Energiepreispauschale kommt für die einkommensschwächsten Haushalte zu spät
Anhörung bestätigt erhebliche Probleme bei der Auszahlung
Am heutigen Montag fand die öffentliche Anhörung zum Steuerentlastungsgesetz 2020 statt. Dazu erklären die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, sowie der zuständige Berichterstatter, Olav Gutting:
„Bei der geplanten Auszahlung der Energiepreispauschale besteht noch eine Vielzahl von Problemen. Dies haben auch die Sachverständigen in der heutigen Anhörung weit überwiegend bestätigt:
1. Rentnerinnen und Rentner erhalten grundsätzlich keine Energiepreispauschale:
Die Ampel begründet dies mit ‚kurzfristig und drastisch gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen‘ für Erwerbstätige.
Diese Begründung überzeugt nicht, weil auch alle Berufstätigen die Pauschale erhalten, die in Laufnähe von ihrem Arbeitsplatz entfernt wohnen. Im Koalitionsbeschluss vom 24. März 2022 hieß es noch, dass die Pauschale ‚weitere Härten im Bereich der Energiepreise abfedern‘ solle.
2. Missbrauch vorprogrammiert: Bis September bleibt noch viel Zeit, sich ebenfalls einen Auszahlungsanspruch zu sichern: Es reicht aus, dass zum Beispiel ein Rentner einmal im Jahr 2022 eine Stunde auf seinen Enkel aufpasst und dafür von seinen Kindern 12 EUR Mindestlohn erhält. Das gilt natürlich auch für jeden Vermieter, der von seinen Immobilien lebt oder jeden Großaktionär, der von seinen Investments lebt.
3. Die Energiepreispauschale kommt zu spät: Der Anspruch zur Auszahlung der 300 EUR entsteht erst zum 1. September 2022. Da hat die nächste Heizsaison bereits begonnen.
4. Minijobber erhalten die Energiepreispauschale nicht vor Mai 2023: Minijobber in privaten Haushalten erhalten die Energiepreispauschale noch später. Sie müssen laut der Ampel-Pläne eine Steuererklärung abgeben, typischerweise zum ersten Mal. Sie werden in die Veranlagung gezwungen. Deshalb könnten viele geringfügig Beschäftigte sie auch nicht bekommen. 2020 gab es etwa viereinhalb Millionen Minijobber in Deutschland. Typischerweise trifft es Frauen, da 87% der Minijobber in privaten Haushalten Frauen sind und als Reinigungskräfte oder Babysitter arbeiten.
Auch ist die Abgabe der Steuererklärung grundsätzlich erst nach dem 31. Dezember 2022 möglich. Jedoch können die Finanzämter mit der Bearbeitung der Steuererklärungen typischerweise nicht vor Mitte März beginnen. Die Bearbeitungszeit einer Steuererklärung dauert circa acht Wochen.
5. Einkommensschwache Selbständige erhalten die volle Energiepreispauschale auch erst Mitte Mai 2023: Grundsätzlich sollen Selbständige die Energiepreispauschale auch im September erhalten. Reicht die Einkommensteuervorauszahlung jedoch nicht aus, so müssen die Selbständigen ebenfalls eine Steuererklärung abgeben und erhalten den vollen Betrag erst circa Mitte Mai 2023. Von den ca. vier Millionen Selbständigen sind rund 2,23 Millionen Solo-Selbständige mit zum Teil geringen Einkünften und geringen Steuervorauszahlungen.
6. Viele Arbeitgeber müssen Energiepreispauschale vorstrecken: Arbeitgeber verrechnen die Energiepreispauschale mit der Lohnsteuer, die sie für den Arbeitnehmer an den Fiskus abführen. Reicht die Lohnsteuerschuld in einem Monat nicht aus, wird dem Arbeitgeber die Lohnsteuer vom Finanzamt erstattet. In Deutschland verdienen ca. 50 % der Arbeitnehmer weniger als 2.500 EUR brutto im Monat und zahlen weniger als 300 EUR Lohnsteuer im Monat. Wann die ausbezahlte Energiepreispauschale erstattet wird, ist unklar.
7. Ministerium rechnet mit außerordentlichem Umsetzungsaufwand: Laut Entwurf: ‚.. ist mit einmaligen, sehr umfangreichen Mehrbelastungen durch zusätzliche Veranlagungen auch durch entsprechende Gestaltungen, sowie vermehrte Anfragen und ggf. Rechtsbehelfe zu rechnen. Diese Mehraufwände sind nicht quantifizierbar. Auch hinsichtlich des Verfahrens der Festsetzung der Vorauszahlungen ggf. durch gesonderte Bescheide ist zum jetzigen Zeitpunkt keine Quantifizierung möglich.
Zur Festsetzung und Auszahlung der Energiepreispauschale nach §§ 115 ff. EStG entsteht für die IT-Umsetzung in der Steuerverwaltung der Länder einmaliger Umstellungsaufwand der derzeit nicht bezifferbar ist. Da für diesen Aufwand weder eine haushalterische Vorsorge getroffen wurde, noch eine Berücksichtigung in den Planungen für die betroffenen IT-Verfahren erfolgen konnte, wird eine Umsetzung nur zu Lasten anderer, ebenfalls prioritärer Aufgaben möglich sein.‘
Die Auszahlung von 300 EUR führt auch zu unverhältnismäßigen Bürokratiekosten für Unternehmen. Schon die Verwaltung kann nicht genau vorhersagen, wie groß der Umsetzungsaufwand ist. Das gilt erst recht für die Arbeitgeber: Sie müssen die Lohnsteuervorauszahlungen von 40 Millionen Arbeitnehmern anpassen, die geänderten Vorauszahlungsbescheide prüfen und kommen gegebenenfalls in Liquiditätsschwierigkeiten.“