Dr. Carsten Linnemann: "Deutschland muss weiter Vorbild in Sachen Haushaltskonsolidierung bleiben"
Rede zum Jahreswirtschaftsbericht 2021
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir gestern Abend einmal die Zeit genommen und mir den Jahreswirtschaftsbericht des vergangenen Jahres angesehen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Du hast aber Zeit!)
Wir haben uns fast exakt vor einem Jahr hier getroffen und ihn diskutiert. Damals war die Rede von einer fragilen konjunkturellen Lage.
Danach kam die Dampfwalze namens Corona. Es war ein exogener Schock, übrigens weltweit. Manchmal habe ich den Eindruck, wenn der eine oder andere hier redet, dass das ein deutsches Problem wäre,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)
dass wir hier irgendetwas gemacht hätten und deshalb hier jetzt diese Probleme haben. Das ist ein exogener Schock – unverschuldet, weltweit auf uns zugekommen. Wir sind, verdammt noch mal, alle in der Verantwortung, das Beste für dieses Land zu wollen, damit wir da wieder herauskommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Natürlich konnten wir die Prognosen nicht halten. Die Arbeitslosenzahlen sind gestiegen und nicht gesunken, wie vorgesehen. Wir sind damals von 1 Prozent BIP-Wachstum ausgegangen; jetzt sind es minus 5 Prozent. Aber: Wir haben im letzten Jahr – seit Jahren zum ersten Mal – die Maastricht-Kriterien eingehalten, und zwar nicht nur die 3 Prozent, sondern auch das wichtige Maastricht-Kriterium – für mich das wichtigste –, die Schulden im Verhältnis zum Sozialprodukt auf unter 60 Prozent zu drücken. Es war die Leistung der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren – also nicht nur dieser Bundesregierung, sondern auch der letzten und auch der mit Ihnen, der FDP –, dass wir gezeigt haben: Mit Haushaltskonsolidierung kann man gleichzeitig Wachstum schaffen und dieses Land in die Zukunft führen. Und genau da müssen wir wieder hin. Wenn wir aus dieser Krise erfolgreich herauskommen wollen, brauchen wir Haushaltskonsolidierung, um damit auf den Wachstumsweg zu gehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und zusätzlich brauchen wir neben dieser Haushaltskonsolidierung vier Punkte.
Der erste Punkt sind die Wirtschaftshilfen. Ja, auch ich kriege die Anrufe, lieber Christian Lindner – die kriegen wir alle –, von den Messebauern, von den Friseuren, von den Einzelhändlern, von den Restaurantbetreibern, von allen: Wo bleibt das Geld? – Ja. Aber ich finde es falsch und auch nicht redlich, die Schuld ausschließlich hier beim Bund zu sehen.
Ich komme selbst aus Nordrhein-Westfalen. Ich weiß selbst, was für eine Politik Herr Pinkwart als Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen macht, übrigens eine sehr gute.
(Beifall bei der FDP)
Und die Regierung von Armin Laschet war es übrigens auch, die in den letzten Wochen gekommen ist und gesagt hat: Wir müssen die Programme überarbeiten. – Wenn der stationäre Einzelhandel nicht mehr arbeiten kann, dann braucht er Unterstützung, nämlich dass wir die Saisonware als Fixkosten zumindest anteilig anrechnen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)
Und dadurch, dass die Nordrhein-Westfalen mit richtigen Argumenten, die die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt hat, auf uns zugekommen sind, mussten wir dieses Programm überarbeiten, und dadurch zieht es sich immer weiter hin.
(Zuruf von der SPD: Ach so!)
Am Ende des Tages sind natürlich auch Sie in den Ländern vertreten, auch die Grünen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Bei jeder Rede!)
Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Der Friseur, der Einzelhändler, der Messebauer, der Veranstalter, der Eventmanager, der Soloselbstständige, der Kulturschaffende interessiert sich nicht dafür, ob der Bund schuld ist, ob das Land schuld ist oder was auch immer, sondern das Geld muss auf sein Konto. Und deshalb danke, Peter Altmaier! Die Hälfte ist ausgezahlt, und die andere Hälfte muss jetzt in den nächsten Wochen kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Der zweite Punkt. Wir brauchen eine bessere Verlustverrechnung. Das Konzept – da hat Christian Lindner völlig recht – ist Marktwirtschaft pur, weil es genau die Unternehmen trifft, die in den letzten Jahren erfolgreich waren.
(Zuruf von der SPD: Das ist ja eine Liebesheirat!)
Und wir dürfen den Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren. Die Beschäftigten in Deutschland, der Mittelstand in Deutschland zahlen Steuern, und mit diesen Steuern können wir unsere Infrastruktur, unsere Bildung und vieles mehr finanzieren. Deshalb müssen wir bei diesem Punkt weiterkommen. Herr Scholz, Sie müssen Ihr Veto bei diesem Punkt aufgeben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Es ist nicht groß haushaltsrelevant, sondern das Geld kommt durch höhere Steuern zurück.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der dritte Punkt. Ja, wir brauchen eine Perspektive für die Wirtschaft. Die Mutation ist da. Völlig berechtigt ist auch die große Sorge. Trotzdem brauchen wir Pläne, Stufenpläne, damit die Wirtschaft weiß, unter welchen Bedingungen, wenn die Zahlen weiter sinken, wenn die Situation gut ist, sie wann öffnen kann.
Vierter Punkt. Wenn wir wirklich durchstarten wollen,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Jetzt bin ich gespannt! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ich auch gerade!)
dann müssen wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Die wichtigsten Rahmenbedingungen sind meines Erachtens die Rahmenbedingungen in Bezug auf Digitalisierung, um es ganz konkret zu machen: in Bezug auf Disruption. Digitalisierung ist in Wahrheit Disruption. Die Digitalisierung wird alle alten Geschäftsmodelle auf den Kopf stellen,
(Jan Korte [DIE LINKE]: Ist das ein Friedrich-Merz-Ähnlichkeitswettbewerb, oder was? Friedrich Merz lässt grüßen!)
mit datenbasierten Instrumenten.
Und dafür brauchen wir junge Menschen mit Gehirnschmalz, mit Lust auf Zukunft, die sagen, sie wollen ihre Idee umsetzen, ihre Ziele, ihre Projekte, ihre Vision. Und die müssen die Rahmenbedingungen haben, dass dies funktioniert, beispielsweise durch eine Gründerschutzzone, indem wir sagen: In den ersten ein, zwei Jahren müssen sich junge Menschen auf ihr Geschäftsmodell konzentrieren und nicht auf Bürokratie. Und wenn wir nach zwei, drei Jahren sehen, es funktioniert gut, dann rollen wir das in Deutschland aus. – Das ist nachhaltige, zukunftsorientierte Politik, und darauf müssen wir uns jetzt verständigen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Ganze funktioniert nur – und da schließt sich der Bogen –, indem wir an der Haushaltskonsolidierung festhalten.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha!)
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht zu der Schuldenbremse,
(Timon Gremmels [SPD]: Ist Herr Braun nicht in Ihrer Fraktion?)
weil die Schuldenbremse das entscheidende Disziplinierungsinstrument ist, damit auch wir uns an Regeln halten, damit wir nachhaltig auch im Lichte dessen, was die nächsten Generationen noch brauchen, nämlich Spielräume, Politik machen können. Und deswegen halten wir an der Schuldenbremse fest.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Das ist übrigens auch im europäischen Kontext wichtig. Deutschland muss weiter Vorbild in Sachen Haushaltskonsolidierung bleiben. Europa darf nicht auf Schulden oder billigem Geld aufgebaut sein, sondern muss erstens auf Stabilität, zweitens auf Solidität und drittens auf gemeinsamen Regeln basieren.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.