"Es gibt vieles, auf das wir in Ost wie West stolz sein können"
Ralph Brinkhaus im Interview mit der Super Illu
30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es laut Meinungsumfragen und bei den Wahlergebnissen immer noch große Ost-West-Unterschiede. "Sehr vieles ist bei der Wiedervereinigung gut gelaufen, anderes aber auch nicht", so die Einschätzung von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus im Interview mit der SuperIllu. Woran es heute immer noch häufig fehle, sei Wertschätzung und Wahrnehmung der unterschiedlichen DDR-Biografien der Ostdeutschen.
Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es große Ost-West-Unterschiede bei Meinungsumfragen und Wahlergebnissen. An was liegt das?
Sehr vieles ist bei der Wiedervereinigung gut gelaufen, anderes aber auch nicht. Es war zu wenig Wertschätzung und Wahrnehmung da für die DDR-Biografien der Ostdeutschen. Und auch für den großen Kraftakt, den die Wiedervereinigung allen Ostdeutschen abverlangt hat. Es muss nicht einfach gewesen sein, wenn das gesellschaftliche System und das staatliche Gefüge, in denen man Jahrzehnte gelebt hat, von heute auf morgen zusammenbrechen. Für diese schwierige Situation, in der sich die Menschen damals und noch lange Zeit danach befanden, fehlte auch manchmal die notwendige Empathie.
Der Kanzler der Einheit Helmut Kohl versprach in seiner Rede am Vorabend der Wiedervereinigung 1990 „blühende Landschaften“. Hat sich das erfüllt?
Ja, im Wesentlichen schon. Sehr vieles ist gelungen, auf was wir in Ost wie West stolz sein können. Das können Sie schon daran erkennen, dass auch in vielen Teilen Ostdeutschlands heute fast Vollbeschäftigung herrscht. Und Sie sehen das auch an der Infrastruktur. Was teilweise allerdings nicht gelungen ist, ist wirklich alle Menschen auf diesem erfolgreichen Weg mitzunehmen. Was wir aber nie vergessen dürfen: Das Entscheidende war die friedliche Revolution im Herbst 1989. Es scheint bis heute wie ein großes Wunder, für das wir alle dankbar sein müssen. Wenn wir heute die Mühen im Alltag beklagen, sollten wir uns wieder an diese großartige Leistung erinnern. Auf ein geeintes Deutschland hat gerade die Union schon seit Adenauer gehofft und immer darauf hingearbeitet.
Ein Grund für die großen Verluste der CDU ist der Vertrauensverlust vieler Wähler durch das Chaos in der Migrations- und Flüchtlingspolitik ab 2015....
Nach dieser schwierigen Situation im Herbst 2015 haben wir bei der Ordnung, Steuerung und Reduzierung der Migration einiges erreicht. Wo wir zugegebenermaßen noch Probleme haben, ist die Rückführung derjenigen, die nicht bleiben dürfen, in ihre Heimatländer. Zuletzt haben wir vor einigen Wochen acht Migrationsgesetze verabschiedet, die die Situation weiter verbessern werden, darunter auch Gesetze, die für bessere Abschiebemöglichkeiten sorgen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wichtige Maßnahmen zur Steuerung der Migration an den Grünen scheitern, nämlich an den Stimmen der von den Grünen mitregierten Bundesländer im Bundesrat. Ohne diese Stimmen gibt es dort keine Mehrheit. Die Grünen verhindern dort zum Beispiel die Ausweitung der drei Maghrebstaaten Tunesien, Algerien und Marokko sowie von Georgien als weitere sichere Herkunftsstaaten, was es leichter machen würde, nicht anerkannte Asylbewerber aus diesen Ländern abzuweisen.
FDP-Chef Christian Lindner fordert, die Migranten, die von Hilfsorganisationen im Mittelmeer aus ihren Booten gerettet werden, „wieder an den Ausgangspunkt ihrer Reise“ zurückzubringen - also an den Strand nach Libyen. Was halten Sie davon?
Dass man die Menschen retten muss und nicht ertrinken lassen darf, ist für uns selbstverständlich. Diese Menschen nach Libyen zurückzubringen, ist problematisch. In den libyschen Flüchtlingslagern herrscht eine fürchterliche Situation, mit Morden und Vergewaltigungen. Daneben ist der libysche Bürgerkrieg wieder mit aller Härte entbrannt. Es gibt also keine einfache Lösung. Hier kann es nur behutsame Einzelfallregelungen geben.
Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling bot umgekehrt an, zusätzliche Bootsflüchtlinge in seiner Stadt aufzunehmen. Was halten Sie davon?
Es ist schön, dass wir in Deutschland eine so große Menschlichkeit haben. Aber so einfach ist es nicht. Wenn Menschen aus einem Krieg oder vor groben Menschenrechtsverletzungen zu uns fliehen, sollten wir dazu stehen. Wir können aber nicht alle Menschen aufnehmen, die sagen, uns geht es wirtschaftlich zu Hause schlecht und deswegen möchten wir jetzt nach Deutschland. Das wird nicht funktionieren. Und deswegen müssen wir genau unterscheiden, warum jemand zu uns kommt.
Auch die Skepsis gegenüber der Klimapolitik scheint im Osten wesentlich höher als im Westen. Erst recht, seit die Kohlekommission verkündete, die ostdeutschen Braunkohlereviere bis 2038 stillzulegen.
Die Eckpunkte, die gesetzt wurden, sind richtig. Aufgabe der nächsten Jahre wird es sein, die wirtschaftlichen Folgen des Kohleausstiegs für die Fördergebiete - natürlich auch die im Osten – auszugleichen. Die Reviere in der Lausitz und in Mitteldeutschland brauchen Planungssicherheit. Wir kümmern uns darum, neue Betriebe und Verwaltungseinrichtungen als Ersatz in diesen Regionen anzusiedeln und die Verkehrsinfrastruktur dort zu verbessern.
Warum muss denn diese Energiewende so schnell gehen - koste es was es wolle?
Genau diese Frage spaltet Deutschland derzeit leider sehr. Den einen kann es mit der Energiewende nicht schnell genug gehen - die würden die Kohlekraftwerke am liebsten gleich in den nächsten drei oder vier Jahren abschalten. Die anderen kritisieren gerade dieses hohe Tempo. Wir sehen unsere Aufgabe als Union darin, hier für einen vernünftigen Ausgleich zu sorgen: Effektiv etwas gegen den Klimawandel tun, aber die Menschen dabei auch mitnehmen.
Zu den Sanktionen der EU gegen Russland gibt es im Osten ebenfalls große Skepsis, 55 Prozent aller Ostdeutschen sind dafür, diese zu beenden. Eine Forderung, die sich jetzt auch der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer zu eigen gemacht hat.
Wir müssen hier die Balance halten. Wir möchten auf der einen Seite den Gesprächsfaden mit Russland aufrechterhalten. Wir möchten auch weiterhin mit Russland eng wirtschaftlich zusammenarbeiten, denn auch das ist friedensfördernd. Auf der anderen Seite gibt es massive Verstöße der russischen Führung gegen völkerrechtliche Vereinbarungen. Hier müssen wir mit den Sanktionen Zeichen setzen, damit Grenzen nicht weiterhin überschritten werden. So wie wir das jetzt machen, ist das die richtige Balance. Ich kann nachvollziehen, dass sich Michael Kretschmer angesichts der engen wirtschaftlichen Beziehungen Sachsens zu Russland leicht anders positioniert. Es zeichnet unsere Volkspartei ja auch aus, dass man nicht in allen Dingen einer Meinung sein muss.
Michael Kretschmer versucht ganz klar, die CDU konservativer zu machen...
Wir sind eine Volkspartei, wir haben viele Konservative in unseren Reihen. Wir haben aber auch den Mittelstand und die christlich-demokratische Arbeitnehmerschaft. Es geht nicht darum, sich nach links oder rechts zu verschieben, sondern als Volkspartei in der ganzen Breite erhalten zu bleiben. Wir sind keine Einthemenpartei. Wir sind dazu da, gesamtgesellschaftliche Herausforderungen zu meistern. Wir sehen unsere Aufgabe darin Lösungen anzubieten, die von einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens mitgetragen werden. Unser großer gemeinsamer Kernpunkt ist, dieses Land vernünftig am Laufen zu halten. Alles so zu organisieren, dass es gut funktioniert. Der zweite Punkt ist, die Menschen in unserem Land in eine gute Zukunft zu führen, vom Lehrer in NRW bis zum Bergarbeiter in der Lausitz. Und zwar so, dass alle diesen Wandel auch mitmachen und sich nicht abgehängt fühlen. Und der dritte Punkt ist, unser Land zusammenzuhalten, überall nach gleichwertigen Lebensverhältnissen zu streben, ob in der Oberlausitz oder in Ostwestfalen.
Das komplette Interview ist am 25. Juli 2019 in der SuperIllu erschienen.