Stephan Albani: "Die eigentliche Absicht ist, Kontakte zu reduzieren"
Aktuelle Stunde | Kurswechsel in der Corona-Politik
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner möchte ich einen Gedanken noch mal aufgreifen: Die Aktuelle Stunde – „Alternative Lösungen statt Lockdown“ überschrieben – wurde vielfach mit dem durchzogen, was wir bei den Bürgerinnen und Bürgern in vielen Gesprächen dieser Tage erleben. Wir diskutieren über Regeln und über Verordnungen. Wir fragen uns: Warum ist der offen und der geschlossen? Warum ist dies so und jenes anders? – Dafür habe ich Verständnis. Ich habe auch Verständnis dafür, dass diese Diskussionen leidenschaftlich, manchmal auch mit Frust, Wut und mit „Es soll doch mal zu Ende sein!“ und „Es reicht doch nun auch!“ an uns herangetragen werden.
Wofür ich jedoch kein Verständnis habe, ist, dass Ursache und Wirkung manchmal verkehrt werden. Hierzu ein Beispiel aus einer Chatgruppe, den sogenannten virtuellen Stammtischen, an denen man mit seinem Handy teilnehmen kann. Kurz vor Silvester des letzten Jahres wurde ich durch sanftes Vibrieren meines Handys auf eine Diskussion aufmerksam. Einer meiner Kollegen fragte nach: „Sag mal, was ist die rechtssichere Definition des Begriffes ‚Ansammlungʼ?“, womit er nichts anderes wissen wollte als: Was ist für ihn an Silvester möglich und zulässig? Daraufhin antwortete ein Jurist aus ebendieser Chatgruppe: Eine Ansammlung im Sinne von Artikel 25 usw. usf. – Er antwortete in juristischer Hinsicht mit großem Sachverstand, keine Frage. Ich habe mich normalerweise in solche Diskussionen nicht eingeschaltet. In diesem Fall tat ich es jedoch und wies darauf hin: Das Virus hat im Übrigen nicht Jura studiert, und es interessiert es ehrlicherweise einen feuchten Kehricht, was in Verordnungen und Ähnlichem drinsteht. Es hat nur eine Aufgabe, ein Ziel: leben und fortpflanzen. Dass es dabei Menschen schädigt, kaputtmacht oder in signifikanter Anzahl tötet, interessiert es schier nicht. Insofern entbinden Verordnungen und Derartiges nicht von selbstständigem Denken.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn wenn man das tut, kommt man sehr schnell zu der Erkenntnis: Das Virus braucht nur eins: zwei Menschen – in einem ist er drin, in den anderen will er rein –, er braucht einen geringen Abstand, er braucht ein bisschen Luftfeuchtigkeit, und eine niedrige Temperatur hilft auch; denn dann sind die Schleimhäute nicht so vital und fit. Auf diese Art und Weise kommt er von einem zum anderen. Insofern ist die wesentliche Methode, um dies zu verhindern: Kontakte reduzieren! Kontakte reduzieren, Kontakte reduzieren, Kontakte reduzieren!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Lockdown ist die Nebenwirkung der Hauptwirkung, die wir anstreben. Sie ist eine sehr unangenehme, für unsere Wirtschaft und für die Menschen teilweise sehr gefährdende, bis an den Rand des Erträglichen und teilweise darüber hinausgehende, fordernde Nebenwirkung. Aber wichtig ist an dieser Stelle: Die eigentliche Absicht ist, Kontakte zu reduzieren. Nur so können wir vermeiden, dass das Virus von dem einen in den anderen kommt. Punkt!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bei der Reduzierung von Kontakten wird es manchmal auch schwierig. Meine Tochter befragte mich Ende letzten Jahres über den Sinn und Zweck einer Regel. Sie fragte: Warum darf ich vormittags meine Freundin in der Schule treffen, sie aber nachmittags nicht zum Spielen treffen? Das verstehe ich nicht. – Das konnte ich verstehen. Ich habe ihr gesagt: Ja, das ist richtig. Wenn die Übertragungswahrscheinlichkeit bei 100 Prozent läge, es also bei einem Kontakt hundertprozentig sicher wäre, dass das Virus von einem auf den anderen übertragen wird, dann hättest du völlig recht; aber glücklicherweise ist das nicht so. Daher steigert jeder Kontakt, auch mit derselben Person, die Gefahr, sich zu infizieren. Deswegen ist jeder nicht reduzierte Kontakt, auch mit derselben Person, etwas, das man verhindern muss. – Das hat sie verstanden. Dreimal dürfen Sie raten, ob sie deswegen begeistert war; das war sie nämlich nicht.
Genauso kann man verstehen, dass die Menschen und die Wirtschaft von den Maßnahmen und deren Wirkung und Nebenwirkung nicht begeistert sind. Deswegen müssen wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es nur – von Volker Ullrich schon erwähnt – genau diese drei Punkte der Therapie gibt. Erstens: Kontakte reduzieren. Zweitens: Testen, um sicherzustellen, dass ein Mensch im aktuellen Moment nicht Überträger sein kann. Drittens: Impfen, sodass er schlussendlich auf Dauer kein Überträger sein kann.
Wenn man mich als Wissenschaftler vor einem Dreivierteljahr gefragt hätte, ob wir in einem Dreivierteljahr über so viele Impfstoffe wie heute verfügen, hätte ich ehrlicherweise gesagt: Nein, niemals. – Das haben wir in der Wissenschaft in dieser Form, mit der Geschwindigkeit, noch nie erlebt. Das ist eine unglaubliche Leistung, die auch mit dem Geld des Deutschen Bundestages, zum Beispiel durch Förderung von BioNTech – es werden schon seit 20 Jahren entsprechende Unternehmen gefördert –, möglich geworden ist und zum Erfolg geführt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Last, but not least möchte ich zusammenfassen: Die Suche nach Alternativen, wenn man eine unangenehme Diagnose und Therapie beim Arzt bekommt, ist normal. Ich komme aus der Medizin. Die Frage nach dem „Warum ich?“ und „Muss das denn wirklich alles sein, was Sie mir gerade erzählt haben?“ ist legitim; es ist legitim, zu fragen: Gibt es andere Möglichkeiten? – Aber in diesem Fall gibt es sie nicht, außer massenhaft Kontakte zu reduzieren, zu testen, testen, testen und am Ende in signifikanter Weise zu impfen. Das werden wir bis zum Ende des Sommers hinbekommen haben, und insofern ist der Weg an dieser Stelle konsequent weiter zu beschreiten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)