Sicherheit in Europa: Deutschland muss mehr in Verteidigung investieren
- CDU/CSU-Fraktion gibt Startschuss für Enquete
- Erste Debatte mit Historiker Niall Ferguson
- Demokratien müssen sich wappnen gegen „Achse der Autokratien“
Die Beispiele Ukraine und Israel zeigen es auf dramatische Weise: Der Krieg wird wieder als Instrument der Politik eingesetzt. Der Krieg ist auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt. Um die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, hat die CDU/CSU-Fraktion eine Enquete-Kommission zu „Frieden und Sicherheit in Europa“ ins Leben gerufen. Zum Auftakt diskutierte sie mit dem Historiker Niall Ferguson, welche Rolle Deutschland für die Sicherheit Europas spielt. Ferguson drang auf eine erhebliche Steigerung der Verteidigungsausgaben.
Von einer „tektonischen Verschiebung der Sicherheitslage“ sprach der Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz mit Blick auf die aktuellen kriegerischen Konflikte, aber auch darüber hinaus. Russland, China, Iran und Nordkorea bildeten inzwischen eine „Achse von Autokratien“, die versuchten, Sicherheit und Wohlstand nicht nur in Europa zu untergraben, sondern ganze Weltregionen zu destabilisieren, sagte er.
Merz wies auch auf die Versuche der autoritären Mächte hin, mit Hilfe ihrer inländischen Verbündeten die demokratischen Ordnung zu destabilisieren – mittels Propaganda und Desinformation, Wahleinmischung und Cyberattacken. Nicht zuletzt warnte der CDU/CSU-Fraktionschef vor eindimensionalen wirtschaftlichen Abhängigkeiten, wie sie die Corona-Pandemie offengelegt hatte, sowie vor der Nutzung von Migration als politischer Waffe. Es sei darüber hinaus nicht zu erwarten, dass die USA sich weiterhin so für die Sicherheit Europas engagieren werde wie bisher – unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahl im November.
Die letzten Jahre haben uns gezeigt: Frieden und Freiheit sind nicht selbstverständlich. Wir wollen nicht tatenlos zusehen, sondern handeln. Deswegen haben wir eine Fraktions-Enquete "Frieden & Sicherheit in Europa" ins Leben gerufen, die sich über ein Jahr systematisch mit den… pic.twitter.com/tqOQbQlEMT
— CDU/CSU (@cducsubt) June 26, 2024
14 Politiker und zehn Wissenschaftler in der Enquete
Die Fraktions-Enquete soll sich über ein Jahr systematisch mit diesen Gefahren für beschäftigen und vor Ende der Legislaturperiode einen „Abschlussbericht mit tiefgreifenden Schlussfolgerungen“ vorlegen, wie Merz ankündigte. Man dürfe nicht wie das Kaninchen auf die Schlange blicken, sondern müsse jetzt die notwendigen Schritte einleiten. Es brauche unbedingt „externe Expertise“, betonte der Vorsitzende der Kommission, Norbert Röttgen. „Wir wollen nicht unter uns bleiben“. An der Enquete beteiligen sich neben den 14 Politikern aus CDU und CSU auch zehn renommierte Wissenschaftler.
Statt Zeitenwende: Der Kanzler spielt auf Zeit
Der schottische Historiker Ferguson warf dem Bundeskanzler vor, trotz der Ankündigung einer Zeitenwende „die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben“. In seiner Sicherheitspolitik sei weniger eine Zeitenwende zu erkennen als „ein Spiel auf Zeit“. Ferguson kritisierte damit vor allem die mangelnden Ausgaben für Verteidigung: „Eine Zeitenwende, die sich nicht im Haushalt spiegelt, ist keine.“ Der Wissenschaftler erinnerte daran, dass Deutschland nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1991 die Friedensdividende eingestrichen habe. Nun müsse es zu „Friedensinvestitionen“ kommen. Wenn Deutschland seinen Frieden bewahren wolle, müsse es aufrüsten.
Bundeswehr muss Kapazitätslücken schließen
Ferguson teilte die Bedrohungsanalyse von Merz und sprach ebenfalls von einer „Achse autoritärer Mächte“, gegen die sich Europa wappnen müsse. Im Vergleich zu anderen NATO-Staaten seien die Verteidigungsausgaben in Deutschland viel zu gering. Nur mit Hilfe des Sondervermögens und kreativer Buchführung erreiche die Bundesregierung das NATO-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. Allerdings sei mit Blick auf die Kapazitätslücken der Bundeswehr eher eine Quote von drei bis vier Prozent nötig – was einer Summe von 50 bis 100 Milliarden pro Jahr entsprechen würde, anders gesagt: einer Rückkehr zum Ausgabenniveau des Kalten Krieges.
„Die Zeit ist gekommen…“
Um dieses Ziel zu erreichen, warb Ferguson für die Aufhebung der Schuldenbremse. Das Gute an der sparsamen Haushaltsführung der vergangenen Jahre sei, dass Deutschland in den heutigen Krisenzeiten Spielraum für Verschuldung habe, ohne sich zu übernehmen. Der Wissenschaftler argumentierte außerdem damit, dass hohe Investitionen in Rüstung auch die Wirtschaft ankurbeln und technologische Innovationen fördern würden. „Die Zeit ist gekommen, Deutschland muss aufrüsten“, betonte er.