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Jana Schimke: "Die Pandemie ist existenzgefährdend"

Mindest-Kurzarbeitergeld

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es mal deutlich zu machen: Unsere Aufgabe hier ist es nicht, Gewerkschaftspolitik umzusetzen, ja? Also: Wir haben eine Verantwortung dem gesamten Land gegenüber und werden selbstverständlich alle Positionen, die es gibt, abwägen und miteinander diskutieren. Ich finde es immer ein bisschen befremdlich, wenn sich manche hierhinstellen und sagen: Oh, Verdi und NGG haben das gesagt; das müssen wir jetzt tun. – Was würden Sie denn sagen, wenn ich hier sagen würde: „Oh, der BDI hat mit mir gesprochen, und jetzt werden wir das mal so machen?“

(Bernd Rützel [SPD]: Das machen Sie doch ständig! Sie sind doch BDI!)

Na, da hätte ich doch den Applaus – das weiß ich doch –, aber selbstverständlich! Nein, so kann das doch nicht laufen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Folgende Gedanken zu Ihrem Vorschlag eines Mindestkurzarbeitergeldes. Also, meine Damen und Herren, man muss ja eines festhalten: Letzten Endes greifen bei einem geringen Lohn und der Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld und der Situation, dass es dann am Ende nicht reicht, dieselben Mechanismen wie bei allen anderen Menschen in diesem Land, die bedürftig sind. Man muss natürlich zum Sozialamt gehen – das ist richtig –, man muss Hilfen beantragen, im Rahmen einer Aufstockung. Aber das fügt sich letztlich alles in unser sozialpolitisches Gerüst, so wie wir es bei allen sozialpolitischen Leistungen in unserem Land erleben. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes in der ersten Zeit – 60 bzw. 67 Prozent – entspricht auch dem, was ein Arbeitsloser an Arbeitslosengeld I in diesem Land erhält. Ich weiß nicht, warum wir das anders machen sollen, warum wir das verändern sollen, warum wir – das hat Bernd Rützel zu Recht gesagt – jetzt eine Gruppe herausnehmen sollen und wieder neue Standards schaffen sollen. Das macht uns doch sozialpolitisch unglaubwürdig. Überlegen Sie doch mal! Wir machen das hier doch nicht alles zum Spaß, wir denken uns doch was dabei, und dazu zählen natürlich auch bestimmte Normen und Werte und die Höhe der Gelder, die wir auszahlen. Da können wir doch nicht hier so und da anders agieren; das funktioniert nicht, das halte ich nicht für glaubwürdig.

Nächster Punkt: die Sozialpolitik in der Coronakrise. Ich glaube, wenn man uns eines nicht vorhalten darf, dann ist es, dass wir für Bedürftige in diesem Land nichts getan haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben das Kurzarbeitergeld bereits aufgestockt – natürlich auch unter Kritik und bei Diskussion auch in unseren eigenen Reihen; das gebe ich ehrlicherweise zu. Aber wir haben etwas getan. Wir haben es aufgestockt,

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um ein Mindestkurzarbeitergeld!)

gerade für Menschen, die schon längere Zeit im Kurzarbeitergeldbezug sind. Also tun Sie nicht so, als wenn Sie hier völliges Neuland betreten und uns erst mal eine Erkenntnis vermitteln müssten! Die haben wir längst gewonnen, meine Damen und Herren. Die 450-Euro-Jobs – sofern jemand noch einen in dieser Weise ausübt – sind auch im Kurzarbeitergeldbezug anrechnungsfrei. Arbeitgeber bekommen unter bestimmten Voraussetzungen Sozialversicherungsbeiträge erstattet, und auch die Vermögensprüfung – die möglicherweise bei Geringverdienern weniger eine Rolle spielt; aber viele Menschen in diesem Land haben ein Häuschen – bei der Inanspruchnahme von sozialen Leistungen fällt nach aktueller Coronagesetzgebung weg.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich frage Sie mal: Wie wollen Sie das denn eigentlich alles finanzieren? Wollen Sie es über Beitragsgelder finanzieren? Dann weise ich Sie freundlichst darauf hin, dass die Rücklagen der BA bereits aufgelöst sind, bereits ausgegeben sind. Da ist nicht mehr viel da. Wollen Sie es mit Steuergeldern finanzieren? Dann erinnere ich gerne an die historische Schuldenmenge, die wir aufnehmen mussten coronabedingt, um viele Unternehmen in diesem Land zu retten, zu helfen, zu tun, was auch geht. Wovon wollen Sie das denn bezahlen? Das müssen Sie auch einmal vorlegen, um hier eine seriöse Politik zu machen.

Ein letzter Gedanke, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Kurzarbeitergeld führt nicht in Bedürftigkeit, Arbeitslosigkeit sehr wohl. Ich gebe Ihnen in einem Gedanken recht. Sie sagen in Ihrem Antrag: Die Pandemie ist existenzgefährdend. – Das ist richtig. Deswegen geben wir uns solche Mühe, und deswegen wollen wir auch, dass unsere Unternehmen erhalten bleiben und nicht in die Insolvenz gehen, dass sie auch morgen noch existieren und dass die Menschen auch morgen noch ihren Arbeitsplatz haben.

Mein Verständnis von Politik ist es – da unterscheiden wir uns maßgeblich voneinander –, wirtschaftspolitische oder soziale Missstände nicht einfach nur zu verwalten. Nein, wir wollen da heraus, wir wollen etwas ändern. Wir wollen, dass sich die Situation verbessert.

Wir doktern nicht an Symptomen herum, wir gehen die Ursachen an. Dazu zählt, gerade in den jetzigen Tagen, den Menschen die Möglichkeit zu geben, wieder zu arbeiten. Dazu gehört das Impfen. Dazu gehört eine gute Strategie heraus aus dem Lockdown. Darüber diskutieren wir auch heftig, und das geht auch weiter. Schleswig-Holstein fängt damit an, wie ich gerade im Ticker gelesen habe. Es freut mich, dass die Gartencenter ab dem 1. März in Schleswig-Holstein wieder aufmachen. So muss das sein, so muss das funktionieren, und nicht anders wird es gehen, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Pascal Kober [FDP]: Da regiert auch die FDP!)