzugezogen werden. Lässt sich auch durch die ärztliche Begutachtung der körperlichen Reife das Alter nicht eindeutig ermitteln, dürfen Röntgenuntersuchungen der Handknochen, des Schlüsselbeins oder der Zähne kein Tabu sein. Durch diese Untersuchungen kann zumindest ein Mindestalter diagnostiziert werden, was für die Entscheidung, ob eine Betreuung durch die Jugendhilfe erfolgen muss, ausreicht.
Im Saarland wird schon jetzt bei der Altersfeststellung konsequent das Verfahren der Handwurzelbestimmung durch Röntgen angewandt. Bestehen weiterhin Zweifel über das Alter erfolgt eine ärztliche Untersuchung bei der Rechtsmedizin am Klinikum Saarbrücken. Von Februar 2016 bis November 2017 wurden bei 701 Untersuchungen 243 unbegleitete minderjährige Ausländer als volljährig erkannt.“