Stephan Pilsinger: Wir dürfen keine zusätzliche Einladung für eine illegale Droge wie Cannabis aussprechen
Redebeitrag zum Cannabiskontrollgesetz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über einen Gesetzentwurf, der einen ganz wichtigen Aspekt außer Acht lässt: die Gesundheit der Menschen in unserem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen die gesundheitlichen Risiken und Langzeitfolgen des Konsums von Cannabis im Blick haben. Das muss unser Maßstab sein. Dazu gehört ein Fokus auf abhängige Konsumenten und Jugendliche und die für sie bestehenden Risiken.
Es gibt schon genug Menschen in unserem Land, die mit legalen Suchtmitteln Probleme haben. Diese Probleme spitzen sich angesichts der aktuellen Coronapandemie weiter zu. Die Coronapandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen bergen neben dem Risiko, an Covid-19 zu erkranken, auch das Risiko der Entstehung von Ängsten sowie der Verstärkung von Einsamkeit und Langeweile. Mangelnde Ablenkung, mangelnde soziale Unterstützung, mangelnde berufliche Verpflichtungen sowie psychische Belastungen können den Suchtmittelkonsum fördern und Abhängigkeitserkrankungen verursachen.
Für die legalen Suchtmittel Alkohol und Tabak liegen die Quoten des riskanten bzw. klinisch relevanten Konsums in der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland gemäß Epidemiologischem Suchtsurvey um das 7- bis 20-Fache höher als bei Cannabis. Durch eine Legalisierung von Cannabis wäre eine ähnliche Entwicklung des riskanten bzw. klinisch relevanten Konsums von Cannabis zu erwarten. Studien aus den USA belegen, dass die Legalisierung von Cannabis mit einem deutlichen Zuwachs des Konsums verbunden ist. Zum Beispiel ist im US-Bundesstaat Colorado der riskante und klinisch relevante Konsum von Cannabis seit dessen Legalisierung gestiegen. Verantwortungsvolle Gesundheits- und Drogenpolitik muss einer Ausweitung riskanter und gesundheitsgefährdender Konsummuster entgegenwirken. Daher dürfen wir keine zusätzliche Einladung für eine illegale Droge wie Cannabis aussprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber genauso würde eine Legalisierung wirken: Wer Cannabis aus nichtmedizinischen Gründen konsumiert, wer Cannabis missbraucht, der begibt sich in eine gesundheitliche Gefahr. Insbesondere bei jungen Menschen gibt es gravierende Risiken in der Entwicklung. Zu nennen sind hier psychische und psychosoziale Störungen wie zum Beispiel schizophrene Psychosen, aber auch organmedizinische Auswirkungen wie Herz-Kreislauf-Folgeerkrankungen sowie neurokognitive Beeinträchtigungen wie die Beeinträchtigung der Lern-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunktion.
Deshalb kommen immer mehr Kinderpsychiater und Kinderpsychologen und Suchtexperten im angloamerikanischen Sprachraum zu der Überzeugung, dass Cannabismissbrauch gerade im Kindes- und Jugendalter vermieden werden sollte und dem Jugendschutz eine zentrale Bedeutung beigemessen werden muss.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch die kinder- und jugendpsychiatrische Fachgesellschaft und die Fachverbände in Deutschland sprechen sich aus diesem Grund gegen eine Legalisierung von Cannabis aus. Und auch meine Erfahrungen als Hausarzt decken sich mit diesen Erkenntnissen. Als Arzt und ebenso als Gesundheitspolitiker kann ich es also nicht verantworten, eine Substanz zu legalisieren, die nachweislich auch schädlich ist.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Da müssen Sie aber viele Stoffe verbieten!)
Ziel unserer Drogen- und Suchtpolitik muss es vielmehr sein, den Konsum legaler und illegaler Drogen zu reduzieren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Volksfeste mehr, Herr Pilsinger!)
Als verantwortungsvolle Gesundheitspolitiker müssen wir uns vielmehr auf die wesentlichen Handlungsfelder erfolgreicher Drogen- und Suchtpolitik konzentrieren: erstens Prävention, zweitens Beratung und Hilfe, drittens Schadensminimierung und Schadensreduzierung und viertens Strafverfolgung.
Durch vermehrte Aufklärung über die Gefahren des Suchtmittel- und Drogenkonsums können wir erreichen, dass es gar nicht zu einem gesundheitsschädlichen Konsum oder sogar zur Abhängigkeit kommt. Jeder Suchtkranke sollte das Angebot zur Beratung und Behandlung in Anspruch nehmen können, das er benötigt. Daher müssen wir diese vielfältigen Angebote zum Ausstieg aus dem Suchtverhalten erhalten und stärken.
Darüber hinaus ist es wichtig, die gesundheitliche und soziale Situation der Suchtkranken zu stabilisieren. Das schafft die Voraussetzung für einen späteren Ausstieg. Hierzu können Überlebenshilfen oder Maßnahmen zur Schadensreduzierung beitragen. Zudem dürfen wir die gesetzlichen Regulierungen zur Beschränkung des Angebots von Suchtmitteln und Drogen nicht außer Acht lassen. Denn auch die Bekämpfung der Drogenkriminalität dient der Angebotsreduzierung. Hier müssen wir ein besonderes Augenmerk auf die Vertriebsstrukturen im sogenannten Darknet legen. Mittlerweile ist es möglich, dass mit nur wenigen Klicks jede Art von Betäubungsmitteln nach Hause geliefert werden kann. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Allerdings halte ich generelle Verbote auch nicht für sinnvoll; denn der Einsatz von medizinischem Cannabis kann bei entsprechender Indikation durchaus sinnvoll sein. Dem tragen wir Rechnung. Am 10. März 2017 ist das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften in Kraft getreten, das die Möglichkeit zur Behandlung von Patienten mit Cannabisarzneimitteln erweitert. Mehr noch: Das Gesetz sieht vor, dass wir die Behandlungsdaten anonymisiert sammeln und auswerten. Im März 2022 haben wir voraussichtlich Ergebnisse und werden mit neuen Erkenntnissen da noch nachjustieren.
Schon jetzt aber ist klar, dass Ärzte, Patienten und Industrie trotz der Gesetzesänderung im März 2017 immer wieder auf große Hürden in der Verschreibung, Erstattung und Herstellung von Cannabinoidarzneimitteln stoßen. Ein einheitlicher Rechtsrahmen und eine vereinfachte Verordnungsfähigkeit von Cannabinoiden können hier Abhilfe schaffen. Auch über innovative Darreichungsformen von Cannabinoidarzneimitteln könnte man nachdenken. Gleichzeitig braucht es weitere Forschung, um die Potenziale von Cannabinoiden noch besser zu verstehen und ausschöpfen zu können.
Neben dieser möglichen Nachjustierung sehe ich außerdem Handlungsbedarf bezüglich CBD. Der Markt von der Herstellung bis zum Vertrieb von CBD-Produkten ist nicht reguliert und bewegt sich nicht in einem rechtlich gesicherten Bereich, sondern in einem Graubereich. Hier wäre es sinnvoll, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um den Umgang mit CBD besser und vor allem sicherer zu machen.
(Beifall des Abg. Rudolf Henke [CDU/CSU])
Der Gesundheit der Menschen dienen wir am besten, wenn wir den medizinischen Nutzen von Cannabis gezielt ermöglichen und die Abhängigkeit entschieden bekämpfen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)