Max Straubinger: "Es ist weiterhin generationengerecht, den Nachholfaktor auszusetzen"
Rede zum Nachholfaktor im Rentenrecht
Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute zum zweiten Mal den Antrag der FDP, den Nachholfaktor wieder in Kraft zu setzen; denn er ist ja nicht abgeschafft, sondern nur bis 2025 außer Kraft gesetzt. Das haben wir als Koalition auch unter dem Gesichtspunkt vereinbart, dass sich die Menschen in unserem Land auf die Rente und auf die gesetzliche Rentenversicherung verlassen können. Ich glaube, dass wir hier sehr klug gehandelt haben, auf der einen Seite den Rentnern in unserem Lande Sicherheit zu geben, aber gleichzeitig auch die jungen Beitragszahler nicht zu überfordern. Der Kollege Kapschack hat gerade zur doppelten Haltelinie ausgeführt, dass es uns auf der einen Seite wichtig war, das Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten, aber gleichzeitig auch, die Beitragszahler nicht zu überfordern. Deswegen wird der Beitragssatz bis 2025 nicht über 20 Prozent steigen.
Jetzt wissen alle, die sich schon lange mit der Rentenpolitik in unserem Land beschäftigen und auseinandersetzen, dass nicht nur ein Faktor bestimmend sein kann für eine verlässliche Rente für die Bürgerinnen und Bürger im Land, dass nicht nur ein Faktor entscheidend ist, ob wir das als gerecht oder als weniger gerecht empfinden. Diese Gerechtigkeitsfrage wird, glaube ich, in keinster Weise in dem Antrag der FDP gelöst.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Mit Gerechtigkeit haben die es halt nicht!)
Denn es konnte ja nirgendwo begründet werden, wo die Gerechtigkeit tatsächlich liegt. Wir hatten schon Jahre mit Beitragssätzen von 19,8 Prozent, ja, von 20 Prozent, einmal, glaube ich, sogar von 20,2 Prozent in unserem Land. Ich glaube nicht, dass jemand sagen kann: „Das war völlig ungerecht“, oder: Der jetzige Beitragssatz von 18,6 Prozent ist vollends gerecht. – Also, das wird sich nie ganz manifestieren lassen.
Deshalb haben wir zu diesem Antrag der FDP eine Anhörung durchgeführt. Ich persönlich konnte an der Anhörung nicht teilnehmen ob eines anderen Termins; aber ich habe sie mir heute einmal ein bisschen zu Gemüte geführt, indem ich das Protokoll gelesen habe. Und ich musste feststellen, dass eigentlich niemand von den geladenen Sachverständigen beziffern konnte,
(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Was?)
wie sich die Belastung auf die Jungen auswirken wird, wenn wir den Nachholfaktor bis 2025 nicht in Kraft setzen. Selbst die geladene Sachverständige der FDP, Frau Kochskämper, konnte dies in der Anhörung nicht mit Zahlen manifestieren.
(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Nicht auf den Euro, aber natürlich! Liegt in der Natur der Sache!)
Die Zahlen, die Sie in den schriftlichen Unterlagen genannt haben, wurden von vielen anderen Rentenwissenschaftlern zerpflückt. Von daher: Die Feststellung, es gäbe eine große Ungerechtigkeit im Handeln der Regierungsfraktionen, lieber Johannes Vogel, haben die Sachverständigen hier nicht untermauert.
(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Quatsch!)
Selbst die Arbeitgeberseite, vertreten durch Herrn Gunkel, die ja sicherlich danach trachtet, es unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftsbetriebe, die sie besonders vertreten, zu sehen,
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Hätten Sie mal hingehört!)
hat die Konfliktsituation dargelegt – nämlich den Nachholfaktor auszusetzen bzw. die Haltelinie von 48 Prozent beizubehalten – und auf das Primat der Politik verwiesen. Er hat gesagt: Auch in der Frage „Renten und Haltelinien“ gilt das Primat der Politik.
(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Aha!)
Somit fühlen wir uns in unserem Handeln bestätigt.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Und wer bezahlt das?)
Ich glaube, dass hiermit dargelegt ist: Es ist weiterhin generationengerecht, den Nachholfaktor auszusetzen und – vor allen Dingen – an den doppelten Haltelinien festzuhalten, nämlich zum einen das Rentenniveau bei 48 Prozent festzuschreiben – wenn es geht, natürlich auch darüber liegend –, aber gleichzeitig den Beitragssatz weiterhin bei unter 20 Prozent zu halten, damit die junge Generation, die beitragszahlende Generation nicht überfordert wird.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Die zahlen es über die Steuer!)
Deshalb, glaube ich, lohnt es sich, Herr Kollege Vogel, wesentlich stärker über den großen Rahmen der Rentenversicherung zu diskutieren als nur über einen kleinen Faktor,
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Große Wirkung!)
der jetzt Grund Ihres Antrags ist. Es geht um die große Linie: Wie sorgen wir dafür, dass die Generation nach 2025 eine gute Rente hat?
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wo sind denn die Ergebnisse?)
Ich sage es ganz offen: Die SPD steht hier immer mehr auf der Verteilungsseite und sagt, hohe Beiträge und hohe Löhne seien der Garant dafür. Aber lieber Kollege Kapschack, da kommt zuerst das Wirtschaften! Wir brauchen genügend Arbeitsplätze und eine hohe Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse; das ist letztendlich die Grundlage.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir alles! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 39 Millionen sind jetzt nicht so schlecht, Herr Kollege Straubinger!)
Wir stellen schon auch die Wirtschaft mit in den Vordergrund. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ist letztendlich mit eine Grundlage dafür, dass wir sichere Renten in unserem Land und einen sicheren Sozialstaat haben. Die Union steht in besonderem Maße dafür; das hat sie über die Jahrzehnte bewiesen.
Wir lehnen aus guten Gründen und auch mit gutem Gewissen, selbst wenn wir in der Weihnachtszeit sind, den Antrag der FDP ab.
(Christian Dürr [FDP]: Was?)
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)