Philipp Amthor: Es ist wichtig, dass wir uns auch den Geist der Verfassung vor Augen führen
Rede zur Wiedergutmachung im Staatsangehörigkeitsrecht
Philipp Amthor (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wiedergutmachung des Unrechts des Nationalsozialismus ist für uns nicht nur in diesen Tagen, sondern seit der Konstituierung und seit der Konstitutionalisierung unseres Staates eine originäre Verpflichtung. Dass darüber Einigkeit herrscht und dass wir deswegen größtmögliche Offenheit für Einbürgerungswünsche von Nachfahren der NS-Opfer haben müssen, ist ein gutes, ein notwendiges und gemeinsames Zeichen dieser Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist wichtig, dass wir uns, um Klarheit in dieser Frage zu gewinnen, auch den Geist der Verfassung vor Augen führen. Über Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes ist heute schon verschiedentlich gesprochen worden. Es war eine ganz bewusste Entscheidung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, dort einen Anspruch auf Wiedergutmachungseinbürgerung für die Opfer des Nationalsozialismus zu verankern. Dabei liegt dieser Norm, Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes, das klare Verständnis zugrunde, dass die Ausbürgerungsmaßnahmen des NS-Regimes Unrechtsakte par excellence und damit von Anfang an nichtig waren.
Dieser unerträgliche Widerspruch zur Gerechtigkeit, wie man es in der Radbruch’schen Formel formulieren würde, muss aufgelöst werden. Aber schon damals war den Müttern und Vätern des Grundgesetzes klar, dass das nicht mit zwei Sätzen in der Verfassung gehen wird, sondern dass es dafür eine nähere Präzisierung braucht, dass wir eine praktisch handhabbare Spezifizierung dieses Wiedereinbürgerungsanspruches brauchen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dass das aktuell ist, haben wir anhand der Zahlen gesehen, über die wir diskutiert haben: Sie sind von 43 Anträgen in 2015 auf 1 500 Anträge in 2018 gestiegen, auch bedingt durch das Brexit-Referendum. Aber für uns ist klar – auch wenn hier ein scheinbarer Widerspruch aufgezeigt werden sollte –: Wir wollen auf diesen gestiegenen Anspruch reagieren, und wir wollen das mit einer handhabbaren Lösung tun. Genau das hat das Bundesinnenministerium mit seinen Erlassen zur Auslegung von § 14 des Staatsangehörigkeitsgesetzes auch getan. Denn wenn hier behauptet wird, es gebe keinen gesetzlichen Anspruch auf Wiedereinbürgerung, dann ist das falsch. Die Erlasse selbst sind nicht die Grundlage der Wiedereinbürgerung, sondern sie konkretisieren § 14 des Staatsangehörigkeitsgesetzes.
Ich will deutlich machen: Wir haben einen gesetzlichen Anspruch, und das ist auch gut so. Hier einen Widerspruch zu erwecken, führt in die Irre, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun ist der Vorschlag der Opposition, mit einem neuen § 15 des Staatsangehörigkeitsgesetzes einen gänzlich neuen Wiedereinbürgerungsanspruch, eine neue Norm, zu schaffen. Das wird dann hier als weiter gehendere Lösung, als größerer Gewinn für die Betroffenen verkauft. Ich will aber sagen, auch nach dem Eindruck der Anhörung, die wir im Innenausschuss hatten: Das ist kein Gewinn für die Betroffenen. Für diejenigen, die als Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus wieder eingebürgert werden wollen, ist nicht die Frage entscheidend, ob das indirekt über das Verwaltungsinnenrecht passiert oder direkt durch einen neuen Anspruch, sondern entscheidend ist, dass es passiert. Genau dafür haben wir eine schnelle Regelung getroffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist wichtig, dass unsere Lösung nicht nur schneller ist – die Erlasse des Bundesinnenministeriums gelten schon seit einem halben Jahr, während wir hier noch diskutieren –, sondern sie ist auch rechtssicherer. In der Anhörung des Innenausschusses haben die Verwaltungsrechtsprofessoren Hailbronner und Kluth das ausdrücklich erklärt. Die Regelung, die Sie vorschlagen, schafft nämlich einen neuen auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff in § 15 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Das führt erst mal nicht zu mehr, sondern zu weniger Rechtssicherheit; denn Sie werden Verwaltungsverfahren haben, in denen Verwaltungsgerichte in 16 Bundesländern diesen neuen Rechtsbegriff neu auslegen müssen. Das finden wir nicht überzeugend. Wir knüpfen an einen schon jetzt bestehenden gesetzlichen Anspruch in § 14 an. Das ist schneller, das ist rechtssicherer, und das ist der richtige Weg für die Praxis und auch für die Betroffenen, weil er konkret hilft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für uns ist entscheidend: Wie müssen wir hier reagieren? Es geht nicht um die Frage „Erlass oder Gesetz?“, es geht auch nicht nur um Gesetzestechnik, sondern es geht darum, dass wir eine Lösung brauchen, die verantwortungsvoll ist, die schnell ist, die rechtssicher und einheitlich ist und die unserer historischen Verantwortung gerecht wird. Genau das hat die Bundesregierung mit dem Bundesinnenministerium vorgelegt. Das ist der richtige Weg, und dafür treten wir ein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)