Gunther Krichbaum: Wir alle haben die Genfer Flüchtlingskovention unterzeichnet
Generalaussprache (einschließl. Kultur und Digitales)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Opposition ist es sicherlich Ihr gutes Recht, an der Bundesregierung herumzukritisieren.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank!)
Aber Fakt ist nun einmal, dass Europa sehr froh darüber ist, dass wir nun nach langer Wartezeit eine handlungsfähige, starke Regierung mit einer klar proeuropäischen Agenda haben. Es ist dieses Europa, das ein starkes Deutschland braucht, genauso wie wir umgekehrt ein starkes Europa brauchen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was die Herausforderungen angeht, wurde schon – auch Frau Nahles hat darauf Bezug genommen – viel gesagt. Der Europäische Rat, der jetzt bevorsteht, wird sich gezielt damit auseinandersetzen.
Herr Bartsch, was natürlich überhaupt nicht sein kann, ist, dass Sie sagen, die Bundesregierung sei letztlich für den Brexit verantwortlich. Das kann so nicht stehen bleiben. So ein hanebüchener Unfug!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Man muss immer wieder unterstreichen: Nationale Regierungen haben über Jahre hinweg den Schwarzen Peter nach Brüssel geschoben und wollten für den eigenen Unfug nicht verantwortlich zeichnen. Es ist niemand anderem als Cameron höchstselbst zu verdanken, dass es überhaupt zu diesem Referendum kam.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)
Er hat die Leute nachher nicht mehr von der Palme heruntergebracht, auf die er sie selber getrieben hat.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist doch Ihr Kumpel!)
– Nein, da liegen Sie völlig falsch, Herr Korte.
Nächste Anmerkung. Es ist genauso Unfug, wenn Sie hier behaupten, dass die Budgets der internationalen Hilfsprogramme gekürzt worden seien. – Es ist zwar nicht viel besser, aber: Die internationale Gemeinschaft ist ihren Einlageverpflichtungen, gerade beim World Food Programme, nicht nachgekommen. Es waren diese Bundeskanzlerin und die vorherige Bundesregierung, die im Februar 2016 die bis dato größte Geberkonferenz in London mitorganisiert haben, was 11 Milliarden Dollar für Syrien und die Nachbarländer in die Kasse brachte, damit wir hier auf die Migration und die Herausforderungen in diesen Ländern entsprechend reagieren können. Genau dafür war Kanzlerin Angela Merkel international verantwortlich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum Brexit selbst. Das Austrittsabkommen wird bis Oktober 2018 unter Dach und Fach sein. Danach wird es wohl die Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 geben, und auf dem Europäischen Rat wird jetzt auch schon darüber verhandelt werden – oder besser gesagt: gesprochen werden –, wie die künftigen Beziehungen aussehen sollen. Hier bleibt noch viel zu tun.
Das betrifft im Übrigen auch die Austrittsfragen höchstselbst. Man denke beispielsweise nur an die Außengrenze zwischen Irland und Nordirland bzw. zwischen Nordirland und dem Vereinigten Königreich, die wir in Zukunft haben werden, wenn tatsächlich das umgesetzt werden sollte, was jetzt geplant ist, dass nämlich Nordirland fürderhin in der Zollunion und der Freihandelszone bleibt. Großbritannien möchte ja genau das vermeiden. Es hat bislang aber noch nicht gesagt, wie es sich das Ganze dann vorstellt.
Fakt ist: Verlierer wird die Wirtschaft sein, und zwar vor allem die britische Wirtschaft. Wir reden hier ja auch über eine Deckungslücke in Höhe von 11 bis 12 Milliarden Euro für den europäischen Haushalt, und es wird immer so getan, als spare Großbritannien dieses Geld, wenn es aus der Europäischen Union hinausgeht. Die Wahrheit ist, dass Großbritannien in Zukunft wesentlich mehr dafür ausgeben muss, die Kosten dafür zu kompensieren, nicht mehr Teil des Binnenmarktes zu sein.
Wenn wir schon beim Thema Binnenmarkt sind – die USA lassen grüßen –, ist in puncto Handelspolitik allen voran Peter Altmaier, unserem Wirtschaftsminister, für seinen engagierten Einsatz in den USA zu danken, um die größten Friktionen abzufedern. Allerdings muss sich auch hier im Hohen Hause so mancher schon fragen lassen, wo er bei den TTIP-Verhandlungen in der Vergangenheit stand;
(Beifall des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])
denn wenn wir TTIP gehabt hätten, dann wären genau diese Kapriolen des US-Präsidenten Trump letztlich gar nicht möglich gewesen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zum Thema Türkei. Wir befinden uns hier im wahrsten Wortsinn in einem Spannungsverhältnis. Es wird sicherlich weniger auf dem Europäischen Rat als vielmehr auf dem Sondertreffen, dem Spitzentreffen, in Varna am 26. März 2018 darüber geredet werden. Es ist aber jetzt natürlich schon an der Zeit, klare Worte zu finden, dass das Vorgehen der Türken – gerade auch im syrischen Kurdengebiet – so nicht akzeptabel ist und verurteilt wird. Es ist geboten, deutlich darauf hinzuweisen, weil wir als Europäische Union eben auch eine Werteunion sind. Die NATO ist das aber auch, und da agiert die Türkei eben nicht im luftleeren Raum.
Es sollte auch daran erinnert werden, dass sich nach wie vor viele Menschen in Haft befinden, vor allem über 150 Journalisten, die zum Großteil sogar noch auf ihre Anklageerhebung warten. Deniz Yücel war hier zwar eine Symbolfigur; aber nur durch die Beendigung seiner sozusagen staatlich verordneten Freiheitsberaubung ist das Problem bei weitem noch nicht gelöst.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auch das Thema Außengrenzen und ihr Schutz bleibt auf der Agenda. Ja, Frontex muss weiter gestärkt werden. Ja, Frontex ist mit 1 000 Mitarbeitern viel zu gering besetzt. Es ist weiter im Aufbau. Es ist, historisch gesehen, nicht gerade hilfreich gewesen, dass man die Außengrenzen nationalisiert belassen und die Binnengrenzen europäisiert hatte. Die umgekehrte Reihenfolge wäre sicherlich hilfreicher und logischer gewesen.
Zu der einen oder anderen Anmerkung in Richtung Bayern von heute sei in Klarheit gesagt: Kein anderes Bundesland hatte solche Herausforderungen wie Bayern zu bewältigen. Es ist ein großes Dankeschön an die vielen ehrenamtlichen Helfer und an die Landräte fällig, die alle geholfen haben, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Es war eine Ausnahmesituation; das sollte man sich immer wieder vor Augen halten.
Ich glaube, gerade in dieser Ausnahmesituation hat die Bundesregierung Charakter bewiesen, Haltung bewiesen und das Richtige getan; denn dazu sind wir nicht nur durch die europäischen Verträge verpflichtet, sondern, „werte“ Vertreter der AfD, wir alle haben die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet. Daran sind wir und fühlen wir uns gebunden.
(Beifall des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU]
Das kann man drehen und wenden, wie man will: Man kann natürlich internationale Verträge in die Tonne treten. Aber wir lassen uns durch Sie nicht die Werte der Europäischen Union in die Tonne treten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)