Elisabeth Motschmann: Die Operation der Türkei ist völkerrechtswidrig
Rede zum Vorgehen der Türkei in Syrien
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was zurzeit, in diesem Augenblick in Nordsyrien geschieht, ist zutiefst besorgniserregend, und es ist auch gefährlich. Dieser Kampf, noch ein Kampf mehr auf syrischem Gebiet, fordert wieder Tote, Verletzte, Vertriebene, Traumatisierte in der Zivilbevölkerung, bei den Wehrlosesten – Kinder, Frauen und alte Menschen –, als gäbe es nicht schon genug Katastrophen und Elend in Syrien.
Fast auf den Tag genau dauert der Krieg in diesem Land sieben Jahre. 400 000 Tote gibt es bereits. Das sind 400 000 Tote zu viel, meine Damen und Herren. 11 Millionen Vertriebene sind auch eine Katastrophe, nicht weil viele von ihnen hierher kommen – sie sind uns willkommen, weil sie wirklich Asyl verdienen –, sondern weil Flucht und Vertreibung eine menschliche Katastrophe für diejenigen sind, die sie erleiden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ist das türkische Handeln – darüber ist hier reichlich debattiert worden – völkerrechtlich legitim? Macht die Türkei von ihrem Recht zur Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen Gebrauch? Bisher bleibt das Land dem VN-Sicherheitsrat einen stichhaltigen Beweis schuldig, dass es einen bewaffneten Angriff auf die Türkei gab. Genannt werden Raketenangriffe, die weder von türkischen noch von internationalen Medien belegt sind. Genannt werden auch terroristisch motivierte Übergriffe des IS und der YPG-Milizen, die ebenfalls nicht konkret belegt werden können, obwohl es sicher den einen oder anderen Zwischenfall gibt. Es gibt folglich keine belastbaren Belege für einen bewaffneten Angriff, der eine Verteidigungshandlung wie die Operation Olivenzweig rechtfertigen könnte. Ich stimme allen zu, die sagen: Operation Olivenzweig ist ein völlig verharmlosender Name für einen grausamen Angriff auf die Bevölkerung. Außerdem wird jeder hier im Raum sagen, dass die Maßnahmen der Türken nicht verhältnismäßig sind. Das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste bestätigt – das haben hier alle gesagt –, dass es eine abstrakte Bedrohungslage nach Artikel 51 VN-Charta nicht gibt. Folglich sage auch ich glasklar: Diese Operation ist völkerrechtswidrig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich sage auch, dass die territoriale Integrität Syriens verletzt wird, dass dieser Völkerrechtsbruch, dazu noch von einem NATO-Partner, nicht hinnehmbar ist. Sie fordern klare Aussagen von uns. Diese sind übrigens auch gefallen. Ich will hier ganz deutlich sagen: Frau Kollegin Hänsel, Sie mahnen an – meine Redezeit ist gleich abgelaufen, das ist immer das Problem –, was wir tun sollen. Aber Sie sind völlig blind für das, was Russland in Syrien tut.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)
Sie erwähnen es noch nicht einmal.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Russland unterstützt doch den Massenmörder Assad und nicht wir.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin Motschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hampel?
Elisabeth Motschmann (CDU/CSU):
Bitte schön.
Armin-Paulus Hampel (AfD):
Frau Kollegin Motschmann, stimmen Sie mir zu, dass die Bundesregierung vielleicht gar nicht reagieren kann, weil sie sich mit der Milliardenzahlung an Herrn Erdogan, um Migrationsströme nach Europa aufzuhalten, so gebunden hat, dass eine diplomatische Intervention in der Türkei keinen Erfolg haben kann?
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Elisabeth Motschmann (CDU/CSU):
Herr Kollege, ich sehe das anders. Die Bundesregierung hat ja reagiert. Sie hat zum Beispiel die Nachrüstung der Leopard-2-Panzer auf Eis gelegt. Auch die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union sind auf Eis gelegt.
Es finden laufend Gespräche statt, und ich glaube, dass auch Sie der Meinung sein müssen, dass wir nicht alle Gespräche abbrechen dürfen, dass wir irgendwie ja auch Verhandlungen mit diesem NATO-Partner führen müssen. Wenn Sie der Meinung sind, dass man die Operation Olivenzweig stoppen muss – und das ist meine Meinung –, dann muss man reden, natürlich im NATO-Rat, natürlich auf all den Wegen, die ja auch genutzt werden. Sie werden das jetzt auch erleben; es wurde ja nun gerade eine neue Regierung eingesetzt. Ich bin ganz zuversichtlich, dass alles, aber auch wirklich alles versucht wird, damit die Operation Olivenzweig gestoppt wird.
Ich hoffe übrigens auch – das will ich hier deutlich sagen –, dass die Nachrüstung der Leopard-2-Panzer, die jetzt nur auf Eis liegt, nicht fortgesetzt wird. Ich hoffe auch, dass es in dieser Situation keine weiteren Rüstungsexporte gibt, und gehe davon aus, dass dies auch so geschieht. – Bitte schön, Herr Kollege.
Abschließend möchte ich nur noch sagen, dass dieser Krieg oder diese Auseinandersetzung deshalb so gefährlich ist, weil es eben nicht nur ein regionales Problem ist. Russland, USA, Iran – viele Player sind hier unterwegs.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.
Elisabeth Motschmann (CDU/CSU):
Wenn es uns nicht gelingt, dies zu stoppen, dann, Herr Präsident, werden noch mehr Menschen sterben, und das wollen wir nicht zulassen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP])