Stephan Mayer: Zukünftig soll im Widerrufsverfahren für Betroffene eine Mitwirkungspflicht bestehen
Rede zur Änderung des Asylgesetzes
Stephan Mayer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Es gehört aus meiner Sicht mit zu einem der vornehmsten Rechte, die ein Staat gegenüber einem Drittstaatsangehörigen auszusprechen hat, das Recht auf Asyl bzw. den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen. Deutschland war hier in den letzten Jahren bekanntermaßen außerordentlich großzügig. Ich glaube, wir brauchen uns von keiner Seite Kritik gefallen zu lassen. Deutschland hat in den letzten drei Jahren, was die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern anbelangt, eine ausgesprochen humanitäre Visitenkarte abgegeben.
Wir haben aber auch feststellen müssen, dass wir teilweise vielleicht zu großzügig waren. Wir waren vor allem in einer Zeit zu großzügig, als der Flüchtlingszustrom sehr massiv war. Gerade auch auf Druck der Länder hat man sich dann darauf verständigt, neue Verfahren anzuwenden, beispielsweise wurden insbesondere Anträge von syrischen Staatsangehörigen ohne Anhörung im Rahmen des sogenannten Fragebogenverfahrens bewertet.
Wir haben jetzt gesehen, dass es natürlich nicht nur wichtig ist, in einem Asylverfahren ordentliche rechtsstaatliche Qualitätsanforderungen zur Geltung kommen zu lassen, sondern dass es natürlich auch darauf ankommt, in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob der Flüchtlingsstatus überhaupt noch rechtmäßig gewährt wird. Gerade in der Hochphase der Flüchtlings- und Migrationskrise Ende 2015, Anfang 2016 kam es natürlich auch zu Fehlentscheidungen, die darauf zurückzuführen sind, dass nicht ausreichend intensiv und qualitativ hochwertig beispielsweise geprüft wurde, wo jemand herkam, welche Staatsangehörigkeit und welche Identität jemand hat und ob er tatsächlich verfolgt wird.
Vor diesem Hintergrund ist es aus meiner Sicht auch sehr wichtig, dass wir die Bescheide in regelmäßigen Abständen überprüfen. Das Asylgesetz sieht vor, dass spätestens nach drei Jahren ein Widerrufsverfahren eingeleitet werden kann. Wir haben jetzt feststellen müssen, dass es hier bedauerlicherweise rechtliche Defizite gibt. Anders als beim Ausgangsverfahren, wo eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen besteht, besteht diese Mitwirkungspflicht beim Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren bedauerlicherweise nicht. Die Folge ist, dass im Jahre 2017 lediglich 421 Bescheide aufgehoben wurden. Das ist deutlich zu wenig.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mittlerweile immerhin 13 192 Betroffene, die im Rahmen des schriftlichen Fragebogenverfahrens beschieden wurden, angeschrieben und aufgefordert, an dem Rücknahme- und Widerrufsverfahren mitzuwirken. Leider ist die Beteiligungsquote ausgesprochen gering; denn nur 34 Prozent der Angeschriebenen sind der Aufforderung des BAMF nachgekommen, bei einer BAMF-Außenstelle vorstellig zu werden.
Ich bin der festen Überzeugung, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass wir – gerade auch im Lichte der Erfahrungen und Vorkommnisse in der BAMF-Außenstelle Bremen – wirklich noch mehr dafür tun müssen, höhere Qualitätsmaßstäbe zur Geltung kommen zu lassen, insbesondere auch bei den notwendigen Widerrufs- und Rücknahmeverfahren. Deshalb legt die Bundesregierung Ihnen heute einen Gesetzentwurf zur Befassung vor, der vorsieht, dass der § 73 des Asylgesetzes dahin gehend geändert wird, dass zukünftig auch im Widerrufsverfahren für den Betroffenen eine Mitwirkungspflicht besteht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
Es kann aus meiner Sicht nicht angehen – ich sage das hier ganz deutlich –, dass bislang die Versuche, die Betroffenen zur Mitwirkung aufzufordern, teilweise – wie gesagt: in 66 Prozent der Fälle – komplett ins Leere gegangen sind. Und es kann aus meiner Sicht auch nicht angehen, dass es letzten Endes im Ermessen oder im Belieben des Betroffenen steht, ob er überhaupt an dem Rücknahmeverfahren, an dem Widerrufsverfahren mitwirkt oder nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
Deshalb ist es aus meiner Sicht dringend erforderlich, dass wir diese Mitwirkungspflicht in § 73 des Asylgesetzes festschreiben. Der Entwurf, den wir Ihnen vorlegen, sieht zwei Alternativen vor: Wenn der Betroffene nicht mitwirkt, gibt es – erstens – die Möglichkeit des Verwaltungszwanges. Zweite Möglichkeit: Wenn er seiner Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachkommt, dann wird nach Aktenlage entschieden. Aber dann – um dies klar zu sagen – muss sich die fehlende Mitwirkung im Widerrufs- oder im Rücknahmeverfahren zukünftig, anders als bisher, negativ niederschlagen. – Das sind die beiden Alternativen, die wir vorsehen.
Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat eine Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf abgegeben. Die Bundesregierung begrüßt die Vorschläge des Bundesrates ausdrücklich, weil vor allem zwei Vorschläge sehr sinnhaft sind: Zum einen will der Bundesrat eine Erweiterung der Möglichkeiten der erkennungsdienstlichen Behandlung, zum anderen eine Erweiterung der Möglichkeiten der Datennutzung. Ich möchte hier für die Bundesregierung ausdrücklich sagen, dass wir diese Vorschläge aus der Stellungnahme des Bundesrates ausdrücklich begrüßen.
Ich freue mich auf eine qualitativ hochwertige und – das sage ich auch ganz bewusst – eine zeitnahe Behandlung dieses wichtigen Gesetzentwurfes; denn in absehbarer Zeit – darauf möchte ich auch noch hinweisen – stehen über 500 000 Widerrufsverfahren an. Gerade vor dem Hintergrund dieser halben Million kommender Widerrufsverfahren ist es aus meiner Sicht von dringender Notwendigkeit, dass wir endlich die Mitwirkungspflicht für die Betroffenen gesetzlich festschreiben.
Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)