Tino Sorge: "Es wird keine Impfpflicht geben"
Die Einführung des digitalen Corona-Impfpass stoppen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann sagen, die AfD ist sich mal wieder treu geblieben: Sie bauen Panik auf, dann stellen Sie falsche Tatsachenbehauptungen in den Raum,
(Dr. Michael Espendiller [AfD]: Das hat Kretschmer gesagt!)
und dann machen Sie genau das Gegenteil dessen, was Sie immer behaupten. – Ich erkläre Ihnen gleich auch, warum.
Sie haben es ja von den Kolleginnen und Kollegen hier gehört: Keiner in Deutschland möchte eine Impfpflicht.
(Dr. Michael Espendiller [AfD]: Kretschmer schließt es nicht aus!)
Dieser Popanz, den Sie hier aufbauen, als würde hier irgendjemand die Menschen zwingen wollen, sich impfen zu lassen, ist völlig an der Sache vorbei.
(Zurufe von der AfD)
Wir wissen, dass sich mittlerweile fast 80 Prozent der Menschen impfen lassen wollen. So weit also zum Thema Zwang! – Das ist das eine. Und der zweite Punkt ist: Es wird keine Impfpflicht geben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Richtig allerdings ist, dass Impfen Leben rettet. Die Vorrednerinnen und Vorredner haben schon darauf hingewiesen: Nicht nur Impfen rettet Leben, sondern auch das Thema Digitalisierung. Datennutzung beispielsweise rettet Leben. Wenn Sie sich dann hierhinstellen und den Eindruck erwecken wollen, dass wir durch den Impfpass, durch Zettelwirtschaft, aus der Krise kommen könnten, dann ist das völlig an der Sache vorbei. Dann sollten Sie vielleicht noch mal nacharbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD.
(Beifall bei der CDU/CSU – Gabriele Katzmarek [SPD]: Das hilft nichts!)
Ich persönlich – das sage ich Ihnen ganz offen – bin froh, dass der Impfpass kommt; nicht die Impfpflicht – die wird nicht kommen –, aber der Impfpass. Bereits 2022 wollen wir im Rahmen der ePA den Impfpass für alle. Mir persönlich geht das viel zu langsam. Das hätten wir eigentlich schon viel schneller machen sollen. Aber hier geht es um den digitalen Impfnachweis im Hinblick auf die Coronaimpfung. Das ist genau der Punkt, über den wir sprechen müssen: Wie kommen wir von der Zettelwirtschaft weg? Wie kommen wir zur digitalen Anwendung, damit man auch darstellen kann: Stelle ich eine Gefahr oder stelle ich keine Gefahr für mein Umfeld und für mich selbst dar? Dafür ist der digitale Impfpass genau der richtige Weg.
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Kollege Sorge, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brandner?
Tino Sorge (CDU/CSU):
Ach, der Herr Brandner. Ja, dann machen Sie mal, Herr Brandner.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Ach, nee!)
Stephan Brandner (AfD):
Danke schön. – Der Herr Brandner macht dann mal.
Herr Kollege Sorge, Sie haben gesagt, nach Ihren Erfahrungen wollten sich 80 Prozent der Menschen in Deutschland impfen lassen. Ich richte gerne einmal die Frage an Sie: Woher kommt die Zahl von 80 Prozent? Die habe ich noch nie gehört. Beruht das möglicherweise auf statistischen Erhebungen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, oder sehen Sie das bundesweit?
Und: Wenn Sie die Aussage treffen, dass Impfen Leben rette: Wie beurteilen Sie dann die Tatsache, dass in Deutschland das Impfen so schleppend vorangeht, dass wir weltweit gesehen auf den letzten Plätzen sind?
(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Resultiert daraus, wenn Impfen Leben rettet und wir nicht genug impfen, nicht, dass wir Leben auf dem Gewissen haben, weil wir nicht schnell genug geimpft haben?
Tino Sorge (CDU/CSU):
Ist die Frage jetzt beendet, oder wollen Sie noch eine Frage stellen?
Stephan Brandner (AfD):
Fragezeichen!
Tino Sorge (CDU/CSU):
Okay. Alles gut. – Das waren zwei Fragen, die ich Ihnen dann beantworte.
Erstens. Es gibt Umfragen – das ist klar –; man kann natürlich nicht jeden Einzelnen fragen. Mit sehr hoher prozentualer Wahrscheinlichkeit wollen sich die Menschen zu einem sehr hohen Prozentsatz impfen lassen. Insofern: Ob sich jemand impfen lassen will, ist etwas ganz anderes, als ob wir jemanden zum Impfen zwingen wollen. Das will keiner.
(Zurufe von der AfD)
Zweitens. Dass das Impfgeschehen schneller voranschreiten könnte, ist genau der Punkt. Das wollen wir mit diesem digitalen Impfpass weiter befördern.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da müssen sich die Länder mal anstrengen!)
Es geht doch letztendlich darum: Wie können wir Öffnungsperspektiven erzeugen? Wie können wir Menschen im persönlichen Umgang die Sicherheit geben, dass sie selbst bzw. andere keine Gefahr darstellen? Wenn Sie jedes Mal den Eindruck erwecken, dass wir durch Zettelwirtschaft aus der Krise kommen – es steht in Ihrem Antrag, dass Sie den Papierimpfpass gerne behalten wollen; ein bisschen oldschool –, dann ist das völlig an der Sache vorbei. Hier geht es darum, dass wir Möglichkeiten schaffen, schnell aus der Krise herauszukommen, und nicht darum, darüber zu fabulieren, welche angeblichen Verschwörungstheorien oder Probleme Sie in den Raum stellen, die durch keinerlei Tatsachen begründet sind. Das müssen wir in der Form nicht behandeln.
Aber ich will Ihnen auch sagen: Ihr Kollege Espendiller hat wieder suggeriert, wir würden die Impfpflicht durch die Hintertür einführen – das will ja keiner –; Sie würden genau das Gegenteil machen. Ich darf mal an Ihren Kollegen, den Fraktionschef der AfD im Landtag von NRW, erinnern.
(Stephan Brandner [AfD]: Ist das jetzt noch die Antwort?)
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Kollege Sorge, beantworten Sie jetzt noch die Frage, oder sind Sie fertig mit der Beantwortung?
Tino Sorge (CDU/CSU):
Ich glaube, auf die Frage muss man nicht weiter antworten. Die habe ich ja ausreichend beantwortet.
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Okay, dann sind wir fertig mit der Antwort. – Herr Brandner, bitte Mundschutz, wenn Sie sich hier im Raum bewegen!
Tino Sorge (CDU/CSU):
Und wenn Sie dann immer darstellen, als gäbe es da ein Problem und Sie sähen das völlig anders, dann finde ich es immer nur spannend, dass ein Großteil Ihrer Kollegen genau das Gegenteil macht. Der besagte Fraktionschef der AfD im Landtag von NRW hat es sogar hinbekommen, sich selbst impfen zu lassen, seine Frau impfen zu lassen, seinen 16-jährigen Sohn impfen zu lassen und dann auch noch die geschätzte Schwiegermutter impfen zu lassen – alles vorbei an der Impfpriorisierung, alles vorbei an sämtlichen Terminvorgaben.
(Maik Beermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Also, das finde ich schon bemerkenswert, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD)
Wenn wir hier über das Thema „Verstoß gegen Grundrechte“ sprechen, dann sollten Sie sich vielleicht mal mit dem juristischen Verfassungskurs, Verfassungsrecht, erstes Semester, befassen. Vielleicht kann Ihnen Herr Brandner helfen, obwohl er da auch nicht so bewandert ist. Es geht darum: Wie kann man Grundrechte in Ausgleich bringen?
(Zuruf von der AfD)
Kein Grundrecht gilt uneingeschränkt. Sie fabulieren hier immer darüber und sagen, man könne niemandem das Impfangebot machen, also in Aussicht stellen, dass man sich dadurch schützen kann; Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Was ist denn dann mit dem Grundrecht beispielsweise der Gastronomen, der Hoteliers, der Reiseveranstalter?
(Zuruf von der AfD: Ja, genau!)
Die wollen doch gerade ihr Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wahrnehmen. Ich glaube, „Freiheit“ heißt auch, dass sie entscheiden können, wie sie ihre Kundinnen und Kunden am besten vor Coronaerkrankungen schützen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Abschließend kann man dazu sagen: Sie sollten vielleicht noch mal in Ihren Handwerkskoffer der politischen Arbeit schauen. Dann würden Sie vielleicht auch mitbekommen, wenn Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss sprechen würden, dass Anträge in der Form, wie Sie speziell diesen Antrag gestellt haben, völlig planlos sind, völlig an der Sache vorbei. Uns geht es darum, dass wir einen schnellen Weg aus der Krise eröffnen. Dazu gehört auch, schneller zu impfen – diejenigen, die es wollen, also keine Pflicht –, dass wir schneller in den Arztpraxen impfen können. Insofern kann ich Ihnen nur raten: Gucken Sie noch mal in Ihren Handwerkskoffer für das politische Geschäft, gerade im Gesundheitsbereich. Vielleicht können wir uns dann mal ernsthaft über solche Anträge unterhalten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)