Ingo Wellenreuther: "Europaweit soll ein zweistufiges Gewährleistungsrecht eingeführt werden"
Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute Nacht einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie aus dem Jahre 2019. Zusammen mit der sogenannten Digitale-Inhalte-Richtlinie ersetzt sie die noch geltende Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und ergänzt sie die Verbraucherrechterichtlinie aus dem Jahre 2011. Sie ist bis zum 1. Juli in deutsches Recht umzusetzen und ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden.
Ziel der Richtlinie ist es, die Gewährleistungsrechte von Verbrauchern zu verbessern und europaweit zu harmonisieren. Außerdem sollen grenzüberschreitende Hindernisse im Handel zwischen Verkäufer und Verbraucher innerhalb der EU beseitigt werden. Zudem soll die Lebensdauer von Kaufgegenständen mit digitalen Elementen verlängert werden. Dies ist aus ökologischen Gründen zu begrüßen und passt auch zu den Prinzipien der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie.
Worum geht es im Wesentlichen? Zunächst soll europaweit ein zweistufiges Gewährleistungsrecht für den Warenkauf eingeführt werden. Dies haben wir bereits in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch; das brauchen wir nicht mehr zu machen. Umsetzungsrelevant für den deutschen Gesetzgeber sind aber folgende Regelungen:
Der Begriff des Sachmangels soll neu gefasst werden. Ein zwischen den Parteien vereinbarter Zustand des Kaufgegenstandes soll keinen Vorrang mehr vor objektiven Beschaffenheitskriterien haben. Davon soll nur mit dem ausdrücklichen gesonderten Einverständnis des Verbrauchers abgewichen werden können. Eine Aktualisierungsverpflichtung soll den Verbraucher dazu berechtigen, bei Kaufgegenständen mit digitalen Elementen Updates einzufordern. Darüber soll der Verkäufer rechtzeitig informieren. Damit soll auch verhindert werden, dass sich Kunden nur deshalb ein neues Gerät kaufen, weil der Elektronikteil technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand ist.
Die Geltung der Beweislastumkehr soll von sechs auf zwölf Monate verlängert werden. Bei digitalen Bestandteilen der Kaufsache, die dauerhaft zur Verfügung gestellt werden, soll die Beweislastumkehr sogar während des gesamten Bereitstellungszeitraumes gelten. Und letztlich: Gewährleistungsansprüche sollen weiterhin nach zwei Jahren verjähren.
Was sagen die Marktteilnehmer dazu? Die Verbraucherverbände sind mit dem Entwurf nicht unzufrieden. Ihnen geht die Umsetzung nur nicht weit genug, sie fordern, die Geltung der Beweislastumkehr auf zwei Jahre und die Gewährleistungsfristen – insbesondere bei langlebigen Produkten – auf drei Jahre zu verlängern. Manche wünschen sich zudem eine gesetzliche Unterscheidung zwischen dem Verkauf von gebrauchten und von neuen Sachen.
Der Handel ist in weiten Teilen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einverstanden. Änderungsbedarf sieht er darin, dass im Rahmen der Aktualisierungspflicht dem Verbraucher ein Anspruch auf Updates nicht nur gegenüber dem Verkäufer, sondern zusätzlich auch gegenüber dem Hersteller zustehen soll und dass die zweijährige Verjährung von Ansprüchen im Zusammenhang mit Mängeln an digitalen Elementen nicht erst mit Ablauf des Aktualisierungszeitraumes zu laufen beginnen soll.
Der Bundesrat empfiehlt längere Gewährleistungsfristen; diese sollen an die Lebensdauer der jeweiligen Produkte angepasst werden. Er möchte eine Verlängerung der Geltungsdauer der Beweislastumkehr auf zwei Jahre; dies würde nach seiner Auffassung für die Hersteller einen Anreiz schaffen, langlebigere Produkte herzustellen, und würde die Bereitschaft von Verbrauchern steigern, ihre Rechte im Streitfall auch durchzusetzen. Bei Kaufverträgen mit Montageanteil empfiehlt er, die Formulierungen zu den Montageanforderungen im Gesetz klarer zu fassen. Und, letztlich: Der Bundesrat kritisiert den späten Beginn der Verjährungsfrist bei Mängeln an den digitalen Elementen der Kaufsache.
Die Pferdezuchtverbände fordern – Bezug nehmend auf eine Öffnungsklausel in der Richtlinie –, dass lebende Tiere ganz vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen sind, jedenfalls die Beweislastumkehr beim Pferdekauf aufzuheben ist, wenigstens aber keine Verlängerung der Beweislastumkehr erfolgt, weil dies eine weitere rechtliche Benachteiligung für Züchter und Verkäufer darstelle.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
– Die Pferdefreunde!
Alles in allem ist festzustellen, dass der bisherige Gesetzentwurf eine gelungene Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie in deutsches Recht darstellt, mit der sich in den nächsten Wochen gut arbeiten lässt. Bei der einen oder anderen Umsetzung besteht sicherlich noch Verbesserungsbedarf. Insoweit erwarte ich mir da wichtige Erkenntnisse von der Sachverständigenanhörung Anfang Mai.
Ziel muss jedenfalls sein, dass die gesetzliche Umsetzung der Richtlinie einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des Handels bzw. der Verkäuferseite und den Interessen des Verbraucherschutzes herstellt. Gleichzeitig sind umweltrelevante Auswirkungen mit in den Blick zu nehmen und die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages zu beachten, der eine Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen Richtlinien in deutsches Recht vorsieht.
Ich freue mich auf die weiteren Beratungen, meine Damen und Herren – aber dann zu den in Mitteleuropa üblichen Arbeitszeiten.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)