Detlef Seif: Das Verhalten der Türkei ist unzumutbar
Rede zur Sicherung der Grenzen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In einem Punkt ist dem vorliegenden Antrag natürlich recht zu geben: Das Verhalten der Türkei ist unzumutbar.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Es ist nicht hinnehmbar, dass die Türkei den Grenzschutz zur griechischen Grenze vorübergehend aussetzte und aktiv – wir haben Erkenntnisse darüber – an der Verbringung von Migranten an die türkisch-griechische Grenze mitwirkte. Aber nicht akzeptabel ist genauso auch, dass fortdauernde Beleidigungen und Rhetorik gegenüber Griechenland erfolgen, vor allem die Aufforderung an die Griechen, die Migranten ziehen zu lassen; denn sie wollten ja ohnehin nicht in Griechenland bleiben.
Herr Erdogan, lassen Sie diese Rhetorik, lassen Sie diese Beleidigungen, diese Bedrohungen und diese nicht hinnehmbaren Maßnahmen, und kommen Sie zurück zu einem Verhalten, das wir unter Freunden und Partnern erwarten dürfen!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Armin-Paulus Hampel [AfD] – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sehr schön!)
Das jüngste Verhalten darf uns aber nicht über eines hinwegtäuschen: Die Türkei leistet bei der Bewältigung der Migrationsströme Großartiges. Sie leistet bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen einen großen Beitrag, nach Angaben der Vereinten Nationen fast 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge und fast 330 000 Flüchtlinge aus anderen Ländern. Die Unterstützung der EU hat geholfen, dass über 100 Projekte auf den Weg gebracht werden konnten: Flüchtlingszentren, 180 Schulen wurden neu gebaut, 179 Krankenhäuser und Gesundheitszentren sind bereitgestellt, und weitere Infrastruktur ist entwickelt.
Aber trotz erheblicher Eigenleistung der Türkei reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um allen Kindern Bildung zu ermöglichen, was aufgrund der Perspektivlosigkeit natürlich ein großes Maß an Radikalisierungsgefahr bedeutet. Hier muss dringend nachgebessert werden.
Diejenigen, die behaupten, dass das EU-Türkei-Abkommen tot sei, sollten sich vor Augen halten: In letzter Konsequenz würden wir alle Flüchtlinge, die sich zurzeit in der Türkei aufhalten, im Stich lassen, und wir würden große zusätzliche Migrationsströme in Bewegung setzen.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Aber in die andere Richtung!)
Meine Damen und Herren, das jüngste Verhalten der Türkei hat uns aber auch nochmals deutlich und zum wiederholten Male vor Augen geführt, wie schnell sich die Verhältnisse an der EU-Außengrenze ändern können. Wenn man einmal genau hinschaut – ich habe hier heute wieder die Begriffe „Schutzsuchende“ und „Flüchtlinge“ so oft gehört –, handelte es sich nach den vorliegenden Erkenntnissen zumindest weit überwiegend bei den 16 000 Menschen vor Ort um Menschen, die in der Türkei bereits Schutz gefunden hatten und versorgt wurden. Es sind keine Flüchtlinge, es sind keine Personen, die nach dem Geist Europas bei uns Schutz beanspruchen sollen. Nennen wir es beim Namen: Es handelt sich ganz überwiegend um Menschen, die ihre Lebenssituation verbessern wollen, um Menschen, die Wirtschaftsmigration betreiben wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: So ist es! Richtig!)
Das können wir nicht unterstützen. Wir wollen diejenigen unterstützen, die unseren Schutz brauchen und die tatsächlich verfolgt sind. Sie merken nicht, dass Sie durch das Übermaß verhindern, dass die tatsächlich Verfolgten diesen Schutz erhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sehr gut, Herr Seif!)
Bei den Menschen, die nicht verfolgt sind, wollen wir, will die Europäische Union entscheiden, wer zu uns kommt, in Deutschland zum Beispiel nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und nach der Blue-Card-Richtlinie. Wir entscheiden das – und nicht die Menschen, die ihre Lebenssituation verbessern wollen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat nichts mit dem Recht auf Asyl zu tun!)
Die EU-Kommission sollte prüfen und ihr sei dringend anzuraten, dem positiven Vorschlag der Bundesregierung, dem Konzeptpapier, zu folgen. Denn nur mit einer verbindlichen, vollständigen Erfassung, Registrierung, Vorprüfung an den Grenzen und auch Zurückschiebung derjenigen Menschen vor Ort, die erkennbar keinen Schutzanspruch haben, können wir dem Missbrauch wirksam begegnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Eigentlich – da werden Sie von der AfD mir jetzt nicht zustimmen – ist die Bundesregierung auf einem guten Weg und macht bereits das, was Sie hier als Kernforderungen aufstellen. Deutschland wird selbstverständlich Griechenland weitere, zusätzliche Unterstützungsleistungen zukommen lassen. Der Bundesinnenminister hat mit seinem Tweet, dass die Grenzen Europas für die Flüchtlinge aus der Türkei nicht geöffnet sind und dass das auch für Deutschland gilt, ein klares und wirkungsvolles Signal gesendet. Wir wissen, wie groß sich kleine Botschaften in der heutigen Welt entfalten und entwickeln können. Das war genau der richtige Hinweis.
Bei fortdauernden Mängeln – das hat der Kollege Schuster auch schon gesagt – werden wir natürlich innerhalb Deutschlands, wenn Mängel bei der EU-Außengrenze bestehen, die Maßnahmen fortführen. Wir wissen, die Kommission kritisiert das – wir haben Freizügigkeit –; aber dennoch geht das klare Signal an die Kommission: Wir sind auf einem guten Weg, aber wir erwarten, dass die EU-Außengrenzen insgesamt wirksam geschützt werden.
Deshalb abschließende Bemerkung: Die Bundesregierung leistet gute Arbeit und braucht nun wirklich keine Unterstützung durch die AfD und Aufrufe.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der AfD)