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"Es wird Fortschritte geben"

Interview mit Volker Kauder

In seinem Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung verdeutlicht Fraktionschef Volker Kauder, mit welchen Maßnahmen die Binnenmigration in Europa besser gesteuert und geordnet werden kann. Für ihn zentral: „Wir werden mehr Ordnung im Hinblick auf eine bestimmte Gruppe von Migranten schaffen und gleichzeitig das Land auch sicherer machen.“

Herr Kauder, Union und SPD haben sich auf einen gemeinsamen Asylkompromiss verständigt. Warum war eine solche Lösung nicht schon deutlich früher möglich?

Kauder: Die Steuerung der Flüchtlingsbewegungen innerhalb der EU ist ein schwieriges und sensibles Thema. Es musste genau abgewogen werden, welche nationalen und welche europäischen Maßnahmen hier richtig sind. Darüber waren wir uns in der Union zunächst nicht einig. Erst die Verhandlungserfolge der Bundeskanzlerin auf dem EU-Gipfel und am Rande des Treffens vor einer Woche haben die Grundlage für eine Verständigung geschaffen. Und dann mussten wir uns ja auch noch mit unserem Koalitionspartner von der SPD einigen.  

Wenn sich Österreich und Italien weigern, bereits registrierte Flüchtlinge zurückzunehmen, wird nichts aus Ihren Plänen…

Kauder: Es wird auf jeden Fall Fortschritte geben. Da bin ich mir sicher. Wir werden mehr Ordnung im Hinblick auf eine bestimmte Gruppe von Migranten schaffen und gleichzeitig das Land auch sicherer machen. Ich bin sehr hoffnungsvoll, dass wir uns zunächst mit Griechenland einigen werden, damit Flüchtlinge, die dort einen Asylantrag gestellt haben und die an der deutsch-österreichischen Grenze angetroffen werden, schnell nach Griechenland zurückgebracht werden können. Ich hoffe auch, dass ein Abkommen mit Italien gelingt, auch wenn dies schwierig ist. Dann würde sich die Frage eines Vertrags mit Österreich in der Tat kaum stellen. 

Ist das alles?

Kauder: Wichtiger ist für mich ohnehin der zweite Teil des Beschlusses, wonach Überstellungsverfahren auch für Flüchtlinge, die in Deutschland angetroffen werden und die schon in einem anderen EU-Staat registriert worden sind, ebenfalls beschleunigt werden. Das sind viel mehr Fälle als die, die an den deutsch-österreichischen Grenzübergangsstellen festgestellt werden. Auch hier wird der Bundesinnenminister mit anderen EU-Ländern noch reden müssen, weil die bei der Rückführung mitziehen müssen. Vor allem werden wir die Schleierfahndung zum Schutz der Grenzen und andere moderne Methoden der Kontrolle ausweiten, um das Land sicherer zu machen. Ich hoffe, dass hier auch die Bundesländer mitziehen. 

Ist der Streit zwischen CDU und CSU jetzt beigelegt oder ist es nur ein brüchiger Burgfrieden?

Kauder: CDU und CSU sind sich einig – und wir sind auch in der Koalition einig. Darauf kann man jetzt aufbauen. Das alles war für alle Beteiligten kein einfacher Prozess. In der Koalition müssen wir auch gerade bei diesem Thema weiter eng zusammenzuarbeiten, um unseren Beschluss auch umzusetzen. Das gilt besonders für den Bundesinnenminister und die Bundeskanzlerin. In der Spitzenpolitik braucht man hohe Professionalität. Die werden wir zeigen. Es geht zuerst um unser Land, dann erst um die Partei und ganz zum Schluss um Personen. 

Bestreiten jetzt CDU und CSU das politische Sommertheater in den Parlamentsferien?

Kauder: Nein. 

Plötzlich ist von Asylwende die Rede. Ist die Einigung auf Transitzentren der endgültige Abschied von der Willkommenskultur?

Kauder: Wir haben uns auf ein humanitäres Transitverfahren von maximal 48 Stunden geeinigt, in dem mit den Betroffenen sehr korrekt umgegangen werden wird. Wir halten ohnehin an unseren humanitären Grundprinzipien fest. Alles andere entspräche auch nicht dem „C“. Flüchtlinge sind keine Objekte, sondern Menschen mit einer Würde. Das darf bei allen Diskussionen nie in Vergessenheit geraten. Wer politisch verfolgt ist oder aus einem Bürgerkrieg flieht, wird im Rahmen der deutschen und der europäischen Gesetze aufgenommen. Aber genauso gilt: Wer nur zu uns kommen will, damit es ihm bessergeht, der kann nicht in Deutschland oder in der EU bleiben. Wir können nicht alles leisten. Diesem Zweiklang auch wirklich gerecht zu werden – das ist nach wie vor die Herausforderung für Deutschland, aber vor allem für die EU insgesamt. Die Behauptung, wir würden uns abschotten, ist falsch. 

Kritiker sprechen von Internierungs- oder Haftlagern, die nun an der österreichisch-bayerischen Grenze…

Kauder: Das war schon vor der Einigung der Koalition Unsinn und bleibt es auch danach. 

Genießt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) weiterhin das volle Vertrauen der Schwesterpartei CDU und der Bundeskanzlerin?

Kauder: Die beiden haben in der vergangenen Woche bewiesen, dass sie zusammenarbeiten können, sonst wäre die Einigung nicht gelungen. 

Der Asylkompromiss und die Einrichtung von Transitzentren sind nur ein Punkt von insgesamt 63 des Masterplans. Wo bleibt der Rest?

Der entscheidende Punkt ist, dass wir nun in allen Bundesländern Ankerzentren einrichten wollen. Dort sollen die verschiedenen Institutionen – das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Jugendämter, die Verwaltungsgerichte – alle zusammen sein, um schnell zu Asyl-Entscheidungen zu kommen. Flüchtlinge sollten nur wenige Wochen auf eine Entscheidung warten und aus diesen Zentren kann auch leichter abgeschoben werden, wenn eine negative Entscheidung gefallen ist. Ich erwarte, dass die Länder bei den Ankerzentren jetzt auch mitmachen. Es waren fast alle Ministerpräsidenten an den Koalitionsverhandlungen beteiligt und haben das Ergebnis mitgetragen. Jetzt gilt es, dies auch umzusetzen.

Die Justiz schlägt Alarm. Die Verwaltungsgerichte sind angesichts der hohen Zahl von Asylklagen völlig überlastet. Wie lässt sich hier Abhilfe schaffen?

Viele Bundesländer haben die Zahl der Verwaltungsrichterstellen erhöht. Ich hoffe, dass sich dadurch die Situation entspannt. Sicher wird man sich aber auch noch einmal das Verwaltungsprozessrecht anschauen müssen, um die Verfahren zu straffen.

Immer mehr Wirtschaftsexperten warnen, dass es schon bald vorbei sein dürfte mit dem kleinen Wirtschaftswunder und dem soliden Wachstum in Deutschland. Jetzt sieht sogar der Internationale Währungsfonds dunkle Wolken am Konjunkturhimmel. Sind die guten Jahre wieder vorbei?

Wir müssen alle Prognosen ernst nehmen. Dennoch wissen wir, dass sich diese Experten auch irren. In der Koalition haben wir schon viele wichtige Vorhaben beschlossen: das Familienentlastungsgesetz, den Haushalt für 2018 mit dem Baukindergeld, ein massives Bauprogramm für den sozialen Wohnungsbau. Deswegen bin ich mit den ersten 100 Tagen der Großen Koalition zufrieden. Darauf können wir aufbauen. Jetzt müssen wir uns aber verstärkt den Zukunftsthemen wie den Breitbandausbau und der Förderung der künstlichen Intelligenz widmen.

Die Wirtschaft klagt über einen akuten Fachkräftemangel. Wie lässt sich der beseitigen?

Wir haben noch immer 1,5 Millionen Arbeitnehmer unter 35 Jahre, die ohne abgeschlossene Ausbildung schlecht bezahlte Hilfstätigkeiten ausüben. Deswegen müssen wir die Fort- und Weiterbildung über die Bundesagentur für Arbeit vorantreiben. Das ist immer das Wichtigste: Es soll möglichst kein heimischer Arbeitnehmer zurückgelassen werden. Um junge gut ausgebildete Menschen nach Deutschland zu holen, brauchen wir zudem ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. In diesem Zusammenhang muss festgelegt werden, in welchen Branchen oder Berufsgruppen Stellen nicht besetzt werden können, also Bereiche, in denen wir dringend Arbeitskräfte brauchen. Ich denke, dass dies insbesondere im Pflegebereich oder der Baubranche der Fall sein wird. Ich gehe davon aus, dass der Gesetzentwurf im Herbst ins Kabinett und dann in den Deutschen Bundestag kommt. Ende des Jahres könnte das Fachkräftezuwanderungsgesetz schon beschlossen sein.

 

Interview: Andreas Herholz, RNZ Berlin