„Rückkehr der Geiseln muss Priorität haben“
- Jürgen Hardt zum Jahrestag des blutigen Hamas-Überfalls auf Israel
- Kampf gegen den Terror braucht militärische und diplomatische Strategie
- Zwei-Staaten-Lösung immer noch beste Option
Am 7. Oktober jährt sich der blutige Überfall der Hamas auf Israel. Bei dem Terrorangriff wurden mehr als 1.200 Israelis getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Von den 250 in den Gazastreifen verschleppten israelischen Geiseln werden noch immer rund 100 von ihren Peinigern gefangen gehalten. Unklar ist, wie viele überhaupt noch leben. Um sich gegen den Terror zu verteidigen, bekämpft Israel unterdessen die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Süden Libanons. Dazu ein Gespräch mit dem außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jürgen Hardt.
Herr Hardt, Israel wehrt sich an mehreren Fronten gegen den Terror. Wie groß ist die Chance, dass es der Hydra die Köpfe abschlagen kann?
Hardt: Die Metapher der Hydra beschreibt treffend die vielschichtige Herausforderung, der Israel im Kampf gegen den Terrorismus gegenübersteht – insbesondere in Bezug auf Gruppen wie Hamas und Hisbollah. Ein Jahr nach dem Ausbruch des letzten Krieges wird deutlich, dass militärische Überlegenheit allein, wie durch das Raketenabwehrsystem „Iron Dome“, nicht ausreicht, um den Terrorismus dauerhaft zu besiegen. Denn hinter diesen Terrorgruppen steht der Iran, der sie strategisch und finanziell unterstützt. Iran fungiert als Drahtzieher, rüstet diese Gruppen mit Waffen und Geld aus und fördert gezielt anti-israelische Ideologien. Der Iran nutzt Hamas und Hisbollah als Stellvertreter im eigenen Kampf gegen Israel und destabilisiert so die gesamte Region.
Israel hat nur dann eine Chance, diese Hydra endgültig zu besiegen, wenn es neben der militärischen Dimension auch einen umfassenden politischen und diplomatischen Ansatz verfolgt. Ein solcher Ansatz darf nicht nur darauf abzielen, die terroristischen Strukturen zu zerstören, sondern muss auch darauf angelegt sein, die Hintermänner, insbesondere den Iran, zu isolieren und ihren Einfluss zu reduzieren. Nur so kann verhindert werden, dass nach militärischen Erfolgen neue Köpfe der Hydra nachwachsen.
„Zusammenarbeit mit internationalen Partnern entscheidend“
Gerät die Frage nach einer Befreiung der verbleibenden Geiseln beim Kampf gegen den Terror in den Hintergrund?
Hardt: Die humanitären Aspekte, insbesondere die Befreiung der Geiseln, sind von äußerster Wichtigkeit und dürfen niemals in den Hintergrund gedrängt werden. Jede Geisel ist ein Mensch und die sichere Rückkehr aller muss stets Priorität haben. Terroristische Gruppen nehmen Geiseln nicht nur, um politischen Druck auszuüben, sondern auch, um die Aufmerksamkeit auf ihre Sache zu lenken und Angst zu schüren.
Daher müssen alle militärischen und strategischen Entscheidungen mit größter Sorgfalt abgewogen werden. Es gilt, sowohl die Sicherheit der Geiseln als auch die nationale Sicherheit Israels zu gewährleisten. Hierbei ist es entscheidend, dass Israel eng mit internationalen Partnern zusammenarbeitet. Diplomatische Kanäle und internationale Unterstützung sind unverzichtbar, um eine humane Lösung zu finden.
Ist eine Zwei-Staaten-Lösung mit Israel und den Palästinensern noch eine Option?
Hardt: Die Zwei-Staaten-Lösung als Konzept existiert schon seit Jahrzehnten. Der Vorschlag, Israel und Palästina als zwei eigenständige Staaten nebeneinander zu etablieren, geht auf den UN-Teilungsplan von 1947 zurück. Auch im Rahmen des Oslo-Abkommens in den 1990er Jahren war die Zwei-Staaten-Lösung ein zentrales Ziel. Trotz dieser früheren Ansätze bleibt die Umsetzung schwierig, und die Realität vor Ort hat sich seither dramatisch verändert. Es gibt jedoch einen guten Grund, warum die Zwei-Staaten-Lösung immer noch auf dem Tisch ist: Alle anderen Optionen sind noch viel schlechter.
Eine der größten Hürden im Friedensprozess ist das tiefsitzende Misstrauen zwischen Israel und den Palästinensern. Auf israelischer Seite bestehen Sicherheitsbedenken, die durch Raketenangriffe und Terroranschläge verstärkt werden. Die Palästinenser sehen den Ausbau israelischer Siedlungen als Bedrohung für die Schaffung eines eigenen Staates. Zusätzlich erschwert die Spaltung zwischen Fatah im Westjordanland und Hamas im Gazastreifen eine einheitliche palästinensische Führung. Die aber wäre nötig für tragfähige Verhandlungen. Meiner Meinung nach kann sie nur aus Fatah und unabhängigen oder neuen Gruppierungen bestehen. Denn mit der Hamas kann man nur bis zur nächsten Rakete verhandeln.
Wenn die Zwei-Staaten-Lösung eine Chance haben soll, dann braucht es nicht nur den Willen der Konfliktparteien, sondern auch erhebliches internationales Engagement. Die USA, die EU und arabische Nachbarstaaten müssen eine aktive Rolle spielen. Sie müssen die Sicherheitsbedenken Israels und die legitimen Ansprüche der Palästinenser berücksichtigen.