Jana Schimke: "Lassen Sie uns die Prioritäten richtig setzen"
Steuergelder gegen Missbrauch durch Konzerne schützen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, nach einem Jahr Corona und mehrfachen Lockdowns sollten wir uns gut überlegen, wofür wir Geld ausgeben, wo wir soziale Unterstützung leisten, und vor allen Dingen, wie wir mit den Beitragsgeldern der Versicherten in diesem Land umgehen. Wenn eines klar ist – das habe ich bereits in der ersten Debatte zum Thema Mindestkurzarbeitergeld hier in dieser Runde deutlich gemacht –, dann das, dass gerade die Coronakrise gezeigt hat, dass unser Sozialstaat funktioniert.
Wir haben inzwischen in der letzten Sitzungswoche das dritte Sozialschutzpaket auf den Weg gebracht. Wir haben Bedürftigen, wir haben Menschen, die Hartz-IV-Leistungen beziehen, mehrere Einmalzahlungen zukommen lassen für Kinder, aber auch für Hartz-IV-Empfänger selbst. Wir haben den erleichterten Zugang zu Hartz IV geschaffen, der insbesondere für die vielen Selbstständigen in unserem Land gedacht ist, die zurzeit keine Einkünfte erzielen. Die Geltungsdauer für diesen leichteren Zugang haben wir noch einmal verlängert. Was mir besonders gut gefällt – das ist nicht Gegenstand des Sozialschutzpaketes, aber eine ganz wichtige Maßnahme unserer Bundesagentur für Arbeit –, ist, dass Bedürftigen dort noch einmal 350 Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, um Kindern beispielsweise ein Tablet zu besorgen, um das Homeschooling gewuppt zu bekommen.
Also, es ist eine Menge passiert in den letzten Monaten, auch an sozialen Leistungen. Ich glaube, wir haben sehr gut deutlich gemacht, dass wir Sozialpolitik können, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Man darf an dieser Stelle auch eines sagen – weil es beim Thema Mindestkurzarbeitergeld um Menschen mit geringem Einkommen geht; ich habe damals schon darauf hingewiesen –: Unser Sozialstaat funktioniert auch hier. Denn jemand, der in die Bedürftigkeit gerät, tut das, was alle anderen Menschen in diesem Land auch tun, die bedürftig sind: Der geht zum Sozialamt und beantragt dort Leistungen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das tun sie nicht!)
Niemand sagt, dass das angenehm ist, niemand sagt, dass das schön ist. Aber in diesem Fall, wo Ihr Vorschlag mit einem Mindestkurzarbeitergeld ansetzen soll, haben wir die klassische Aufstockung. Jeder Mensch, der bedürftig ist, der in diese Situation gerät, kann das in Anspruch nehmen.
Wir haben uns bei der Ausgestaltung des Kurzarbeitergeldes etwas gedacht, das in den ersten Monaten auf 60 bzw. 67 Prozent begrenzt ist; später steigt es, zum Anfang hat es aber diese Höhe. Das hat den einfachen Grund, dass sich auch die Leistungen zum Arbeitslosengeld I an derselben Höhe orientieren.
Wir haben die Diskussion schon vor einigen Wochen hier im Plenum geführt: Ich halte es für schwierig, dass wir immer wieder mit einem sozialpolitischen Wunschkonzert darauf hinsteuern, dass wir bedürftige Gruppen gegeneinander ausspielen.
(Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])
Sie suchen sich jetzt die Gruppe der Beschäftigten und sagen: „Die müssen viel mehr Kurzarbeitergeld bekommen“,
(Zuruf von der LINKEN: Wer macht denn das? – Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und letztendlich ist das genauso eine Versicherungsleistung wie das Arbeitslosengeld I; aber ein Arbeitslosengeld-I-Empfänger bekommt eben nur 60 bzw. 67 Prozent.
(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Stimmt doch gar nicht!)
Meine Damen und Herren, ich bin dagegen, dass wir ein Zweiklassensozialrecht schaffen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir sind auch dagegen!)
Ich verstehe gar nicht, warum Sie alle immer eine solche Angst vor einheitlichen Standards haben. Das ist doch das, was Sozialpolitik erklärbar, logisch und nachvollziehbar macht. Warum sollen wir denn für unterschiedliche Gruppen immer unterschiedliche Messwerte und Größen hier in diesem Hause verabschieden? Das halte ich schlichtweg nicht für nachvollziehbar.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ungerecht! – Weitere Zurufe von der LINKEN)
Damit machen wir uns angreifbar, und das ist auch keine glaubwürdige Sozialpolitik, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
An letzter Stelle möchte ich noch an eines erinnern: Douglas wird in den nächsten Wochen und Monaten 60 Filialen schließen, der Friseur Klier 315, das Modegeschäft Pimkie: 29 Filialen weniger. DER Reisebüro verabschiedet sich von 40 Filialen, und da ist H&M mit 14 Filialen weniger vielleicht noch das kleine Schlusslicht. Aber was sagt uns das, meine Damen und Herren? Wenn sich die Nebelwolke der Coronaförderpolitik mal verzogen hat aus diesem Land, dann werden wir sehen, wo die Notwendigkeiten der künftigen Monate tatsächlich liegen werden,
(Zuruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
nämlich bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, bei der Unterstützung von Menschen, die tatsächlich in Arbeitslosigkeit geraten.
Ich kann nur davor warnen, mit Vorschlägen wie einem Mindestkurzarbeitergeld alles noch komplizierter zu machen, natürlich auch für die Menschen, die das auf den Weg bringen müssen, die das bewilligen müssen. Das Kurzarbeitergeld stammt aus Beitragsgeldern. Das sind Gelder von den Versicherten in diesem Land. Das sind Beitragsgelder von Menschen, die noch in Lohn und Brot stehen. 26 Milliarden Euro der Bundesagentur für Arbeit sind bereits aufgebraucht. Wovon wollen Sie das denn bitte alles bezahlen?
Und noch etwas: Ich finde, das Kurzarbeitergeld – das ist doch die Aufgabe vom KuG – soll vor Arbeitslosigkeit schützen und nicht einen Lebensstandard subventionieren.
(Zurufe von der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dessen müssen wir uns doch hier in diesem Hause durchaus einmal bewusst sein. Lassen Sie uns das Wesentliche im Blick behalten! Lassen Sie uns die Prioritäten richtig setzen, damit unser Land mit halb so gutem Schwung, wie wir ihn bisher hatten, weitermachen kann, wenn wir das Virus in den Griff bekommen haben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)