"Intensiver über die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts reden"
Im Gespräch mit dem Westfalen-Blatt spricht Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus unter anderem über den Bundeshaushalt 2020, die Grundsteuerreform und Klimaschutz. Er zeigt auf, wie er Deutschland für die Zukunft stark machen will. Hier das ganze Interview:
CDU und CSU wollen sich stärker um Klimaschutz kümmern. Wird die Union grüner als die Grünen? Oder wird Schwarz das neue Grün?
Ralph Brinkhaus: Die ganzen CO2-Ziele, über die wir sprechen und die uns betreffen, sind im Wesentlichen von der Union und von Angela Merkel einmal so festgelegt worden. Die Bundeskanzlerin war neben US-Präsident Barack Obama der Motor des Pariser Klimaabkommens. Wir haben als Union auch auf europäischer Ebene die entscheidenden Zusagen gemacht. Wahr ist aber, dass wir unsere CO2-Ziele für 2020 nicht erreichen werden. Und wenn wir jetzt nicht umsteuern, werden wir auch die Ziele für 2030, 2040 und 2050 reißen. Es geht also darum, dass wir die Ziele, die wir uns aus guten Gründen selbst gesetzt haben, erreichen. Das ist eine Frage der Verlässlichkeit und weniger der politischen Farbe.
Aber die Union geht den Klimaschutz erst so offensiv an, seit die Grünen in den Umfragen auf Augenhöhe sind, oder?
Brinkhaus: Es gab Zeiten, da waren Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der CDU-Politik sichtbarer, zum Beispiel zu Zeiten von Klaus Töpfer. Der erste Bundesumweltminister überhaupt war im Übrigen Walter Wallmann von der CDU. Insofern war die Bewahrung der Schöpfung schon immer unser Thema. Es ist in den vergangenen Jahren auch viel gemacht worden. Aber noch einmal – Fakt bleibt, dass wir unsere selbstgesetzten CO2 Ziele nicht erreichen. Und deswegen müssen wir jetzt mehr tun als in den vergangenen Jahren. Das hat mit den Grünen nichts zu tun.
Machen Sie die Öko-Offensive, weil Schwarz-Grün Ihre einzige realistische Machtoption auf Bundesebene ist?
Brinkhaus: Das hat damit nichts zu tun. Wir machen unser eigenes Ding. Es gibt im Übrigen eine ganze Menge von Politikfeldern, in denen wir fundamentale Konflikte mit den Grünen haben – zum Beispiel in der Sicherheits-, Außen- und Verteidigungspolitik, im Bereich Innovationen, bei den Steuern, der Bürokratie und, und, und. Insbesondere in der Migrationspolitik stehen uns die Grünen total gegensätzlich gegenüber.
Sie sind Steuerberater und Steuerexperte. Was bedeutet es, wenn die CDU-Vorsitzende den Ausstoß von Treibhausgasen zum Maßstab für Besteuerung machen will?
Brinkhaus: Wir müssen uns generell fragen, ob wir bei den Abgaben an den richtigen Stellen ansetzen. Momentan wird in erster Linie menschliche Arbeit belastet. Dabei ist menschliche Arbeit besonders umweltfreundlich. Warum gehen wir nicht stärker auf den Verbrauch von Ressourcen? Und wenn CO2 nach überwiegender Meinung schädlich ist, dann sollte man darüber nachdenken, das entsprechend zu bepreisen. Das kann dann übrigens auch über einen Zertifikatehandel organisiert werden.
Ökonomen wie IW-Chef Michael Hüther warnen davor, dass die »Panikattacken in der deutschen Klimadiskussion die Wirtschaft verunsichern«. Fühlen Sie sich angesprochen?
Brinkhaus: Nein. Wer kann denn Klimapolitik so umsetzen, dass es nicht zur Deindustrialisierung Deutschlands und nicht zu sozialen Verwerfungen kommt? Da haben CDU und CSU eine höhere Kompetenz als alle anderen Parteien. Deswegen ist unser Ansatz, aus Ökonomie und Ökologie keinen Gegensatz zu machen, ein Gewinnerthema. Ich nenne das »Unsere Mondlandung«, weil das ein gemeinsames Ziel ist, an dem sich die Gesellschaft orientieren kann. Ich denke, das sollten wir mit viel Zuversicht angehen.
Sie haben nach Ihrem Amtsantritt im September 2018 gesagt, dass die Union ihre Kampagnenfähigkeit dem digitalen Zeitalter anpassen müsse. Was haben Sie aus dem Rezo-Video bislang gelernt?
Brinkhaus: Dass die Kommunikation schneller werden muss. Aber die CDU ist wie jede große Organisation ein Tanker, da ändert sich der Kurs nicht von jetzt auf gleich. Schon lange vor dem Rezo-Video haben wir übrigens als Fraktion unsere Online-Kommunikation gestärkt. Wir haben zum Beispiel eine Kampagne »Starker Staat« gefahren, die sehr erfolgreich gelaufen ist.
Sie wollen die Große Koalition fortführen. Erwarten Sie, dass die SPD die Bundesregierung nach ihrem Bundesparteitag im Dezember verlassen wird?
Brinkhaus: Diese Regierung ist bis 2021 gewählt, und es gibt einen Koalitionsvertrag, den ich seriös abarbeiten möchte. Das würde ich mir auch von unserem Koalitionspartner wünschen. Denn wir haben im Herbst wichtige Beschlüsse zu fassen. Der Bundeshaushalt 2020 und die Grundsteuerreform sind ebenso wenig trivial wie das Klimapaket und der Soli. Ich hoffe, dass wir nicht da enden, dass alle 18 Monate gewählt werden muss, weil Politiker nicht zu Kompromissen in der Lage sind.
Glauben Sie, dass die Vertragstreue der SPD über 2019 hinaus hält?
Brinkhaus: Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich hoffe nur, dass allen Beteiligten klar ist, dass das Land wichtiger ist als die internen Befindlichkeiten der Partei.
Warum ist die SPD in der Außen- und Verteidigungspolitik so sperrig?
Brinkhaus: Eines mal vorangestellt, weil das immer wieder falsch behauptet wird: Es war eben nicht erst der US-Präsident Donald Trump, der von uns mehr Engagement in der Verteidigungspolitik gefordert hat, sondern bereits sein Vorgänger Barack Obama. Es kann nicht sein, dass wir überall in der Welt wirtschaftlich vernetzt sind, aber die anderen militärisch den Kopf hinhalten, wenn es eng wird. Das geht so nicht weiter, wir müssen sicherheitspolitisch mehr Verantwortung übernehmen. Wir sind eines der größten und wirtschaftlich stärksten Länder der freien Welt, diese Rolle müssen wir wahrnehmen. Dazu gehört nicht nur die Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Dazu gehört auch, dass wir außenpolitisch sichtbarer werden – auch weil Diplomatie allemal besser ist als militärische Lösungen. Genau das diskutieren wir mit unserem Koalitionspartner.
Sind Sie besorgt, weil sich die Konjunktur eintrübt?
Brinkhaus: Gut, dass Sie auch die Wirtschaftslage ansprechen. Sie haben ja viel nach der Umweltpolitik gefragt, es gibt aber derzeit viele wichtige politische Themen. Zu Ihrer Frage: Wir sind immer noch stark, und das sollten wir nicht fahrlässig klein reden. Aber richtig ist: Die wirtschaftliche Situation verändert sich. Deswegen ist es an der Zeit, dass wir intensiver über die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts reden. Und zwar nicht in erster Linie darüber, wie wir mit einer Krise umgehen, sondern wie wir eine Krise vermeiden. Das unterscheidet uns als Union von anderen Parteien. Wir müssen Deutschland für die Zukunft stark machen. Wir müssen weniger darüber reden, was wir in 20 Jahren ausgeben sollen, sondern mehr darüber, wie wir in 20 Jahren Wohlstand erwirtschaften wollen. Dazu müssen wir besser in der Digitalisierung werden. Wir brauchen ein leistungsfähigeres Unternehmenssteuerrecht. Wir brauchen auf der Welt Freihandel, damit die Märkte für unsere Unternehmen offenbleiben. Wir brauchen mehr und bessere Bildung, vor allem Weiterbildung. Wir brauchen ein leistungsfähiges Wettbewerbsrecht. Und wir brauchen eine Agenda für Wirtschaft im ländlichen Raum. Wir haben da viele gute Ideen – es gibt für die Große Koalition also noch genug zu tun.
Ökonomen sehen Deutschland auf dem Weg in eine Rezession. Ist die Politik auf eine Phase mit geringeren Steuereinnahmen vorbereitet?
Brinkhaus: Die Steuereinnahmen sind ja weiter hoch, auch wenn sie nicht mehr so stark steigen wie in den vergangenen Jahren. Dadurch sind die Spielräume für zusätzliche Ausgaben geringer. Das ist nichts ungewöhnliches, Haushaltspolitiker sind es ja gewohnt zu priorisieren. Unsere Priorität liegt dabei ganz deutlich auf den Zukunftsthemen: Investitionen, Klima und Sicherheit. Die deutsche Wirtschaft ist insgesamt in guter Verfassung. Wir als Union werden alles dafür tun, dass die deutsche Wirtschaft auch in Zukunft stark bleibt. An diese Aufgabe gehen wir optimistisch ran.
Das Jobwunder neigt sich dem Ende. Müssen wir Zuwanderung anders steuern?
Brinkhaus: Viele Unternehmen suchen immer noch Fachkräfte, ihre Auftragsbücher sind voll, es fehlt aber an Personal. Das bremst die Wirtschaft. Vor der Sommerpause haben wir deshalb das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Dabei haben wir gegenüber der SPD darauf bestanden, dass nur die dauerhaft nach Deutschland kommen dürfen, die tatsächlich einen Arbeitsvertrag haben. Denn wir wollen keine Zuwanderung in die Sozialsysteme. Außerdem war es uns wichtig, dass es keine Abstriche bei der Qualifikation gibt. Qualifikation ist auch in schlechteren Zeiten der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Das Gesetz sieht vor, dass bei einer Veränderung der Arbeitsmarktsituation die Vorrangprüfung sehr schnell wieder eingeführt werden kann. Das Zuwanderungssystem kann also auf Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt flexibel und gezielt reagieren.