Florian Hahn: Ein geeintes Europa ist der Schlüssel für Frieden, Freiheit und Wohlstand für uns alle
Redebeitrag zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich etwas zu Ihnen sagen, Herr Kollege Gauland. Was ich im Geschichtsunterricht in der Schule gelernt habe, ist, dass Ihr politischer Ansatz der Spaltung und Ihr Nationalismus Millionen Menschen und einen ganzen Kontinent in Krieg, in Verderben und in den Abgrund gestürzt hat, und deswegen ist meine Erkenntnis daraus, dass ein geeintes Europa der Schlüssel für Frieden, Freiheit und Wohlstand für uns alle ist.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Heute übernehmen wir die EU-Ratspräsidentschaft, und ich habe eine Überschrift gelesen, die da hieß: Riesige Erwartungen treffen auf gewaltige Herausforderungen. – Ich finde das tatsächlich sehr treffend. Wenn ich mir das Präsidentschaftsprogramm der Bundesregierung anschaue, sehr geehrter Herr Außenminister, dann kann ich nur sagen: Ich glaube, das Programm wird schon mal den Erwartungen und den Herausforderungen gerecht. Ich möchte ein paar Punkte aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion dazu nennen.
Wir brauchen einen gemeinsamen wirtschaftlichen Wiederaufbau. Angesichts der Coronapandemie ist schnelle Hilfe für die am stärksten von der Krise betroffenen Länder gefordert. Deshalb ist der Erholungsfonds das richtige Zeichen in einer Krise, in die ganz Europa unverschuldet geraten ist. Der Erholungsfonds muss aber ein Ausnahmefall bleiben. Die Rückzahlungen der Kredite darf man nicht der nächsten Generation allein aufhalsen, sondern man muss so früh wie möglich damit beginnen, diese dann auch wieder abzubauen, und zwar mit einem klaren Tilgungsplan.
Wir brauchen einen zukunftsorientierten Haushalt. Wir setzen dabei auf Augenmaß. Neue und erweiterte Aufgaben der EU müssen abgebildet sein, zum Beispiel Investitionen in die digitale und die ökologische Wende und in den Bereichen Verteidigung, Migration und Grenzschutz, aber auch traditionelle Politikfelder wie die Landwirtschaft.
Klar ist aber auch: Deutschland kann hier nicht überbelastet werden. Deswegen bestehen wir weiterhin auf unsere Rabatte, und deswegen lehnen wir weiterhin eine Umverteilung und jede Form von Transferunion ab.
Wir müssen außerdem rasch zu einer soliden Haushaltsführung zurückkehren. Wegen der Folgen der Coronapandemie hat die EU die Haushaltsregeln außer Kraft gesetzt. Langfristig führt jedoch kein Weg an einer soliden Haushaltsführung vorbei. Deshalb müssen wir uns dafür einsetzen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt stabil bleibt und nicht aufgeweicht wird.
Wir brauchen eine nachhaltige ökologische und digitale Transformation. Klar ist: Corona hat den Klimawandel nicht aufgehalten. Wir müssen weiter ambitioniert bleiben, aber mit Vernunft und Augenmaß.
Das ist auch nichts anderes als das, was Manfred Weber in diesem Zusammenhang geäußert hat, als er nicht etwa gesagt hat: „Wir wollen nichts mehr von dem Green Deal wissen“, sondern er gesagt hat: Wir müssen das vor dem Hintergrund der Coronapandemie überprüfen; denn Nachhaltigkeit bedeutet eben nicht nur Klimaschutz, sondern Nachhaltigkeit bedeutet, Klimaschutz, soziale Auswirkungen und wirtschaftliche Entwicklung unter einen Hut zu bringen. – Nichts anderes hat Manfred Weber gesagt, und dazu stehen wir. Da hat Manfred Weber recht.
Wir brauchen einen verbesserten Schutz der Außengrenzen und eine effektive Steuerung der Migration. Wir wollen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich erreichen; aber es muss auch einen Unterschied machen, ob jemand Mitglied der Europäischen Union ist oder nicht.
Wir brauchen auch eine europäische Perspektive für die Länder des Westbalkans. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich ausdrücklich zur europäischen Perspektive für die Länder des westlichen Balkans.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Zuletzt haben wir die Tür für Albanien und Nordmazedonien aufgestoßen. Jetzt liegt es an den Ländern, die Chance zu ergreifen und tatsächlich durchzugehen.
Vizepräsident Thomas Oppermann:
Herr Hahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bystron?
Florian Hahn (CDU/CSU):
Nein. – Wir brauchen außerdem ein zukunftsfähiges Europa. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt die Pläne der Bundesregierung, die Konferenz zur Zukunft Europas im zweiten Halbjahr 2020 unter deutscher Ratspräsidentschaft in Gang zu setzen. Damit wird die notwendige Debatte über die künftigen inhaltlichen und institutionellen Ausgestaltungen der Europäischen Union angestoßen.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Das Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“ finde ich gut. Die Alternative für Deutschland wäre das, was die AfD vorschlägt: alleine, ohne Europa, zu schwach zu werden: zu schwach, um die Coronakrise zu bewältigen; zu schwach, um die sicherheitspolitischen Herausforderungen zu meistern; zu schwach, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein; zu schwach, um dem Klimawandel zu begegnen; und zu schwach, um unseren Wohlstand und unsere sozialen Errungenschaften zu bewahren.
Deswegen sage ich: „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft liegt das Schicksal Europas maßgeblich auch in unseren Händen. Packen wir es gemeinsam an – für eine gute Zukunft Europas.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)