Peter Beyer: Der Transformationsprozess zur Kosovo-Army dauert länger als gedacht
Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der KFOR
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kosovo ist ein Land, das in der gesamten Region einzigartig ist. Es ist übrigens genauso einzigartig wie seine Menschen. Die Bevölkerung hat den jüngsten Altersdurchschnitt von allen Ländern in der gesamten Region, ja vielleicht sogar in der Europäischen Union. Dieser jüngste Staat Europas
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ist kein Staat!)
ist als Erstes von Deutschland als souveräner Staat anerkannt worden.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Rechtswidrig!)
Das ist sehr gut, das ist richtig. Nicht gut und nach wie vor nicht richtig ist allerdings, dass nach wie vor fünf Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Kosovo nicht als unabhängigen, souveränen Staat anerkannt haben. Ich appelliere wie in jeder meiner Reden zum Kosovo an diese Staaten, sich dazu zu bewegen, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken und das Kosovo endlich anzuerkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Da wird es schon genug Druck geben!)
Meine Damen und Herren, wie ist es nun heute um das Kosovo bestellt? Die Sicherheitslage ist fortschreitend stabil, was zu einem Gutteil auch der hervorragenden Arbeit der Soldatinnen und Soldaten von KFOR zu verdanken ist. Aber wir stellen fest: Die Lage ist auch fragil. Eben genau deshalb ist die Truppenpräsenz von KFOR nach wie vor erforderlich. KFOR leistet dort einen unverzichtbaren Beitrag zur Stabilisierung und zur Sicherheit der Region. Wir hatten vorhin schon vom Herrn Staatsminister gehört, dass es sich um den längsten Auslandseinsatz der Bundeswehr handelt. Seit 1999 sind wir dort im Einsatz – mit zeitweise bis zu 6 500 Soldatinnen und Soldaten. Heute sind es deutlich weniger.
An der Lage und unserer Aufgabe dort ändert auch die Schließung des Einsatzlazaretts in Prizren vom Grundsatz her nichts. Die Verlagerung des deutschen Engagements auf das NATO-Beratungs- und Verbindungsteam und damit auf die Beratung der kosovarischen Sicherheitskräfte, die wir jetzt vornehmen, ist eine inhaltliche, tendenzielle Verlagerung; aber sie ändert nichts an der Wichtigkeit und Richtigkeit unserer Präsenz dort.
Meine Damen und Herren, auch die Beibehaltung der Obergrenze von 800 Einsatzkräften unterstreicht das deutsche Bekenntnis zu den eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der NATO, gegenüber den Vereinten Nationen, ja, auch gegenüber dem Kosovo und gegenüber Serbien.
Wenn ich jetzt in letzter Zeit die Frage höre: „Lohnt es sich tatsächlich noch, die Beitrittsperspektive zur Europäischen Union aufrechtzuerhalten?“, dann antworte ich: Ja. Ich halte es für grob falsch, die Beitrittsperspektive, die wir im Jahre 2003 auf dem Gipfel von Thessaloniki gegeben haben, aufzugeben. Denn eine privilegierte Partnerschaft – so etwas wird vorgeschlagen – ist etwas, was nur derjenige als Argument vorbringen kann, der nicht verstanden hat, wie die Region funktioniert und welche Erfolge und Fortschritte es gibt. Wir stehen fest zu den gemachten Beitrittsperspektiven, meine Damen und Herren.
Ein Grund für die Verlängerung des Mandats ist auch, dass es immer noch keine Kosovo-Armee gibt. Der Transformationsprozess von der Kosovo Security Force hin zu einer Kosovo-Army dauert länger als ursprünglich gedacht.
Ein anderer Grund ist auch noch wichtig, um zu verstehen, warum es richtig ist, dass KFOR vor Ort noch gebraucht wird: der Einfluss dritter Akteure, insbesondere der Einfluss Russlands in der Region. Ein Beispiel: Das sogenannte russisch-serbische humanitäre Zentrum, das in der serbischen Stadt Nis, weniger als 100 Kilometer von der kosovarischen Hauptstadt Pristina entfernt, entstanden ist, wird sozusagen als Gegengewicht zur KFOR-Präsenz gesehen. Bei meinen Freundinnen und Freunden in Washington höre ich verstärkt Stimmen, die eine permanente Militärpräsenz im Kosovo in Betracht ziehen.
Meine Damen und Herren, jedem muss klar sein, jeder muss wissen, dass eine überbotmäßige Reduzierung der Truppenpräsenz, zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls, zu früh käme und damit gefährlich wäre. Das würde die bereits existierenden Spannungen in der Bevölkerung des Kosovo aufbrechen lassen und auch dem naheliegenden Einfluss Russlands ein offenes Feld überlassen. Das kann nicht in unserem Interesse sein, meine Damen und Herren.
Ich werbe genauso wie meine CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Verlängerung des Mandats, und ich danke ich Ihnen herzlich dafür, wenn Sie dabei mitmachen.
(Beifall bei der CDU/CSU)