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Axel Müller

Axel Müller: "Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen"

Rede zur Wiedergutmachung im Staatsangehörigkeitsrecht

Axel Müller (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Anträge bzw. Gesetzentwürfe der Fraktionen der FDP, der Grünen und der Linken etwas näher eingehe, möchte ich ein paar allgemeine Gedanken zur Staatsangehörigkeit formulieren.

Die Staatsangehörigkeit ist Ausfluss der Staatsbürgerschaft. Als Staatsbürger habe ich Rechte und Pflichten. Den Pflichten versuchen sich sowohl dem rechten Spektrum zuzurechnende Reichsbürger wie auch linken Ideologien anhängende sogenannte Weltbürger gerne zu entziehen.

Im Personalausweis ist die Staatsangehörigkeit ein identitätsstiftendes Merkmal. Für überzeugte Europäer und Unionsbürger, als die wir uns im Schengenraum über die nationalstaatlichen Grenzen hinweg frei bewegen, rückt die Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat immer mehr in den Hintergrund. Für die Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs hat sie mit Blick auf den übermorgen in Kraft tretenden Brexit eine ganz andere Bedeutung gewonnen, wenn sie aufgrund ihrer britischen Staatsangehörigkeit ihre Unionsbürgerschaft und damit auch die Freizügigkeit verlieren.

Das dürfte für einen Teil der Einbürgerungsanträge aus diesem Teil Europas, deren Zahl gestiegen ist, mit ursächlich sein. Während es 2015 gerade mal 43 Anträge waren, schnellte die Zahl nach dem Brexit-Referendum auf 684 nach oben, um in 2018 mit 1 506 Anträgen einen neuen Höhepunkt zu erreichen. Mit diesen Zahlen will ich aber keinesfalls – ich möchte nicht missverstanden werden – die Ernsthaftigkeit der gestellten Anträge anzweifeln. Vielmehr zeigt das nur, dass die Entwicklung immer neue Beispiele und Fallkonstellationen hervorbringt.

Dies und die Thematik der heutigen Debatte haben allesamt damit zu tun, dass wir auch 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der von Nazideutschland begonnen wurde, immer noch mit den Folgen und rechtswidrigen Entscheidungen dieses Unrechtsstaates befasst sind. Dieses Unrecht setzt sich an den Nachkommen der Verfolgten und Entrechteten fort. Allen Versuchen, hier einen Schlussstrich zu ziehen, erteile ich daher in Übereinstimmung mit der Kollegin Göring-Eckardt eine klare Absage.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Verantwortung wollten sich auch die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes stellen, indem sie Artikel 116 Absatz 2 formulierten und in ihn ausdrücklich hineingeschrieben haben, dass gerade Personen, „denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit ... entzogen worden ist“, und ihren Nachkommen, die Möglichkeit gegeben wird, auf Antrag eine Wiedereinbürgerung zu bekommen.

Zugleich haben sie aber in Artikel 16 Grundgesetz einen Riegel vorgeschoben. Er sorgt dafür, dass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf, wenn ansonsten eine Staatenlosigkeit droht. Dies gilt aktuell bei den zurückkehrenden deutschen IS-Kämpfern und -Unterstützern, wenn diese ansonsten staatenlos würden. Auch dieser Bürgerinnen und Bürger unseres Staates muss sich dieser Staat annehmen.

Abstrus ist allerdings ein Vorschlag, der einmal aus den Reihen der Linken gekommen ist und der besagte, dass man deutschen Unternehmern, die sich, um weniger Steuern zahlen zu müssen, im Ausland niedergelassen haben, die Staatsangehörigkeit bzw. ihren Pass entziehen müsste. Überraschend ist das allerdings nicht, wenn man sich daran erinnert, dass ihre Vorgängerpartei unliebsame Staatsbürger einfach ausgebürgert hat.

Die Verfasser des Grundgesetzes wollten den Entrechteten einen Teil der ihnen geraubten Identität mit den genannten Artikeln zurückgeben. Das muss auch unsere Richtschnur bei der Frage sein, wer aus diesem Personenkreis einzubürgern ist.

Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, hat Artikel 116 Grundgesetz bei Weitem nicht alle möglichen und denkbaren Fälle erfasst. Das hat der Kollege Dr. Thomae mit den Beispielen, die er hier vorgetragen hat, deutlich gemacht. Allerdings: Eine Lückenlosigkeit mit einer jetzt erlassenen gesetzlichen Regelung herstellen zu wollen, halte ich dann doch für einen überhöhten Anspruch. Es gibt viele solcher Fallkonstellationen, und es kommen immer noch neue hinzu. Das verlangt eben nach Flexibilität, und diese Flexibilität gewährleisten die genannten Erlasse des Bundesinnenministeriums.

Gesetze, statisch, wie sie nun einmal sind, verlangen stets nach einer Neufassung. Ich glaube, dem wird das Ganze nicht gerecht, zumal die Erlasse, wie gesagt wurde, anspruchsbegründenden und die Verwaltungsbehörden bindenden Charakter haben.

Sämtliche von der Opposition vorgelegte Anträge setzen auf Gesetze. Man könnte das als Actus contrarius bezeichnen – das habe ich bereits ausgeführt –; man muss ein Gesetz aber so machen, dass es handwerklichen Gesetzmäßigkeiten gerecht wird. Das wird der Gesetzentwurf der Linken nicht; er spricht von einem Wiedergutmachungsinteresse, ohne das näher zu definieren, und das bedeutet, dass der Gesetzentwurf unbestimmt ist.

Abschließend rufe ich Ihnen zu: Halten wir es in dem Fall mit Montesquieu:

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege – –

 

Axel Müller (CDU/CSU):

„Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU)