Otte: "Defender 2020 ist logistisches Großprojekt"
Henning Otte im Kurzinterview zum NATO-Großmanöver
Von Februar bis Mai findet in Europa das Großmanöver „Defender 2020“ statt. Daran beteiligen sich insgesamt 37.000 Soldaten aus 18 Nationen. Der verteidigungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Henning Otte, über Sinn und Zweck der Übung.
Herr Otte, wozu dient das Militärmanöver „Defender 2020“?
Die Sicherheitslage in Europa hat sich verschärft, auch wegen Russlands offensiver Außenpolitik. Denken Sie nur an die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die russische Rolle beim Konflikt in der Ost-Ukraine, an russische Übungsflüge über der Ostsee, offensive Militärmanöver in der Arktis, die Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien oder die Verletzung des INF-Vertrags. Auch unsere Nachbarländer sind beunruhigt. Wir müssen sicherheitspolitisch wieder mehr tun und dazu gehört auch eine glaubwürdige Absicherung der NATO-Ostflanke.
Ein Teil davon ist die Übung Defender 2020. Rund 37.000 Soldaten aus 18 Nationen nehmen daran teil. Die Übung besteht aus einer Vielzahl von Einzelaktivitäten. Im Mittelpunkt steht, die Verlegung von US-Streitkräften und Material an die Ostgrenze der NATO, beispielsweise nach Polen oder ins Baltikum, zu üben. Deutschland kommt eine besondere Rolle als logistische Drehscheibe zu. Als „Host Nation“ unterstützen wir unsere Verbündeten beim Transit nach Osteuropa. Die NATO ist ein Wertebündnis, aber ihren Kern bildet ein konkreter Verteidigungsauftrag. Mit Übungen wie Defender 2020 stellen wir sicher, dass unser Bündnis im Krisenfall einsatzfähig ist.
Transportieren von US-Großgerät und Aufbau des größten mobilen Tanklagers in Bergen im Zuge von #DefenderEurope. #Defender2020#SKBhttps://t.co/DT4RmXDkzw
— BundeswehrVerband (@DBwV) February 12, 2020
Kann die starke Beteiligung der USA als Zeichen der transatlantischen Verbundenheit gesehen werden?
Die USA sind unser wichtigster außereuropäischer Partner und bilden das Fundament der NATO. Insbesondere in Zeiten, in denen sich die Außenpolitik der USA im Wandel befindet, ist die Teilnahme von 29.000 amerikanischen Soldaten ein deutliches Bekenntnis zu unserem Bündnis. Gleichzeitig stellen die europäischen NATO-Partner ihre Leistungsfähigkeit und ihre Bereitschaft unter Beweis, für die Souveränität unsere Gemeinschaft einzustehen. Defender 2020 ist damit auch ein Symbol der Verteidigungsfähigkeit und der transatlantischen Verbundenheit.
Ist ein solches Truppenaufgebot heute noch zeitgemäß? Kann man das nicht am Computer simulieren?
Defender 2020 ist vor allen ein logistisches Großprojekt. Neben den vielen Personen müssen 20.000 Ladungsstücke aus den USA und 13.000 Landungsstücke aus Depots in Europa auf zwölf Konvoi-Routen über 4.000 Kilometer Wegstrecke transportiert werden. Aufnahmepunkte an Seehäfen und Flugplätzen müssen bewirtschaftet und Durchgänge auf Truppenübungsplätzen umgesetzt werden.
Mit der heutigen Technologie können viele Aktivitäten simuliert werden, und tatsächlich bildet leistungsfähige Ausbildungs-IT einen wichtigen Teil der Übung. Trotzdem bleibt der entscheidende Faktor bei solchen Großübungen der Mensch. Handgriffe müssen trainiert, anschließend ausgewertet und mögliche Fehlerquellen analysiert werden. Somit schaffen wir Erfahrungswerte, die im Ernstfall von unschätzbarem Wert wären. Vor allem aber lebt der friedensbewahrende Charakter der NATO vom gegenseitigen Vertrauen der Partner und der Glaubwürdigkeit der militärischen Abschreckung. Diese Werte werden am besten im echten Leben geformt.