"Europa muss mit einer Stimme sprechen"
Fraktionsvize Patricia Lips im Kurzinterview
- Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende über die französische EU-Ratspräsidentschaft
- Die Klimapolitik des Green Deal berührt unseren Alltag
- Zurück zur Haushaltsdisziplin
Zum 1. Januar übernimmt Frankreich für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Welche Erwartungen sie mit der französischen Präsidentschaft verbindet, erläutert die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Patricia Lips.
Frau Lips, Deutschland und Frankreich gelten zusammen als Motor der EU. Welche Vorhaben kann Frankreich im nächsten halben Jahr entscheidend voranbringen?
Lips: Frankreich hat sich ein ganzes Bündel an wichtigen Themen vorgenommen. Wie weit es dabei kommen wird, hängt natürlich auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahl Mitte April ab.
Jedenfalls ist das Projekt der Klimaneutralität, des sogenannten Green Deal, zentral. Im Moment sind noch 13 Gesetzesvorhaben des sogenannten "Fit For 55"-Pakets zur Umsetzung dieses Green Deal offen. Da geht es um wirtschaftlich relevante Fragen – vom Anteil der Erneuerbaren Energien in unserem Energiemix bis hin zur Zukunft von Verbrennermotoren in Europa. Das sind alles wichtige Weichenstellungen, die auch Auswirkungen auf unseren Alltag haben werden. Unter französischer Präsidentschaft müssen außerdem im Digitalbereich der Digital Service Act und der Digital Market Act verabschiedet werden. Dabei geht es einerseits um Hass und Hetze im Netz, andererseits um die Begrenzung der Marktmacht von Internet-Riesen – auch dies wegweisende Gesetzesvorhaben, um die Welt des Internets im Sinne der Verbraucher zu regulieren. Darüber hinaus bleibt nach wie vor die Frage nach einer gemeinsamen Europäischen Migrations- und Asylpolitik.
Unter anderem möchte Frankreich den Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) reformieren. Geht die Unionsfraktion da mit?
Lips: Klar ist für uns, dass man nach der Corona-Pandemie die Fiskalregeln des Pakts zügig wieder in Kraft setzen muss. Das heißt: Die Mitgliedsländer der EU müssen die europäischen Schuldenbremsen wieder einhalten. Danach liegt die Grenze für das jährliche Defizit bei drei Prozent des BIP und für die Gesamtverschuldung bei 60 Prozent des BIP.
Natürlich sehen auch wir, dass sich die globalen Rahmenbedingungen ändern und dass die COVID-19 Pandemie manche Perspektive verändert hat. Dafür wurden bereits erste Maßnahmen getroffen. Aber mit einer Weiterentwicklung der Regeln darf am Ende keine Aufweichung einhergehen. Vielmehr brauchen wir wieder mehr Haushaltsdisziplin in Europa und ein Bekenntnis zur Einhaltung des Pakts.
Vorantreiben möchte Frankreich auch den „strategischen Kompass“, die bessere Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik. Wie gut stehen die Chancen auf Fortschritt?
Lips: Mein Eindruck ist: gut. Frankreich ist hier sehr engagiert. Die Erkenntnis, dass Europa in der Welt nur Gehör findet, wenn es mit einer Stimme spricht, ist mittlerweile überall durchgedrungen. Der "strategische Kompass" bietet eine gute Grundlage, die Sicherheitspolitik enger zu vernetzen. Die größere Herausforderung in Zukunft wird es sein, die europäische Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit noch stärker mit der Verteidigungspolitik zu