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Soldat von hinten beim Bundeswehr Gelöbnis
(Quelle: CDU/CSU-Bundestagsfraktion/Michael Wittig)

Die Bundeswehr muss attraktiver werden

Eine kriegstüchtige Armee braucht mehr Soldaten

von Serap Güler

Mehr als zwei Jahre ist es her, dass der Bundeskanzler die Zeitenwende ausgerufen hat. Seitdem führen wir Debatten darüber, wie wir die Bundeswehr zu einer kriegstüchtigen und verteidigungsbereiten Armee umbauen. Wir diskutieren darüber, wie wir das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erreichen, und darüber, was wir an Rüstung und Ausrüstung brauchen, damit die Bundeswehr einsatzbereit ist. Nicht vernachlässigen sollten wir aber die Fragen: Wie können wir genug Personal rekrutieren? Wie wird die Truppe attraktiv für den Nachwuchs?

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur viel Leid über die Menschen dort gebracht. Er hat uns allen auch die Augen geöffnet, wie es um die Sicherheitslage in Europa und der Welt wirklich bestellt ist. Höchste Zeit also, dass wir die Zeitenwende in den Köpfen vollziehen – sowohl in denen der Politikerinnen und Politiker als auch in denen der Bürgerinnen und Bürger. 

Das fällt vielleicht nicht auf Anhieb leicht, denn nach dem Fall des Eisernen Vorhangs haben wir bereitwillig die Friedensdividende eingestrichen, haben die Bundeswehr verkleinert und die Wehrpflicht ausgesetzt. Letzteres bedeutet allerdings, dass junge Menschen nicht mehr automatisch in Kontakt mit der Bundeswehr kommen. Sie müssen sich nicht mehr mit dem Gedanken auseinandersetzen, ob sie ihrem Land dienen wollen, notfalls auch mit der Waffe in der Hand. 

Deshalb muss die Bundeswehr aktiv darum werben, geeignete Männer und Frauen zu finden, die genau diesen Dienst an ihrem Land leisten wollen. Auf dem Arbeitsmarkt konkurriert sie dabei mit anderen Arbeitgebern um engagiertes Personal. Wie schwierig die Rekrutierung sich gestaltet, zeigt die Tatsache, dass die Zahl der Soldatinnen und Soldaten in diesem Jahr gesunken ist – wohlgemerkt mitten in der Zeitenwende. Gleichzeitig schließt sich das Zeitfenster für die Wende in den Köpfen. Denn die Menschen treiben inzwischen andere Sorgen um, die zwar teils Auswirkungen des Krieges sind, aber mit Fragen der militärischen Sicherheit nicht direkt in Verbindung gebracht werden: nämlich Inflation, Energieknappheit und die Migrationskrise.

Auch wenn Soldatsein kein Beruf ist wie jeder andere: Dass der Einsatz für unsere Demokratie eine packende, eine erfüllende Aufgabe ist, eine, für die es sich zu kämpfen lohnt, davon konnte ich mich kürzlich nochmals persönlich überzeugen. Im September habe ich eine Woche als Frau Oberleutnant Güler an einer Informationsveranstaltung der Infanterieschule in Hammelburg teilgenommen. Von Märschen über den Häuserkampf und die Infanteriekampfbahn bis hin zum scharfen Schuss mit dem G36 – zwar haben wir Zivilisten nur einen sehr kleinen Ausschnitt des Truppenalltags gesehen, aber doch am eigenen Leib miterleben können, wie viel Soldatinnen und Soldaten leisten. Wie sie sich fühlen, wenn es um sie herum explodiert, wenn verwundete Kameraden auf dem Boden liegen. Vor allem aber habe ich gespürt, wie schnell der gemeinsame Einsatz in Uniform zu der Art von Kameradschaft führt, von der immer die Rede ist.

Die Vielseitigkeit des Dienstes in der Bundeswehr und die Kameradschaft in der Truppe sind es, die wir endlich wieder in den Vordergrund rücken müssen, wenn wir neues Personal gewinnen wollen. Und das müssen wir, damit die Bundeswehr Deutschland und das Bündnisgebiet im Ernstfall verteidigen kann. Zielmarke des Bundesverteidigungsministeriums ist es, in naher Zukunft 203.000 Männer und Frauen im Militärdienst zu beschäftigen. Soll das gelingen, muss an mehreren Stellschrauben gedreht werden.

Erstens muss die Bundeswehr in einschlägigen Jobportalen im Netz präsent sein. Sie muss in den Innenstädten und in den Regionen für sich werben. Auch an den Schulen muss sich die Bundeswehr präsentieren, etwa indem Jugendoffiziere den Unterricht besuchen. Und sie muss sich stärker öffnen für Quer- sowie Wiedereinsteiger. 

Zweitens ist es notwendig zu analysieren, warum so viele Rekruten in den ersten Monaten schon die Ausbildung abbrechen. Denn nur, wenn wir die Gründe kennen, können wir diesem Phänomen entgegenwirken. Eines liegt auf der Hand: Wenn wir die jungen Soldaten bei der Truppe halten wollen, sollten wir bei Versetzungen berücksichtigen, wo sie herkommen, wo sie ihre familiäre Bindungen haben oder wo sie gerne ihren Dienst ableisten würden.

Drittens muss der Dienst als Reservist attraktiver werden. Für Reservisten sollten wir mehr Lehrgänge anbieten und bei den Lehrgangszeiten flexibler sein. Auch sollten wir darüber nachdenken, ob wir in Krisenzeiten die Arbeitgeber nicht künftig dazu verpflichten, einen Reservisten für eine Reservedienstleistung freizustellen. 

Nicht zuletzt ist die gesellschaftliche Wertschätzung für den Beruf des Soldaten unerlässlich. Wir dürfen nicht unterschätzen, wie wichtig es für die Männer und Frauen in Uniform ist, von der Gesellschaft getragen zu werden. Denn sie repräsentieren diese Gesellschaft nicht nur, sondern sie würden zu deren Schutz im Ernstfall ihr Leben opfern.

Das soziale Gesellschaftsjahr, für das ich mich einsetze, kann ein Puzzlestück sein, um das Bewusstsein der Menschen für ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu schärfen. Alle jungen Menschen sollten sich einmal in ihrem Leben damit auseinandersetzen, auf welche Weise sie der Allgemeinheit etwas zurückzugeben können. Auch die Bundeswehr könnte Nachwuchskräfte unter denjenigen finden, die ihr Gesellschaftsjahr bei der Truppe leisten. Dies wäre ein Bindeglied zwischen Gesamtbevölkerung und Truppe. Das Verständnis für die Bundeswehr würde automatisch wachsen.

 

Aus: Printausgabe Fraktion Direkt | März 2024

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