Norbert Altenkamp: "Der Bund kann nur anbieten, die Länder müssen zugreifen"
Hilfeplan für die physische und psychische Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir alle wollen – darüber brauchen wir uns nicht zu streiten – das Beste für unsere Kinder. Als Vater von zwei Kindern weiß ich nur zu gut, vor welch großen Herausforderungen durch die Einschränkungen der Coronakrise unsere Kinder und ihre Familien stehen. Sie können ihre Freunde nicht mehr in der gewohnten Art treffen, nicht feiern, kaum Sport treiben, Musik machen oder die Welt durch Reisen erkunden. Sie versäumen trotz allen Bemühens im Homeschooling Schulstoff und außerdem wertvolle Erfahrungen, die für ihre Entwicklung wichtig sind. Viele Jugendliche haben auch Angst vor der Zukunft und fühlen sich einsam. Aber es gefällt ihnen auch nicht, dass wir ihnen Stempel wie „verlorene Generation“ oder „Generation Corona“ aufdrücken.
Viele Kinder können die Herausforderungen mithilfe ihrer Familien, enger Freunde und engagierter Lehrkräfte gut bewältigen – auch meine. Manche Kinder können das aber leider nicht. Deshalb freue ich mich, dass wir darüber diskutieren, wie man den Kindern und Jugendlichen am besten helfen kann, die coronabedingten Herausforderungen zu überwinden.
Ja, wir brauchen ein Nachholprogramm für unsere Kinder; das hat auch Bundesministerin Karliczek mehrfach betont.
(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])
Dabei ist es aus meiner Sicht essenziell, dass wir die psychischen Probleme und die Probleme durch Lernrückstände zusammendenken; denn nur Kinder, die sich wohlfühlen, können auch gut lernen. Kinder müssen trotz der Pandemie Kinder sein können. Sie brauchen Freiräume, um sich zu entfalten. Es nützt nichts, wenn wir versuchen, wie durch einen Lerntrichter das entgangene Wissen so schnell wie möglich reinzustopfen. Genau das kommt mir in Ihren Anträgen zu kurz.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)
Kinder müssen nicht nur funktionieren, sondern dürfen auch die bald wiedergewonnenen Freiräume für sich ganz persönlich nutzen.
Umso mehr begrüße ich, dass Bundesministerin Karliczek den Ländern angeboten hat, zusätzliche Lernangebote in den Ferien mit dem BMBF-Programm „Kultur macht stark“ zu unterstützen. Beim Lernsommer Schleswig-Holstein 2020 war diese Kooperation bereits erfolgreich. Dabei ging es eben nicht nur um Schulstoff, sondern auch um die persönliche und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, um Selbstständigkeit und digitale Kompetenzen. Der Bund kann nur anbieten, die Länder müssen zugreifen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wegen des hohen Unterrichtsausfalls arbeitet Bundesministerin Karliczek gemeinsam mit den Ländern auch an einem Aktionsplan zum Aufholen von Lernrückständen. Schwerpunktmäßig will man mit dem Programm Schülerinnen und Schüler in den Abschlussklassen und in den Kernfächern fördern.
Die Herausforderungen sind also bekannt, und sie werden angegangen. Ihre Forderungen an den Bund sind aber falsch adressiert. Ihre Anträge sind ein Forderungskatalog an die Länder. Der Bund unterstützt die Länder immer gerne dabei, ihre Aufgaben zu erfüllen, um unseren Kindern optimal zu helfen. Das zeigen nicht nur das geplante Nachholprogramm und das Programm „Kultur macht stark“, sondern auch der DigitalPakt Schule, das „Haus der kleinen Forscher“, die geplante Bildungsplattform und vieles mehr.
Viel wichtiger als der ewige Ruf nach Aktionen des Bundes ist aus meiner Sicht aber, dass die Länder ihre ureigenen Hausaufgaben im Bereich Bildung machen. So ist es eindeutig Aufgabe der Länder, den Erfolg des geplanten Nachholprogramms zu sichern, indem sie erstens die Leistungsrückstände erheben und zweitens ihre Strukturen vor Ort nutzen, um die Leistungsrückstände individuell zu beheben. Auch Patenschaften von Studierenden oder pensionierten Lehrern für Schülerinnen und Schüler sind dabei denkbar.
Der Förderbedarf ist so unterschiedlich, wie es die Schulen und die Schülerinnen und Schüler sind. Auch die Strukturen sind in jedem Bundesland unterschiedlich. Hier wissen besonders die Schulen, die Landräte und Bürgermeister am besten, was erforderlich ist. So hat der Landrat in „meinem“ Main-Taunus-Kreis im letzten Jahr die Sommerpause für eine Bedarfserhebung genutzt. Und ich kann versichern: Jedes Kind in meinem Landkreis hat ein digitales Endgerät, das es im Homeschooling nutzen kann.
So muss es auch bei dem Nachholprogramm laufen. Nur dann können wir erfolgreich sein. Dabei sollten die Länder den Verantwortlichen vor Ort auch mehr Spielräume geben, in einem abgesteckten Rahmen eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, gerade auch dann, wenn es um den sicheren Präsenzunterricht während der Pandemie geht. Wir müssen auch im Bildungsbereich flexibler und weniger bürokratisch sein.
Es ist gut, wenn Bund und Länder beim Nachholprogramm und bei vielen anderen Gelegenheiten gut zusammenarbeiten. Aber wir sollten dabei nicht die Zuständigkeiten vermischen. Nur dann kann auch das Nachholprogramm funktionieren.
Daher freue ich mich auf die weitere Diskussion im Ausschuss. Bis dahin wäre es allerdings hilfreich, wenn die Antragsteller ihren Kolleginnen und Kollegen in den Ländern Beine machen würden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Als ob nicht ausgerechnet die Union in den allermeisten Ländern regiert! – Gegenruf des Abg. Norbert Maria Altenkamp [CDU/CSU]: Ihr seid auch dabei! Thüringen! – Gegenruf des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Dann toleriert ihr auch noch die Regierung! Wird immer besser! – Gegenruf des Abg. Norbert Maria Altenkamp [CDU/CSU]: Ihr müsst euch nicht schämen!)