FRAKTIONdirekt | Nr. 37
Liebe Leserinnen und Leser,
drei Regierungserklärungen hat Bundeskanzler Scholz in den vergangenen drei Wochen im Bundestag abgegeben. Wortreich redet er sich die Lage schön, aber viel vorzuweisen hat er nicht. Im Gegenteil: in vielen Punkten streitet die Koalition und legt sich so selbst lahm – besonders gut ablesbar am Haushalt 2023. Angesichts von Ukrainekrieg, Klimakrise und Wettbewerbssorgen können wir uns aber keine Regierung leisten, die keinen Plan hat, die nicht zupackt. Selbst in Brüssel schütteln sie über Deutschland den Kopf.
Was die Regierung allerdings durchgezogen hat ohne Rücksicht auf Verluste, ist die Wahlrechtsreform. Aber da geht es ja auch um die eigenen Pfründe in einem verkleinerten Parlament. Ein Wahlrecht, das den Wählerwillen nicht exakt abbildet, können wir nicht hinnehmen. Auch wenn wir selbst den Bundestag unbedingt verkleinern wollen: Diese Reform in Karlsruhe überprüft werden.
Was die Fraktion in der abgelaufenen Sitzungswoche sonst noch beschäftigt hat, lesen Sie in diesem Newsletter. Eine Übersicht über unsere Initiativen finden Sie hier.
Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Team der Kommunikation
der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
Die Inhalte in der Übersicht
- Stillstand: Merz listet Versäumnisse der Regierung auf
- Wahlrechtsreform: Betrug am Bürger
- Anreize statt Verbote: Union setzt auf den mündigen Bürger
- Außerdem…
- Zahl der Woche
- Tweet der Woche
- Presseschau
- Zitat der Woche
Stillstand: Merz listet Versäumnisse der Regierung auf
CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz hat Bundeskanzler Olaf Scholz Realitätsverlust vorgeworfen. Anspruch und Wirklichkeit klafften bei dieser Regierung eklatant auseinander, sagte Merz im Bundestag. Er machte den Regierungsstillstand an einer Reihe von Versäumnissen fest.
Die Uneinigkeit der Bundesregierung ist laut Merz auch in Brüssel schon unangenehm aufgefallen. So werde in der Europäischen Union bereits vom „german vote“ gesprochen, wenn die Bundesregierung sich einmal mehr enthalten müsse. Stefan Müller, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, betonte, „dass in Europa diese Regierung kein Mensch mehr versteht“. Fraktionsvize Patricia Lips sagte, wenn Deutschland Motor in Europa sein wolle, dann „braucht es eine in sich geschlossene Haltung der Bundesregierung“.
Wahlrechtsreform: Betrug am Bürger
Die von der Ampel beschlossene Wahlrechtsreform ist nach Einschätzung der CDU/CSU-Fraktion Betrug am Wähler. Fraktionschef Friedrich Merz bedauerte, dass die Koalition sich ein eigenes Wahlrecht schafft. „Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen alle Grundsätze unseres Wahlrechts“, sagte er. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einer Missachtung des Wählerwillens, die zu Politikverdrossenheit führen werde.
Gleichzeitig unterstrich Merz, dass auch die Unionsfraktion „für eine nachdrückliche Verkleinerung des Bundestages“ eintrete. Dafür hatte sie im Laufe der Verhandlungen mit der Ampel zwei eigene Vorschläge vorgelegt, die aber auf keine Gegenliebe stießen. Selbst am Tag der Abstimmung warb Merz für einen zweiwöchigen Aufschub, um einen überparteilichen Konsens doch noch herbeizuführen – was die SPD-Fraktion ablehnte. Die Unionsfraktion kündigte eine „verfassungsrechtliche Überprüfung“ der Reform an.
Anreize statt Verbote: Union setzt auf den mündigen Bürger
Zwang zum Austausch von Öl- und Gasheizungen, Verbrenner-Aus, Werbeverbot für Naschereien – in ihrer Politik setzt die Ampel-Koalition gerne auf Verbote. In einer aktuellen Stunde des Bundestages zeigte die CDU/CSU-Fraktion, dass diese Politik an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen vorbei geht. Die Union will stattdessen den mündigen Bürger stärken, indem sie vernünftige Verhaltensweisen fördert.
Für eine Politik des gesunden Menschenverstands warb die umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber. Als Stichworte nannte sie Freiheit, Technologieoffenheit, Verhaltensanreize. Es gehe darum, die Bürger auf dem Weg in die Klimaneutralität mitzunehmen. Bei der Umsetzung der Energiewende müsse man realistisch vorgehen, mahnte der Fachpolitiker Thomas Gebhart. Nicht zielführend sei es, wenn man die Menschen verunsichere.
Außerdem …
- … findet die CDU/CSU-Fraktion den Jahresbericht der Wehrbeauftragten über den Zustand der Bundeswehr alarmierend. Ein Jahr lang habe die Koalition nichts getan, um die dringend benötigte Modernisierung und Aufrüstung der Bundeswehr voranzutreiben, monierte der verteidigungspolitische Sprecher Florian Hahn. Die Obfrau Kerstin Vieregge warnte angesichts der geopolitischen Spannungen davor, die Sicherheit des Landes aufs Spiel zu setzen.
- … fordert die Fraktion mehr Unterstützung für Menschen, die an Long Covid, ME/CFS oder dem Post-Vac-Syndrom leiden – Erkrankungen, die sich unter anderem in chronischer Erschöpfung äußern. Die Betroffenen können ihren Alltag oft nicht mehr meistern. Die Union verlangt vor allem mehr Geld für Forschung. Dafür müsse sich der Gesundheitsminister in den Haushaltsverhandlungen stark machen, sagt der gesundheitspolitische Sprecher Tino Sorge. Der Forschungsbedarf sei riesig, sagt der bildungspolitische Sprecher Thomas Jarzombek. Daher sei es nicht einzusehen, warum die Regierung die Forschung nur auf Sparflamme fördere.
- … ist die Unionsfraktion zutiefst besorgt über das Schicksal ukrainischer Kinder, die nach Russland verschleppt werden. „Kinder gehören in ihre Familien“, betont Unionsfraktionsvize Dorothee Bär. Sie kritisiert, dass Präsident Wladimir Putin Kinder als Kriegsmittel benutzt. Der menschenrechtspolitische Sprecher Michael Brand fordert die Bundesregierung auf, sich für nach Russland verschleppte und dort zwangsadoptierte ukrainische Kinder einzusetzen.
- … beteiligt sich die Unionsfraktion gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung am Girls‘ Day 2023. Am 27. April öffnet die Fraktion wie viele Institutionen, Organisationen und Betriebe ihre Türen, um Mädchen einen Einblick in den Arbeitsalltag von Abgeordneten zu gewähren. Sie wirbt dafür, dass Mädchen und junge Frauen sich für eine berufliche Perspektive in Politik, Naturwissenschaften oder Technik entscheiden.
39.000 …
… Fälle stellte das Bundeskriminalamt 2021 fest, in denen kinderpornografisches Material hergestellt, beschafft oder verbreitet wurde. Oft können Täter nur über die IP-Adresse aufgespürt werden. Die Unionsfraktion verlangt daher, dass IP-Adressen rechtssicher gespeichert werden, um Kinder besser zu schützen.
Bundeswehr: Es fehlt an allem
Angesichts der Nöte der Bundeswehr stellte sich Johann David Wadephul sich hinter die Forderung des Verteidigungsministers, den Wehretat um 10 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen – zusätzlich zum Sondervermögen. Nur so könne man die Zeitenwende umsetzen. „Wir bauchen mehr Ausrüstung, wir brauchen mehr Waffensysteme, wir brauchen mehr Soldatinnen und Soldaten“, sagte der Fraktionsvize im rbb-inforadio (14.3.2023).
Ähnlich äußerte sich Henning Otte bei ntv (14.3.2023). Allerdings sieht der CDU-Experte für die Forderung nach Mehrausgaben wenig Rückhalt innerhalb der Koalition. Bedenklich findet er, dass der Verteidigungshaushalt in diesem Jahr sogar sinkt.
Den desaströsen Zustand der Bundeswehr kommentierte Roderich Kiesewetter mit den Worten: „Die Zeitenwende ist noch nicht in der Truppe angekommen.“ Der Fachsprecher für Krisenprävention unterstrich im Gespräch Welt-TV (14.3.2022), dass die Wehrbeauftragte den Bedarf der Bundeswehr auf 300 Milliarden Euro beziffert.
Thomas Silberhorn bemängelte in phoenix vor Ort (14.3.2023), dass von dem Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro bislang „kein einziger Cent abgeflossen“ sei. Der Fachsprecher für transatlantische Beziehungen sprach von einem verlorenen Jahr für die Bundeswehr.
Der Bericht der Wehrbeauftragten lässt nach Ansicht von Florian Hahn nur einen Schluss zu: „Ohne die Amerikaner wären wir nicht in der Lage, uns selbst zu verteidigen.“ Der verteidigungspolitische Sprecher forderte in den ARD-Tagesthemen (14.3.2023), Deutschland müsse alles daran setzen, gemeinsam mit den Europäern verteidigungsfähiger zu werden.
Wahlrechtsreform: Verfassungsrechtlich problematisch
Als „merkwürdig, unfair und ungleich“ hat Günter Krings die von der Ampel beschlossene Wahlrechtsreform bezeichnet. Im NDR info (17.3.2023) sprach Krings vom Wahlrecht des betrogenen Bürgers. Denn es kann passieren, dass dieser Bürger seine Stimme einem erfolgreichen Kandidaten gegeben hat, der dann aber trotzdem nicht in den Bundestag einziehen darf, weil sein Mandat von den Zweitstimmen nicht gedeckt ist. „Das ist ein gigantisches Projekt zur Reduzierung der Wahlbeteiligung“, sagte der rechtspolitische Sprecher. Diese grundlegende Änderung verlange eine verfassungsrechtliche Klärung.
Auch Wolfgang Schäuble kritisierte, dass das neue Wahlrecht auf „Täuschung und Enttäuschung des Wählers ausgelegt“ sei. Im „Spiegel“-Interview (16.3.2023) nannte der ehemalige Bundestagspräsident und CDU-Abgeordnete die Reform „verfassungsrechtlich wie staatspolitisch problematisch“. Als Alternative brachte er eine Stichwahl zwischen Wahlkreisabgeordneten ins Spiel, wie man sie von Bürgermeisterwahlen kenne.
Bildungsgipfel: Ideenlose Veranstaltung
Für Nadine Schön war der Bildungsgipfel der Bundesregierung völlig falsch angelegt. Ein Gipfel sollte das Ende eines Prozesses sein und kein „gemütliches Treffen an der Talstation“, um über den Aufgabenberg zu reden, kritisierte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende in swr2-aktuell (14.3.2023). Gefehlt hätten ein Konzept, Ziele und ein Prozess. Sie äußerte Verständnis dafür, dass viele Landesminister das Treffen boykottiert hatten.
Dass der Bildungsgipfel ohne Ergebnis geblieben ist, löst auch bei Thomas Jarzombek keine Verwunderung aus. Die Ministerin habe im Vorfeld keine Ideen entwickelt und keine Ziele gesetzt. Sie habe nicht mit den Landesministern geredet und nicht mit dem Kabinett, bemängelte der bildungspolitische Sprecher in den ARD-Tagesthemen (14.3.2023).
Energiewende: Preissignale statt Verbote
Auf dem Weg zur Klimaneutralität in Deutschland setzt Jens Spahn auf die Bepreisung von CO2. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende sagte in der ARD-Talkshow maischberger (14.3.2023), den Kohlendioxid-Ausstoß zu verteuern sei sinnvoller als Verbote zu verhängen – wie das von der Koalition geplante Verbot von Öl- und Gasheizungen.
Andreas Mattfeldt kritisierte, dass für die Förderung des Austauschs von Öl- und Gasheizungen gegen Wärmepumpen im Bundeshaushalt noch gar kein Geld vorgesehen ist. Der CDU-Haushaltspolitiker wies in MDR Aktuell (14.3.2023) außerdem darauf hin, dass eine Förderung nur bei freiwilligen Investitionen gewährt werden dürfe - und nicht, wenn der Staat den Austausch anordne. Schließlich zweifelte Mattfeldt auch den ökologischen Nutzen an, wenn massenhaft Wärmepumpen eingebaut würden, die dann aber mit Kohlestrom arbeiten müssten, weil es so viel Strom aus Erneuerbaren gar nicht gebe.
Gitta Connemann befürchtet, dass viele Eigentümer und Mieter den Einbau der teuren Wärmepumpen nicht bezahlen können. In der ARD-Talkshow Anne Will (12.3.2023) sagte die CDU-Abgeordnete: „Klimaschutz geht nur mit den Menschen und nicht gegen sie.“ Außerdem fehle es an Wärmepumpen und an Installateuren.
Andreas Jung forderte von der Regierung eine Strategie, Wirtschaft und Klimaschutz zu vereinen. Im Deutschlandfunk (16.3.2023) stellte der klimapolitische Sprecher der Unionsfraktion in Frage, dass die Koalition den selbst verliehenen Titel ‚Klimaregierung‘ auch wirklich verdiene. „Überall gibt es Streit und Olaf Scholz ist abgetaucht“, resümmierte er.
Haushalt: Schuldenbremse einhalten
Im Koalitionsstreit über den Haushalt 2024 hat Fraktionsvize Mathias Middelberg den Kanzler aufgefordert sich einzuschalten und zu schlichten. Im ARD-Bericht aus Berlin (12.3.2023) kritisierte Middelberg, dass es in der Koalition noch zu viele gebe, die grenzenlos Geld ausgeben wollten.
Helge Braun mahnte die Koalitionäre, die Schuldenbremse einzuhalten. Der CDU-Haushaltsexperte sagte dem rbb-Inforadio (14.3.2023): „Man kann nicht immer nur draufsatteln. Man muss auch Prioritäten setzen“. Auf manche Vorhaben müsse die Ampel eben verzichten. Trotz der schwierigen konjunkturellen Lage habe der Staat eigentlich kein Einnahmeproblem, betonte Braun.
Einbürgerung: Fristen nicht verkürzen
Andrea Lindholz hat sich dafür ausgesprochen, die bestehenden Fristen für die Einbürgerung zu erhalten. „Einbürgerung braucht Zeit“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der phoenix runde (15.3.2023). Die Hürden für Einbürgerung zu senken sei kein Anreiz für eine bessere Integration. Mit Blick auf die Arbeitsmigration sagte Lindholz, damit die interessierten Fachkräfte gerne nach Deutschland kommen und bleiben, brauche es ein gutes Klima und gute Rahmenbedingungen.
„Es ist ein Anschlag auf die Demokratie.“
Thorsten Frei in der Debatte zur Wahlrechtsänderung am 17.3.2023 im Bundestag
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