Dr. Volker Ullrich: "Im Euro-Raum gibt es eine gemeinsame Verantwortung"
Rede zum Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2018
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Europäische Union steht im Jahr 2018 vor großen Herausforderungen. Es geht um die Frage, ob Europa Frieden, Freiheit und Sicherheit, aber auch Wohlstand gewährleisten kann. Es geht um Grundsätzliches. Es geht um die Frage, ob Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus, liberale Demokratie und Freiheit stärker sind als ein vereinfachender, plumper und irritierender unwissender nationaler Populismus.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir, meine Damen und Herren, stehen auf der Seite der Freiheit und des europäischen Einigungsprojekts.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Mit Orban!)
Dass im Jahr 2018 ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages so geschichtsvergessen und so populistisch agiert wie eben, ist etwas, wofür wir alle uns eigentlich schämen sollten. Sie sollten sich auch schämen, Herr Kollege Weyel.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ach du lieber Gott! Sie sind es nicht gewohnt, dass hier mal eine andere Meinung zu Wort kommt!)
Das Arbeitsprogramm der Kommission, meine Damen und Herren, ist ehrgeizig. Wir rufen die Kommission dazu auf, die Vorhaben in den verbleibenden eineinhalb Jahren zügig und mit allem Engagement durchzusetzen.
Wir müssen in der Migrationspolitik dafür sorgen, dass auf der einen Seite eine humanitäre Flüchtlingspolitik und Solidarität in Europa gelebt werden, dass aber auf der anderen Seite die Europäische Union sich auch stärker engagiert beim Grenzschutz, bei der Frage eines gemeinsamen europäischen Datenaustauschs und eines funktionierenden Dublin-Systems. Wir müssen im Bereich der Flüchtlingspolitik auch darüber sprechen, dass Europa sich stärker in Afrika engagiert, um die Fluchtursachen zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass die Menschen sich gar nicht erst auf die Flucht begeben.
Wir müssen auch über die Euro-Zone sprechen, meine Damen und Herren. Wir dürfen mit Stolz sagen, dass das Wachstum in der Euro-Zone wieder über 2 Prozent beträgt und dass viele Länder aus der Krise herausgekommen sind. Das ist auch ein Teil des Erfolgs der Anstrengungen, die wir in diesem Hohen Hause gemeinsam unternommen haben.
(Beifall des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])
Aber, ich glaube, wir müssen die Euro-Zone fortentwickeln. Dabei gibt es Grundsätze, die nicht zur Debatte stehen. Die finanzielle Eigenverantwortung der Euro-Länder muss bleiben. Risiko und Haftung gehören zusammen. Wir dürfen aber nicht verkennen, dass es im Euro-Raum auch eine gemeinsame Verantwortung gibt. Diese gemeinsame Verantwortung, auch für eine Fiskalpolitik in Europa, wollen wir angehen. Deswegen ist es gut, dass wir gemeinsam mit Frankreich über diese Vorschläge diskutieren.
Die wesentlichen Punkte in Europa, auch die der letzten 30 Jahre, waren gemeinsame Projekte von Deutschland und Frankreich: die Einheitliche Europäische Akte mit dem Binnenmarkt 1992, der Maastricht-Vertrag mit der Europäischen Währungsunion und der ESM, der sehr stark dazu beigetragen hat, die Krise in Europa abzufedern. Wir werden in diesem Bereich gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die Euro-Zone zukunftsfest zu machen.
Ja, meine Damen und Herren, wir müssen in Europa auch über Rechtsstaatlichkeit sprechen. Recht, Gewaltenteilung, Menschenrechte gehören zum Kern Europas. Sie sind die Identität unseres Kontinents. Deswegen müssen wir überall dort, wo diese Rechte gefährdet sind, darauf hinweisen, dass Rechtsstaatlichkeit nicht eine Option ist; sie ist gelebte Pflicht in jedem europäischen Staat.
Zur Rechtsstaatlichkeit gehört auch, dass die Menschen sicher sind: sicher vor Terroranschlägen, sicher auch in ihrer ganz persönlichen Umgebung. Deswegen brauchen wir in Europa weitere Anstrengungen, um im Bereich der inneren Sicherheit voranzukommen. Es ist gut, dass die Kommission die Sicherheitsunion vollendet. Es ist richtig, dass wir mit der Europäischen Staatsanwaltschaft erste Schritte gehen, um gemeinsam in Europa das Verbrechen zu bekämpfen und das Leben der Menschen noch sicherer zu machen.
Insgesamt, meine Damen und Herren, ist Europa nicht allein Brüssel. Es ist falsch, den Gegensatz aufzumachen zwischen denen dort in Brüssel und den Menschen hier bei uns. Europa, meine Damen und Herren, das sind wir alle. Welche Politik in Europa umgesetzt wird, das liegt auch an uns. Es liegt daran, wie sich der Deutsche Bundestag im Rahmen seiner grundgesetzlichen Arbeit im Europaausschuss, im Unterausschuss Europarecht einbringt, aber auch im Rahmen der Zusammenarbeit, die Artikel 23 vorgibt. Daher sollten wir die europarechtlichen Themen in den nächsten Jahren mutig und mit vollem und großem Engagement angehen. Europa, unser Kontinent, ist jede Mühe, jede Anstrengung wert.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)