Carsten Müller: "Wir sind konfrontiert mit einer krisenhaften Situation nie dagewesenen Ausmaßes"
Aktuelle Stunde | Kurswechsel in der Corona-Politik
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aktuelle Stunde – beantragt von der AfD; diese sucht nach alternativen Lösungen. Ehrlich gesagt, sollte sie erst mal nach ihrem eigenen Weg suchen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Uwe Witt [AfD]: Genau! Wir haben ihn aber schon gefunden!)
Vor ziemlich genau einem Jahr konnten wir von der Fraktionsvorsitzenden lesen, dass die Bundesregierung die Bedrohung durch die Coronapandemie angeblich herunterspielt.
(Karsten Hilse [AfD]: Ja! Sie haben sie ausgelacht!)
Das war schon großer Unsinn.
(Karsten Hilse [AfD]: Ausgelacht haben Sie sie!)
Kurz danach hat Ihr Parteivorsitzender Meuthen – ich glaube, er ist es gerade noch – gesagt: Lockdown sofort! Muss ganz schnell gehen! – Wenige Tage später hörten wir wieder von Ihrer Fraktionsvorsitzenden: Lockdown sofort beenden!
(Zuruf des Abg. Uwe Witt [AfD])
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Sie diskreditieren hier die Impfung. Dabei finde ich es bemerkenswert – wir hatten es beim letzten Mal schon angesprochen –: Ihr Fraktionsvorsitzender im Landtag von Nordrhein-Westfalen
(Uwe Witt [AfD]: Au! Laschet!)
hat nichts Eiligeres zu tun, als sich beim Impftermin vorzudrängeln. Er hat nicht nur sich, sondern auch noch seine Ehefrau und seinen 16-jährigen Sohn, den er mit hereingeschummelt hat, impfen lassen.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Und die Schwiegermutter!)
Das, meine Damen und Herren, ist der alternative Ansatz der sogenannten Alternative. Das ist eine denkbar schlechte Alternative.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir sind konfrontiert mit einer krisenhaften Situation nie dagewesenen Ausmaßes,
(Dr. Harald Weyel [AfD]: Der Maskendealer! – Weitere Zurufe von der AfD – Gegenruf der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Wir wollen hier zuhören!)
und die Bundesregierung hat die Herausforderung angenommen. Wir haben gemeinsam mit der Bundesregierung und in recht großer Übereinstimmung in diesem Hause beispiellose Hilfsmittel auf den Weg gebracht bzw. zur Verfügung gestellt. Wir sind dazu in der Lage gewesen, weil wir durch eine kluge und vorausschauende Haushaltspolitik finanziell bestens gerüstet waren. Wir sind nach wie vor – Stand heute – substanziell unter dem Verschuldungsgrad, den die Bundesrepublik nach der Finanzkrise hatte. Das zeigt, wie gesund unsere Wirtschaft ist. Wir wollen, dass das so bleibt, und stellen eben diese Mittel zur Verfügung. Wer das nicht glaubt, hat hoffentlich die Möglichkeit, die Erörterungen nachzuvollziehen, die gestern im Wirtschaftsausschuss stattfanden. Der Ökonom Lars Feld hat es dort eindrucksvoll dargestellt. Meine Damen und Herren, das ist die Basis für unser Handeln.
Ich will aber auch darüber sprechen, dass es Fehler und Unzulänglichkeiten gegeben hat; denn das ist das, was die Bevölkerung interessiert. Da geht es darum, dass man sich zu diesen Fehlern bekennt, sie einräumt und idealerweise schnellstmöglich korrigiert. Das ist gestern beispielsweise durch die Bundeskanzlerin geschehen. Ich fand es auch ganz interessant, dass 16 Ministerpräsidenten in relativ kurzer Zeitfolge, aber erst danach dasselbe gemacht haben. Richtig so! Fehler müssen schnellstmöglich korrigiert werden.
Ich will aber auch weitere Unzulänglichkeiten ansprechen. Im Übrigen sind diese Unzulänglichkeiten nicht nur von der Bundesregierung zu verantworten, sondern sie ziehen sich durch die gesamte Landschaft. Ich will hier einige, die ich selber erlebt habe, nennen:
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Ich halte es, ehrlich gesagt, für ein bisschen abenteuerlich, dass, wenn wie in meiner Heimatregion Testzentren auch durch Privatinitiative aufgebaut werden sollen – wir wollen testen, testen, testen, damit wir zu Öffnungsschritten zurückkommen können –
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Was ist denn Ihre Heimatregion?)
– das können Sie an meinem Namen „Carsten Müller (Braunschweig)“ nachlesen; empfehle ich Ihnen sowieso sehr; die Region ist übrigens SPD-geführt –, die Stadtverwaltung denjenigen, die diese Testzentren etablieren wollen, entgegenhält, dass bei der Einrichtung stadtgestalterische Bedenken bestehen. Kann doch wohl nicht wahr sein! Das geht doch nicht in einer solch krisenhaften Situation.
Genauso ist es, ehrlich gesagt, bei der Impfterminorganisation. Im Land Niedersachsen ist es zum Verzweifeln, wenn man einen Termin verlegen muss. Da landet man über viereinhalb Tage lang bei einer nicht erreichbaren Telefonnummer. Es ist der Landesregierung, es ist dem Gesundheitsministerium in Hannover nicht möglich, eine E-Mail-Erreichbarkeit zu gewährleisten. Dann darf man sich eben nicht wundern, wenn an manchen Tagen an die 200 Impftermine nicht wahrgenommen werden. Das können wir uns in dieser Situation nicht leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend einen Impfturbo. Hier muss mehr geleistet werden.
Ich will zum Schluss noch eine Sache ansprechen, die mir gestern den Atem verschlagen hat. Wir mussten hören, dass das Unternehmen AstraZeneca 29 Millionen Impfdosen in Italien gebunkert hat – in der EU produziert. Es gibt kein Exportverbot, möglicherweise muss man darüber nachdenken. Und die sind dann gestern aufgetan worden. AstraZeneca, das ist genau dasselbe Unternehmen, das die EU und uns wissen lässt, dass es seinen eingegangenen Lieferverpflichtungen für Impfdosen nicht nachkommen kann und will, weil es Verzögerungen in der Produktion gibt – angeblich. Glatt gelogen! Ich wünsche mir und ich erwarte, dass die EU-Kommission und die Bundesregierung mit aller Konsequenz solchem Schindluder Einhalt gebieten, meine Damen und Herren. Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Nur wenn wir die Unzulänglichkeiten beherzt abstellen, bekommen wir ihr Vertrauen zurück.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)