Status des Bundesverfassungsgerichts wird im Grundgesetz verankert
- Fraktionsübergreifende Mehrheit im Bundestag für Reform
- Schutz vor Einflussnahme extremistischer politischer Kräfte
- Lindholz ruft zur aktiven Verteidigung des Rechtsstaates auf
Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland hat sich das Bundesverfassungsgericht als Hüter des Grundgesetzes bewährt. Nun erhält das oberste deutsche Gericht mit Sitz in Karlsruhe die verfassungsrechtliche Absicherung, die die anderen Verfassungsorgane – Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und Bundesregierung – bereits genießen. Dafür votierte der Bundestag mit fraktionsübergreifender Mehrheit. Mit der Anpassung ist das Bundesverfassungsgericht besser vor einer möglichen Einflussnahme extremer politischer Kräfte geschützt.
Die entscheidenden Funktionsmerkmale des Verfassungsgerichts, die bislang nur in einem einfachen Gesetz verankert waren, werden nun im Grundgesetz festgeschrieben. Zudem wird ein Lösungsmechanismus für Blockaden bei der Richterwahl eingeführt. Auf eine entsprechende Reform zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit hatten sich Vertreter der damaligen Ampel-Fraktionen und der CDU/CSU im Juli geeinigt. An dem Willen zur Verabschiedung dieser Reform änderte auch das Zerbrechen der Ampel-Koalition Anfang November nichts. Nötig war die fraktionsübergreifende Einigung deshalb, weil das Grundgesetz nur mit Zweidrittel-Mehrheit geändert werden kann.
Bei der Debatte im Bundestag sagte die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Andrea Lindholz, es sei entscheidend, dass Demokraten in der Lage seien, sich zu einigen: „Nur dies sichert unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat und unser Miteinander.“ Lindholz wies allerdings auch darauf hin, dass durch die Reform der Staat nicht automatisch widerstandsfähiger werde gegen Verfassungsfeinde. Weiterhin seien alle aufgerufen, die staatlichen Institutionen zu verteidigen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie zu stärken.
Der Justiziar Ansgar Heveling bezeichnete es als angemessen, dass das Verfassungsgericht in Karlsruhe seiner Bedeutung gemäß in der Verfassung verankert werde. Der 75. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes sei der zeitlich richtige Anlass dafür. Heveling erinnerte daran, dass das Verfassungsgericht bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 im Gefüge der Institutionen etwas vollkommen Neues war. Inzwischen habe es sich seine starke Stellung selbst erarbeitet, sagte er. Unter Demokraten sei der Spruch „Dann gehe ich bis nach Karlsruhe“ inzwischen ein geflügeltes Wort.
Die starke Stellung im Institutionengefüge sei aber keine Selbstverständlichkeit, warnte Heveling. In anderen Ländern Europas habe man es erlebt, dass die Verfassungsgerichte als erstes ins Visier von Verfassungsfeinden gerieten. Mit Blick auf solche Entwicklungen sagte der rechtspolitische Sprecher Günter Krings: „Wir sichern die Arbeit des Gerichts gegen denkbare künftige Manipulationen ab.“ Der AfD, die als einzige Fraktion gegen die Reform stimmte, warfen Heveling und Krings vor, die Arbeitsfähigkeit des höchsten Gerichts torpedieren zu wollen.
Blockaden verhindern
Struktur und Funktionsweise des Verfassungsgerichts werden nun im Grundgesetz verankert. Dazu gehört, dass das Gericht in der Gestaltung seiner Geschäftsordnung autonom ist, was seine Unabhängigkeit schützt. Außerdem wird festgeschrieben, dass es zwei Senate mit je acht Richterinnen und Richtern gibt, deren Altersgrenze bei 68 Jahren liegt. Auch die Beschränkung auf eine einmalige zwölfjährige Amtszeit gilt weiterhin.
Um Blockaden vorzubeugen, soll es eine Neuerung bei der Richterwahl geben: Sollte im Bundestag keine Mehrheit für die Besetzung eines Richteramtes zustande kommen, dann geht die Entscheidungsbefugnis nach mehreren Monaten an den Bundesrat über. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es in der veränderten Parteienlandschaft auch zu destruktiven Minderheiten kommen kann.