Alexander Dobrindt: Wir wählen den Fortschritt
Rede in der Generaldebatte Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt zum Einzelplan 04
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Ja, es ist in der Tat so: Die doppelte Herausforderung dieser Zeit heißt: Klimawandel bekämpfen und Konjunktur und Wirtschaft stützen. Das ist das, was wir zusammendenken. Da meinen manche ja, das sei ein unauflösbarer Gegensatz. Nein, wir glauben, es ist sogar eine doppelte Chance, wenn wir Klima und Konjunktur zu einem Zukunftspaket für Deutschland mit dem klaren Ziel zusammenführen: mehr wirtschaftliches Wachstum bei weniger CO2. Dann haben wir die Herausforderung im Griff, um die es sich in den nächsten Monaten dreht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es hat hier ja einige Beiträge gegeben, in denen eine sehr einfache Lösung dafür präsentiert wurde, wenn man auf der einen Seite sehr viel in den Klimaschutz investieren und auf der anderen Seite Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft ergreifen wolle. Diese ganz einfache Lösung hieß Staatsverschuldung. Die einfache Antwort auf die Probleme unserer Zeit: Staatsverschuldung!
Der Chefökonom von Verdi hat beispielsweise diese Woche verkündet, dass die 100-Euro-Scheine auf der Straße lägen und man sie nur aufheben müsse. Meine Damen und Herren, wer die Staatsverschuldung hochtreibt, der sammelt kein Geld von der Straße, sondern der klaut es den nächsten Generationen. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Johannes Kahrs [SPD])
Übrigens sei an dieser Stelle der Hinweis erlaubt: Das sind genau die Rezepte der Vergangenheit. Das sind die Rezepte, die uns in eine europäische Schuldenkrise hineingeführt haben.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)
Damals waren die Zinsen niedrig und die Ausgabenwünsche der Politik riesengroß. Das Ergebnis ist doch bekannt. Das lief nach dem Motto „heute billige Schulden machen, morgen teuer zurückzahlen“. – Das ist weder ökonomisch klug noch politisch verantwortungsvoll, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Schlimme dabei ist, dass manche aus der Euro-Schuldenkrise offensichtlich überhaupt nichts gelernt haben. Das zeigt ein Blick auf die Wortmeldungen dieser Woche: Der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, hat gesagt, er will pro Jahr 35 Milliarden Euro neue Schulden in Deutschland machen und dafür sogar das Grundgesetz ändern. Liebe Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Sie haben das dann vorhin „Schuldenbremse reformieren“ genannt. Das Grundgesetz zu ändern, nennen Sie „Schuldenbremse reformieren“.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, hat sie nicht! Da haben Sie nicht zugehört!)
Ich sage Ihnen, was Sie eigentlich wollen: Sie wollen unter dem Deckmantel der grünen Politik den Haushalt in rote Zahlen treiben. Das ist Ihr eigentliches Ziel.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Christian Lindner [FDP] Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht verstanden!)
Das werden wir übrigens nicht tun, weil wir genau für Politiker wie Sie mit solchen Ideen die Schuldenbremse ins Grundgesetz hineingeschrieben haben. Deswegen ändern wir sie an dieser Stelle nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
Nein, ich erlaube keine.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das trauen Sie sich nicht! Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verstehe ich nicht! Keine Zwischenfragen?)
Ich will in dem Zusammenhang auf das eingehen, was Sie vorhin angesprochen haben, Frau Göring-Eckardt. Sie haben sinngemäß gesagt: Landwirtschaft zerstört die Landschaft.
(Christian Lindner [FDP]: So ist es!)
Also, die Landwirtschaft, die seit Jahrhunderten die Kulturlandschaft in Deutschland erst ermöglicht und gepflegt hat, zerstört Ihrer Meinung nach die Landschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lindner [FDP]: Die Windräder!)
Die Frau Bundeskanzlerin hat vorhin von der Arroganz gegenüber den ländlichen Räumen gesprochen. Sie haben diese Arroganz hier im Deutschen Bundestag eindrucksvoll zur Schau gestellt mit Ihrer Verunglimpfung eines ganzen Berufsstands.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Entlastungen der Bürger, Investitionen in die Wirtschaft, die schwarze Null: Das alles ist kein Widerspruch; (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Doch!)
es ist eine Frage der politischen Schwerpunkte. Wir halten die schwarze Null.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Die schwarze Null ist ökonomischer Unsinn!)
Wir entlasten die Menschen mit über 13 Milliarden Euro. Wir investieren in Infrastruktur und vieles andere mehr. Das ist alles im Sinne von Generationengerechtigkeit: Sicherheit, Klimaschutz, Infrastrukturinvestitionen, die übrigens gerade von unseren Ministerien der CSU maßgeblich mit besetzt werden.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: „Investitionshochlauf“ müssen Sie jetzt noch sagen, Ihr Standardwort!)
Die Verkehrsinvestitionen von Andi Scheuer sind auf Rekordniveau. Die innere Sicherheit wurde deutlich gestärkt mit über 1 000 Stellen, auch bei der Bundespolizei. Der Entwicklungshilfeetat von Minister Müller wurde erstmals über die 10-Milliarden-Euro-Grenze gebracht.
Ja, wir wollen auch mehr in die Verteidigung investieren. Dietmar Bartsch hat hier noch mal darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung viel zu viel für Verteidigung ausgebe.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Recht hat er! – Weitere Zurufe von der LINKEN)
Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist richtig. Wir sind in einem Bündnis eine Verpflichtung eingegangen, haben Zusagen über die 2 Prozent gemacht und wollen ein Zwischenziel von 1,5 Prozent erreichen. Das werden wir in den Haushaltsberatungen auch weiterverfolgen, damit dies möglich ist.
Ich sage Ihnen an dieser Stelle, meine Damen und Herren von den Linken: Ja, wir wollen Verantwortung in der Welt übernehmen. Wer Verantwortung in der Welt übernehmen will, der muss erst einmal sagen, dass er seine Soldaten unterstützen will. Dazu gehört, dass sie die bestmögliche Ausstattung von uns bekommen und hier nicht einfach so dargestellt werden, als würden sie Geld verschwenden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ich habe die zwei großen Herausforderungen, die parallel existieren, mit Klimawandel bekämpfen“ und
„Konjunktur und Wirtschaft stützen“ beschrieben. Es gibt den einen oder anderen, der jetzt ruft: „Kümmert euch erst mal nur ums Klima und nicht so sehr um die Wirtschaft!“, und es gibt andere, die sagen: „Kümmert euch doch einfach mal um die Wirtschaft und die Konjunktur und vergesst den Klimaschutz! Der ist ja ein Wirtschaftskiller.“
Liebe Frau Weidel, Sie haben gesagt, es handele sich um „Klimaschutzwahn“ in unseren Debatten und Beiträgen hier.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Genau!)
Ich glaube, dass Sie damit sehr deutlich belegt haben, dass Sie sich mit bürgerlich-konservativer Politik mehr als nur schwertun und damit in Wahrheit nichts anfangen können. Die Bewahrung der Schöpfung ist gerade der Nukleus der bürgerlich-konservativen Politik und kein Wahn. Deswegen schützen wir das Klima, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir es schaffen, jetzt auch in den Verhandlungen bis zum Klimakabinett am 20. September dafür zu sorgen, dass wir eine vernünftige Kombination von Konjunkturmaßnahmen, Maßnahmen für Wirtschaftsförderung und Klimaschutz zusammenbringen, dann haben wir mit diesem Zukunftspaket auch eine echte Chance auf ein ökologisches Wirtschaftswunder in unserem Land.
Wir waren in der Vergangenheit auch immer die Marktführer, wenn es um Green Technology ging. Wir waren auch immer die Marktführer, wenn es um neue Technologien im Bereich der Energie ging. Wir haben die Energiewende bewusst gestaltet. Wir sind heute so weit, dass wir bei den erneuerbaren Energien unsere Ziele für 2020 eindeutig erfüllen, sogar übererfüllen. Das haben wir nicht geschafft, indem wir ein Verbot für konventionellen Strom ausgesprochen haben, sondern indem wir auf erneuerbare Energien und Innovationen gesetzt haben und sie gefördert haben. Wir sorgen für Innovation. Das ist der Fortschrittsmotor. Verbote sind nur Stillstand. Deswegen wählen wir den Fortschritt.
Da wollen wir die Menschen mitnehmen. Das geht nicht einfach mit einer CO2-Steuer, die alles nur verteuert. Wir wollen keine Entscheidungen treffen, die nur dazu führen, dass der Spritpreis an der Zapfsäule steigt. Wir wollen, dass die Menschen dabei sind, wenn es um Klimaschutz geht. Deswegen darf Klimaschutz nicht die neue soziale Frage werden, sondern Klimaschutz muss die Innovationsfrage sein in diesem Land, bei der alle Menschen mitgenommen werden, meine Damen und Herren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)