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„Die Tür für Großbritannien muss offen bleiben“

Brinkhaus fordert Verhandlungen unter Freunden

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Hoffnung auf einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union noch nicht aufgegeben. In ihrer Regierungserklärung zum Europäischen Rat sagte Merkel vor dem Bundestag, die Chance auf ein Abkommen sei nach wie vor da. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus mahnte faire Verhandlungen an und forderte: „Die Tür für das Vereinigte Königreich in die EU hinein muss offen bleiben.“

EU: Friedensprojekt, Wirtschaftsraum und Lösungsplattform

Brinkhaus hielt in seiner ersten Rede als neuer Fraktionsvorsitzender vor dem Bundestag ein flammendes Plädoyer für das geeinte Europa. Man könne nicht oft genug betonten, dass die Europäische Union ein großes Friedensprojekt und ein erfolgreiches Wirtschaftsprojekt sei. Darüber hinaus sei sie eine Lösungsplattform für „alle Probleme, die wir alleine nicht hinbekommen“ – wie bei der Forschung, dem Klima und der Umwelt. Auf die Kritik, die EU reagiere zu schwerfällig, reagierte er mit den Worten, man solle „lieber etwas langsam zusammen machen, als dass man etwas gegeneinander macht“. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Leikert betonte, kluge Kooperation sei besser, als wenn jeder vor sich hin werkele.

Brüssel und Berlin sind keine „Paralleluniversen“

Fraktionschef Brinkhaus forderte vom Bundestag mehr Einmischung in europäische Angelegenheiten. Brüssel und Berlin dürften sich nicht als „Paralleluniversen“ verstehen. Vielmehr sei der Bundestag „integraler Bestandteil des europäischen Rechtssetzungsprojekts“. Darüber müsse man öfter reden als bisher.
 
Die Entscheidung Großbritanniens, aus der EU auszuscheiden, nannte Brinkhaus schmerzhaft. Nun müsse man aber das Beste daraus machen und die Verhandlungen „unter Freunden“ führen. Gleichwohl warnte er die Briten vor „Rosinenpickerei“ bei den Grundfreiheiten des Binnenmarktes. Vermieden werden müsse aber um jeden Preis, dass im Zuge des Brexits die Gewalt in Nordirland wiederauflebe. Katja Leikert zufolge wird gerade an der Frage Nordirlands deutlich, dass die Europäische Union in ihrem Kern ein Friedensprojekt sei. Ein Stück weit sei es paradox, dass mit dem Austritt Großbritanniens eine funktionierende erfolgreiche Gemeinschaft aufgelöst werde und nun neue Strukturen für eine Verbindung gefunden werden müssten, sagte sie.

EU und Großbritannien sollen eng beieinander bleiben

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mahnte, Großbritannien und die EU dürften sich nicht weiter voneinander entfernen als nötig, sondern müssten so eng wie möglich beieinanderbleiben. An einer Bestrafung Englands für den Brexit habe Deutschland kein Interesse. Der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, versicherte, die EU wolle ein fairer Verhandlungspartner sein. Es müsse aber auch vermieden werden, dass der Brexit ein attraktives EU-Austrittsmodell werde. 

Partner bleiben 

Merkel betonte: „Ich wünsche mir, dass Großbritannien auch nach dem Austritt ein enger und vertrauensvoller Partner Europas bleibt.“ Im Vorfeld des Gipfels, der am Mittwochabend beginnt, waren die Verhandlungen über ein Austrittsabkommen schon weit gediehen. 90 Prozent des Textes stehen laut EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Der Durchbruch scheitert aber bislang an der schwierigen Frage, wie sich eine Grenze zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland vermeiden lässt. Ohne ein Austrittsabkommen kann es keine Verhandlungen über die Gestaltung der künftigen Beziehungen geben. Die Bundesregierung bereitet sich daher auf alle Szenarien vor, wie Merkel sagte, auch auf das eines ungeordneten Austritts. 

Wehrhaft gegen Cyberattacken und Desinformation

Merkel sprach auch andere Themen an, die auf dem Gipfel zur Sprache kommen werden – wie Cybersicherheit, Migration und Währungsunion. Der Schutz vor Cyberangriffen, gezielten Desinformationskampagnen oder Datenmissbrauch sei eine gemeinsame europäische Aufgabe, sagte sie. So müsse man überlegen, ob Parteien, die die Bürger in ihren Kampagnen zur Europawahl gezielt desinformierten, bestraft werden sollten – etwa durch Kürzungen bei der Parteienfinanzierung. „Auch das ist wehrhafte Demokratie!“, betonte die Kanzlerin.

Verantwortungsvolle Haushaltspolitik angemahnt

Mit Blick auf die Währungsunion drang Merkel erneut auf die Einhaltung der Regeln in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Denn die EU-Staaten seien so eng miteinander verflochten, dass die nationale Politik des einen immer Auswirkungen auf die Situation des anderen habe. Jedes Mitgliedsland habe daher die Pflicht, für finanzpolitische Stabilität zu sorgen und Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu ergreifen.  „Verantwortung und Solidarität, Haftung und Kontrolle sind jeweils zwei Seiten derselben Medaille.“

Außengrenzen besser schützen 

Auch in der Migrationspolitik mahnte die Kanzlerin europäische Krisenfestigkeit an. So müsse man die Außengrenzen besser schützen, gezielter gegen Schleuser vorgehen und Rückführungen verstärken. Die Lösung der Migrationsfragen werde man aber letztlich nur im Dialog mit den Herkunfts- und Transitstaaten finden.