Gescheiterte Ampel: Auf dem Weg zu Neuwahlen
- Kanzler und Regierung haben keine Mehrheit mehr
- Das Grundgesetz beschreibt das Verfahren zur Auflösung des Bundestages
- Bundestagswahl findet voraussichtlich am 23. Februar 2025 statt
Die Ampel ist Geschichte: Nach monatelangem Streit zwischen SPD, Grünen und FDP – vor allem über die Wirtschaftspolitik und den Haushalt – platzte die Koalition am Mittwoch, dem 6. November 2024. Die FDP schied aus der Regierung aus. Die „Fußgänger“-Ampel aus SPD und Grünen verfügt seitdem nicht mehr über eine Mehrheit im Bundestag. Deshalb wird der Bundestag neu gewählt – voraussichtlich am 23. Februar 2025, wenn der Bundeskanzler am 16. Dezember die Vertrauensfrage stellt. Wie ist das Verfahren zur Neuwahl? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was passiert, wenn ein Kanzler und seine Regierung nicht mehr über die nötige Mehrheit im Parlament verfügen?
Wenn ein Bundeskanzler keine Mehrheit mehr hat, sollte er so schnell wie möglich die Vertrauensfrage im Bundestag stellen. Das ist nicht nur ein Gebot der Fairness und des Respekts vor den Wählern. Damit verhindert er auch, dass das Land über einen längeren Zeitraum lahmgelegt ist. Denn die Regierungsfraktionen können ohne Mehrheit im Bundestag keine Gesetze mehr beschließen.
Der Kanzler kann im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Formal beantragt er im Deutschen Bundestag, dass man ihm das Vertrauen ausspricht. Zwischen diesem Antrag und der Abstimmung darüber müssen mindestens 48 Stunden liegen.
Im aktuellen Fall sieht das so aus: Nach einer Einigung zwischen der Minderheitsregierung, der FDP-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion stellt der Kanzler den Antrag zur Vertrauensfrage voraussichtlich am 11. Dezember. Über den Antrag stimmt der Bundestag am 16. Dezember ab.
Was geschieht nach der Vertrauensfrage?
Das Verfahren regelt das Grundgesetz. Spricht die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags dem Bundeskanzler nicht ihr Vertrauen aus so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag innerhalb von 21 Tagen auflösen. Die Verfassung sieht weiter vor, dass der Bundestag innerhalb von 60 Tagen nach seiner Auflösung neu gewählt werden muss. Alles in allem ist das ein Zeitraum von mehr als zweieinhalb Monaten, wenn man ihn ausschöpft. Voraussichtlich wird die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 stattfinden.
Ist der Bundestag in der Zeit zwischen der Vertrauensfrage und der Neuwahl handlungsunfähig?
Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Der Bundestag kann jederzeit zusammentreten, er kann Plenums- und Ausschusssitzungen abhalten. Die Abgeordneten verschwinden ja nicht einfach von der Bildfläche.
Der Bundestag kann sogar Gesetze beschließen, wenn sich dafür eine Mehrheit der Abgeordneten findet – in welcher Konstellation auch immer. Diese Mehrheit ist unabhängig von der geplatzten Koalition. Sie ist sogar unabhängig von Fraktionsgrenzen überhaut – wie es beispielsweise bei Abstimmungen über Ethikfragen üblich ist.
Kurzum: Laut Grundgesetz gibt es keine parlamentslose Zeit. Der alte Bundestag hört dann auf zu existieren, wenn der neu gewählte Bundestag zum ersten Mal nach der Neuwahl zusammentritt.
Ist die Regierung noch handlungsfähig?
Grundsätzlich ja. Sie verfügt aber nicht mehr über eine parlamentarische Mehrheit und hat faktisch keine Gestaltungsmacht mehr. Das betrifft vor allem die Außenpolitik. Ohne tragfähige Mehrheit hinter sich kann die Regierung den außenpolitischen Partnern, etwa in EU und NATO, keine verlässlichen Zusagen mehr geben. Sie ist, wie es im Neudeutschen heißt, eine „lame duck“, eine lahme Ente.
Sobald der neu gewählte Bundestag zusammentritt, ist die Bundesregierung noch geschäftsführend im Amt, sofern der Bundespräsident sie darum bittet. Nach geübter Staatspraxis trifft die geschäftsführende Bundesregierung dann keine weitreichenden Entscheidungen mehr.
Was sollte der Bundestag bis zum Ende der Wahlperiode noch beschließen?
Das hängt davon ab, welche Mehrheiten sich für laufende Gesetzesprojekte noch finden. Die CDU/CSU-Fraktion, die in der bisherigen Konstellation größte Oppositionspartei war, ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Ihre Bedingung war, dass der Bundeskanzler zügig die Vertrauensfrage stellt und das Verfahren für die Neuwahlen in Gang setzt. Sonst würde ihm Gelegenheit geben, das Prozedere hinauszuzögern.
Die CDU/CSU-Fraktion reicht im Übrigen nur dann die Hand zur Kooperation, wenn sie die Vorhaben sinnvoll findet. Sie wird auch nichts mit beschließen, was nicht zwingend nötig oder dringend ist oder womit sie einer künftigen Regierung Steine in den Weg legt.
Wenn nicht in diesem Jahr ein Haushalt für 2025 beschlossen wird, kommt es dann zu einem „Shutdown“ wie in den USA?
So etwas gibt es in Deutschland nicht. Nach Wahlen wird regelmäßig der Haushalt erst im laufenden Jahr verabschiedet. In der Zwischenzeit wird der Haushalt des Vorjahres einfach fortgeschrieben. Alle Zahlungen, zu denen der Bund vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist, werden geleistet. Es können nur keine neuen Zahlungsverpflichtungen eingegangen werden.
Wann stellt der Kanzler die Vertrauensfrage?
Der Bundeskanzler stellt den Abgeordneten des Bundestages die Frage, ob sie ihm weiter vertrauen, am 16. Dezember, also relativ spät. Aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion hätte er dies eigentlich so schnell wie möglich tun sollen, nachdem die Koalition zerbrochen war.
Über die Gründe, warum der Kanzler die Vertrauensfrage so lange hinauszögern wollte, kann man nur mutmaßen: Er wollte wahrscheinlich die Ausgangslage für sich und seine Partei bei den Neuwahlen verbessern. Aber ein solcher Termin darf nicht für taktische Spiele genutzt werden.