Dr. Katja Leikert: "Wir wollen eine starke, handlungsfähige Europäische Union"
Rede zum Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir wollen, ist Sicherheit, und was wir ganz sicher nicht brauchen, ist die Angst, die Sie hier rechts gerne verbreiten und die sich heute schon wieder den ganzen Tag wie eine rote Linie durch die Debatten zieht.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Braune Linie!)
Wenn wir uns die Welt anschauen, dann sehen wir, dass wir Europäerinnen und Europäer, wir Deutschen sicherlich in einer der sichersten und freiesten Zeiten leben. Die Europäerinnen und Europäer haben sich eben sehr klug entschieden bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament. 201 Millionen Europäerinnen und Europäer haben sich für eine stabile Europäische Union ausgesprochen. Sie haben die Mitte gestärkt und sich für Freiheit, Wohlstand und Sicherheit entschieden.
Die Menschen wissen eben ganz genau, worauf es ankommt. Sie wollen echte Lösungen für die großen Herausforderungen, und sie wollen, dass Europa zusammenhält, weil sie ganz genau spüren, dass auf die großen Fragen eben nur eine starke Gemeinschaft antworten kann. Was sie nicht wollen, ist dieser dumpfsinnige Nationalismus, der immer wieder von Ihrer Seite, hier am rechten Rand, kommt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Völliger Blödsinn!)
Wir brauchen keinen Rückzug in den Nationalstaat, wir brauchen eine ganz ehrliche Analyse: Was kann die Europäische Union gut, und wo muss sie eben besser werden? Die Europäische Union wird ganz klar daran gemessen werden, wie sie mit den großen Fragen umgeht: von Klimaschutz, Digitalisierung, aber ganz besonders auch in dem Bereich Außen- und Sicherheitspolitik.
Es ist ja überhaupt kein Geheimnis, und wir müssen nicht drum herumreden: Wenn es ernst wird, dann ducken wir uns gerne mal weg, dann verlassen wir uns gerne auf andere. Oder, wie der Politikwissenschaftler Robert Kagan einmal gesagt hat: Die USA machen das Essen – Europa macht den Abwasch. Selbst diese Arbeitsteilung scheint mittlerweile ein Stück weit obsolet geworden zu sein.
Wir in der CDU/CSU-Fraktion sind überzeugte Transatlantiker, und wir sind überzeugte Europäer. Gerade deshalb sagen wir: Es ist richtig, dass wir mehr tun müssen, und es ist höchste Zeit, dass wir uns von der Position des Zaungastes verabschieden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Graf Lambsdorff, ich schätze Sie sehr, aber was das Thema Ideenlosigkeit angeht, möchte ich Sie gerne vom Gegenteil überzeugen. Gerade Ursula von der Leyen, unsere neue Kommissionspräsidentin, ist hier vorangegangen und hat eine ambitionierte Agenda vorgelegt, gerade für den Bereich Außen- und Sicherheitspolitik.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ja, wir haben sie ja auch mitgewählt heute Morgen in Straßburg!)
– Ja, sehr gut.
Es ist richtig, dass die Entscheidungsprozesse der Europäischen Union modernisiert werden. Diese Entscheidungsprozesse stammen noch aus einer Zeit, als die Europäische Gemeinschaft sechs westeuropäische Staaten umfasst hat. Mittlerweile sind es 28 Staaten. Was wir brauchen, sind mehr qualifizierte Mehrheitsentscheidungen, um die Europäische Union handlungsfähiger werden zu lassen.
Was wir ganz sicherlich auch brauchen, ist eine stärkere europäische Verteidigungsfähigkeit. Wir wollen eine Armee der Europäer aufbauen. Das wird natürlich nicht heute passieren, das wird nicht morgen passieren. Dafür braucht es Zwischenschritte, wie zum Beispiel einen Verbund europäischer Streitkräfte, wo gemeinsam Fähigkeiten geplant, beschafft und betrieben werden.
Was wir auch brauchen, ist natürlich mehr Effizienz bei gemeinsamen Rüstungskooperationsprojekten. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir den Mut haben, hier Souveränität auch ein Stück weit abzugeben, dann werden wir mehr Sicherheit gewinnen.
Und Sicherheit ist natürlich – das wurde mehrfach angesprochen; wir müssen das jetzt endlich umsetzen – mehr als nur gute Ausrüstung. Sicherheit ist auch, dass wir die Bereiche Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und Verteidigung stärker miteinander verzahnen. „Vernetzte Sicherheitspolitik“ ist hier das Stichwort. Wir brauchen eine kluge EU-Afrika-Politik, wir brauchen aber auch kluge Abrüstungsinitiativen und verstärkt Nichtverbreitungsmaßnahmen. Die EU hat beim Beispiel Iran gezeigt, dass wir das leisten können, aber wir müssen hier einfach mehr tun.
Liebe Franziska, du hast eben den mehrjährigen Finanzrahmen angesprochen. Auch hier brauchen wir mehr Reformbereitschaft. Es ist eben nicht so, dass wir nominell weniger Geld zur Verfügung hätten – auch in dem nächsten mehrjährigen Finanzrahmen nicht, selbst wenn die Briten jetzt die Europäische Union verlassen. Wir haben uns zusammen mit unserem Koalitionspartner im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, weiterhin 1 Prozent unseres Bruttonationaleinkommens an die Europäische Union zu zahlen. Das bedeutet nominell 10 Milliarden Euro mehr pro Jahr, als wir jetzt schon zahlen. Das ist eine ganz klare Zusage.
Selbstverständlich gilt für den europäischen Haushalt das, was auch für den nationalen Haushalt gilt: Wir müssen auch streng sein mit dem europäischen Haushalt, und der europäische Haushalt muss ganz klar einen Mehrwert bringen.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Aha!)
Wir haben die großen Herausforderungen skizziert, vor denen Europa steht; ich brauche das hier nicht zu wiederholen: Migrationskrise, Neuausrichtung der US-Politik, Klimaschutz usw.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: So, so, „Migrationskrise“!)
All das muss sich auch in dem neuen Haushalt widerspiegeln, und die Prioritäten für mehr gemeinsame Forschung, mehr Innovation, mehr Digitalisierung, mehr Klimaschutz und natürlich auch mehr gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik müssen klar justiert werden. Es ist auch klar – und auch diese Debatte müssen wir ehrlich führen –, dass die traditionellen Ausgabenbereiche, wie „Agrar und Kohäsion“, nicht in demselben Maße aufwachsen können.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist ganz klar: Das Projekt Europa wird sich daran messen lassen müssen, wie gut es sich in den großen Fragen bewährt.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Wer war hier eigentlich 14 Jahre an der Regierung?)
Wir von der CDU/CSU wollen eine starke, handlungsfähige Europäische Union. Ich kann Sie nur einladen, mit uns diesen Weg gemeinsam zu gehen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Nach 14 Jahren Regierungsverantwortung!)