Roderich Kiesewetter: es geht darum, das höchste Gut, die Soldatinnen und Soldaten, sinnvoll einsetzen
Rede zum Bundeswehreinsatz im Mittelmeer (SEA GUARDIAN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Adventszeit debattieren wir sieben Einsätze – verbunden mit sieben namentlichen Abstimmungen –, die wir mit großer Nüchternheit, Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit betrachten sollten. Gerade die Operation Sea Guardian zeigt, dass wir als Parlament handlungsfähig sind, dass wir der Regierung durch unsere namentlichen Abstimmungen Handlungsfähigkeit geben und auch unseren Soldatinnen und Soldaten den Rücken stärken. Wichtig ist aber auch, dass wir nach außen, in die Öffentlichkeit, das Zeichen eines handlungsfähigen Parlaments setzen. Das ist uns als CDU/CSU sehr wichtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade die Operation Sea Guardian zeigt, was tatkräftiges Engagement einer Regierung und auch eines Parlaments über die Jahre bewirken kann.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Fast 15 Jahre war dies eine Operation im Rahmen von Artikel 5 des NATO-Vertrages: Selbstverteidigung der NATO. Durch deutsche Diplomatie und viel Werbung innerhalb der NATO-Partner ist es gelungen, daraus eine Mission ganz neuer Art zu machen.
Entscheidend sind aus meiner Sicht zwei Bereiche: erstens, dass wir gemeinsam zum Lagebild im Mittelmeer beitragen; denn sowohl im nördlichen Afrika als auch im Nahen Osten sind erhebliche Umbrüche festzustellen. Wir müssen dies auf Seeseite mitgestalten.
Zweitens ist diese Mission ganz entscheidend, um Partner aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus dem nördlichen Afrika einzubinden, sie auszubilden, sie an die Sicherheitskultur Europas heranzuführen; denn nur gemeinsam werden wir die Herausforderungen, die von internationalem Terrorismus und Migration herrühren, bewältigen können. Deshalb ist die Operation Sea Guardian von uns zu unterstützen. Wir als CDU/CSU möchten hier sehr klar dafür werben.
Erlauben Sie mir aber, dass ich drei Punkte anspreche, die über diese Mission hinausgehen und die die sieben Einsätze, die wir in diesen Tagen debattieren, betreffen.
Erstens. Es handelt sich um eine Mission der NATO, die aber mit der Europäischen Union eng abgestimmt sein muss. Hierbei sollten wir sehr stark daran denken, dass wir unsere eigenen sicherheitspolitischen Interessen mit dem Vorgehen der Europäischen Union und der NATO abstimmen müssen.
Das führt mich zum zweiten Punkt. Spätestens seit der Rede Macrons an der Sorbonne, seit der Rede von Außenminister Gabriel letzte Woche bei der Körber-Stiftung und durch das tatkräftige Engagement unserer Verteidigungsministerin bei der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit ist klar: Wir haben unterschiedliche Sicherheitskulturen in Europa. Frankreich setzt sehr stark auf die europäische Interventionsinitiative. Unser deutscher Ansatz geht in den Bereich der Vernetzung ziviler und militärischer Fähigkeiten, in die Ertüchtigung von Partnern. Wir dürfen das nicht getrennt sehen. Wir sollten das als einen Beitrag zur sicherheitspolitischen Kultur Europas verstehen und uns intensiv darum bemühen, dass das Vorgehen Frankreichs und Deutschlands als zwei Seiten einer Medaille gesehen wird.
Das führt mich zum dritten Punkt. Wenn wir den Anspruch haben, in der Bundeswehr eine Parlamentsarmee zu sehen, dann reicht es aus meiner Sicht nicht, dass wir jährlich die Mandatsdebatten leisten – etwa 16, zweimal im Jahr –, eine Haushaltsdebatte und eine Debatte über den Bericht des Wehrbeauftragten führen, sondern wir sollten uns auch Gedanken über die Erfolge der Mission und insbesondere darüber machen, wie wir diese Einsätze besser miteinander vernetzen können; denn es geht darum, dass wir knappe Haushaltsmittel und das höchste Gut, unsere Soldatinnen und Soldaten, sinnvoll einsetzen: im Sinne unserer politischen Interessen und einer gut abgestimmten Sicherheitspolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])
Ich sage das auch als Oberst außer Diensten unserer Streitkräfte und danke unseren Soldatinnen und Soldaten. Aber mir geht es nicht darum, meiner alten Berufsgruppe zu danken, sondern umgekehrt: Ich glaube, unsere Soldatinnen und Soldaten erwarten mehr von uns, nämlich eine Evaluierung der Einsätze, eine Bilanzierung der Einsätze und eine regelmäßige Debatte im Bundestag über unser internationales Engagement.
Ich halte das deshalb für so wichtig, damit wir auch unserer Bevölkerung klarmachen: Es geht nicht vorrangig um Militäreinsätze, sondern es geht darum, wie wir unser außenpolitisches, sicherheitspolitisches und entwicklungspolitisches Engagement miteinander vernetzen können. Sea Guardian ist ein hervorragendes Beispiel dafür, Lagefeststellung und Ausbildung miteinander zu verknüpfen und der humanitären Verpflichtung im Mittelmeer nachzukommen.
In diesem Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich uns heute und morgen spannende Debatten und eine breite Mehrheit, die unseren Soldatinnen und Soldaten den Rücken für die Einsätze stärkt und unsere Regierung verlässlich und handlungsfähig macht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)