Thorsten Frei: Es darf für die Menschen keine Anreize mehr geben, über das Mittelmeer zu kommen
Rede in der aktuellen Stunde zur Seenotrettung im Mittelmeer
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brandt, da haben Sie hier am Rednerpult wirklich eine kabarettreife Leistung hingelegt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Zuruf von der LINKEN)
Mit den Fakten hat es erstens nicht viel zu tun, und zum Zweiten ist es eben auch so, dass Sie sich ganz genau anschauen sollten, in welchen Rahmenbedingungen wir uns eigentlich bewegen.
(Michel Brandt [DIE LINKE]: Wir haben uns das ganz genau angeguckt!)
Wenn Sie sich das anschauen, dann sehen Sie, dass im ersten Halbjahr dieses Jahres etwa 40 000 Menschen vom afrikanischen Kontinent nach Europa gekommen sind: nach Spanien, nach Griechenland, nach Italien.
(Michel Brandt [DIE LINKE]: Haben Sie mal gefragt, warum?)
Das ist halb so viel wie letztes Jahr, und es sind vielleicht 20, 25 Prozent gegenüber den Zahlen aus dem Jahr 2016.
(Michel Brandt [DIE LINKE]: Weil der Rest in libyschen Folterlagern sitzt!)
Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir in den vergangenen Jahren vielfältige Maßnahmen ergriffen haben, um insbesondere die Hilfs- und Rettungsinfrastruktur zu verbessern. Das gilt für Europa, das gilt für Italien.
Ich danke an dieser Stelle beispielsweise den deutschen Marinesoldaten, die im Rahmen von EUNAVFOR MED Operation Sophia 22 500 Menschenleben im Mittelmeer gerettet haben. Ich danke auch denen, die im Rahmen von Frontex aus Helikoptern, aus Flugzeugen das Mittelmeer scannen und damit Rettungsaktionen organisieren und ermöglichen.
Fakt ist aber eines: Es ist tatsächlich so, dass trotz der zurückgehenden Zahl der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer gekommen sind, die Zahl der Toten immer noch hoch ist: 850 Tote im Mittelmeer alleine in diesem Jahr.
(Michel Brandt [DIE LINKE]: Was sagen Sie zu einem zivilen Rettungsprogramm?)
Da sage ich Ihnen ganz klar: Das, was Sie wollen, und das, was Sie machen, ist vielleicht gut gemeint, aber es ist das Gegenteil von gut,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP] – Michel Brandt [DIE LINKE]: Erklären Sie, warum!)
weil es letztlich einen Beitrag dazu leistet, dass Menschen im Mittelmeer sterben, aber nicht nur im Mittelmeer, sondern auch, wenn sie aus Subsahara-Afrika kommen und die Wüste durchqueren. Deswegen, glaube ich, ist es richtig, dass wir alles unternehmen müssen, damit die Menschen diesen gefährlichen Weg über das Mittelmeer gerade nicht nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Daran arbeiten wir. Wir haben viel Geld zur Verfügung gestellt – Sie können mal einen Blick in den Bundeshaushalt werfen –, dass Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpft werden. Deswegen möchten wir beispielsweise den europäischen Grenzschutz verstärken.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Grenzschutz verstärken hat mit Fluchtursachen nichts zu tun! Grenzschutz verstärken heißt Abschottung!)
Wir möchten dazu beitragen, dass es für die Menschen keine Anreize gibt, über das Mittelmeer zu kommen. Wir möchten dafür sorgen, dass ihnen dort geholfen wird, wo sie leben. Dafür schaffen wir die, wie ich finde, richtigen Voraussetzungen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir brauchen, glaube ich, zum einen viel Geld und viele Möglichkeiten, um in den Herkunftsländern zu helfen. Zum anderen müssen wir die europäischen Grenzen schützen. Das tun wir auch.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie denn schützen?)
Bis zum Jahr 2020 wollen wir Frontex auf 10 000 Grenzschützer aufstocken. Ich glaube, dass wir dort noch viel mehr brauchen, um einen effektiven Grenzschutz zu ermöglichen. Wir jedenfalls wollen dafür die Möglichkeiten geben.
Und es ist auch klar, dass diejenigen, die im Mittelmeer gerettet werden, selbstverständlich gerettet werden müssen, aber nicht zwangsläufig an das europäische Ufer gebracht werden müssen,
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wohin denn?)
sondern an das nächstgelegene.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Michel Brandt [DIE LINKE]: Genfer Flüchtlingskonvention!)
Das ist auch ein Punkt, den man hier ansprechen muss.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch keine Lösung!)
Es geht darum, nicht Handlanger für Schlepper zu sein, sondern es Regierungen zu ermöglichen, Ursachen für Wanderungsbewegungen und Migration zu vermeiden. Das ist der entscheidende Unterschied.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Wenn Sie jetzt fragen: „In welche Länder denn?“, dann gebe ich gerne zu, dass da noch eine ganze Menge Arbeit vor uns liegt.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und in der Zwischenzeit?)
Wir müssen daran arbeiten. Das ist richtig. Als Vorbild dient beispielsweise der EU-Türkei-Pakt.
(Michel Brandt [DIE LINKE]: Super Pakt!)
Wir haben die Möglichkeit, mit den Ländern zu sprechen. Das wird viel Geld kosten; aber die Chancen sind da. Das gilt im Übrigen nicht nur für die afrikanische Mittelmeerküste, sondern das gilt auch für den Süden der Maghreb-Länder.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach Libyen zurück! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Bitte schön, wenn Sie eine Frage haben, dann stellen Sie eine Frage, aber quatschen Sie nicht die ganze Zeit dazwischen. Dieser nicht vorhandene Anstand, den Sie hier an den Tag legen, ist ja unerträglich.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Aktuelle Stunde!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht im Ergebnis darum, Menschenleben zu retten. Das, was Sie wollen, rettet keine Menschenleben, sondern bringt sie in Gefahr. Das ist der entscheidende Punkt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])
Und deswegen ist das, was Sie wollen, auch abzulehnen. Im Übrigen ist es tatsächlich so, dass auch der libysche Grenzschutz allein seit letztem Mittwoch 2 000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet hat. Dem sollten Sie vielleicht auch Rechnung tragen.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Laut eigener Auskunft! Glauben Sie diesen Angaben?)
– Ja, die glaube ich. – Vor diesem Hintergrund ist es ganz entscheidend – das gehört auch zur Wahrheit –, dass die Nichtregierungsorganisationen, die im Mittelmeer unterwegs sind, bis in die libyschen Küstengewässer hineinfahren und damit natürlich den Schleppern das Handwerk erleichtern. Das ist ohne Frage so, und das müssen wir verhindern.
(Michel Brandt [DIE LINKE]: Die libysche Küstenwache beteiligt sich gleichzeitig als Schlepperorganisation! Wissen Sie das?)
Dafür brauchen wir den richtigen europäischen Rahmen. Ich hoffe, dass auch die nächsten zwei Tage in Brüssel helfen, dass wir dort einen ordentlichen Schritt weiterkommen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP] – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür tut Seehofer alles!)