Dr. Carsten Brodesser: Klar ist, dass bestehende Altverträge von den Regelungen nicht betroffen sind
Redebeitrag zum Versicherungssteuerrecht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Primetime im Bundestag, und wir beschäftigen uns zur besten Sendezeit mit einem eher trockenen Thema mit mäßigem Unterhaltungswert – Sie haben es gemerkt –: der Modernisierung der Versicherungsteuer.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nahezu jeder von uns hat privat eine oder mehrere Versicherungen abgeschlossen, die Leib und Leben oder Sachen versichern, die einem lieb und teuer sind. Grundsätzlich fallen auf die Prämien dieser Versicherungen Steuern an in vergleichbarer Höhe der Umsatzsteuer. Aus sozial- oder wirtschaftspolitischen Erwägungen kann der Gesetzgeber jedoch Ausnahmen von der grundsätzlichen Besteuerung oder der Höhe des Steuersatzes vornehmen. So haben wir am Anfang dieses Jahres die sogenannte Dürreversicherung – also eine Absicherung von trockenheitsbedingten Ernteausfällen – steuerlich privilegiert und damit jene Landwirte entlastet, die sich gegen entsprechende Ernteausfälle versichern wollten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Steuerbefreit waren schon immer Versicherungen, durch die Ansprüche im Falle des Todes, des Erlebens oder des Alters begründet werden, wie Lebens- und Rentenversicherungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war und ist der Wille des Gesetzgebers, dass die Prämien für die klassische Altersversorgung nicht Gegenstand einer Besteuerung werden. Ferner waren und werden Versicherungsprämien für private Kranken-, Berufsunfähigkeits- und Pflegezusatzversicherungen – die Kollegin Arndt-Brauer hat darauf verwiesen – grundsätzlich steuerbefreit. Dies wird auch so bleiben.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ist es!)
Der entscheidende Punkt für eine Versicherungsteuerbefreiung ist jedoch, dass die Versicherungsleistung dem Versicherungsnehmer selbst, seinem Angehörigen oder der versicherten Risikoperson zufließt; eigentlich eine Selbstverständlichkeit, könnte man meinen. In der Realität gibt es aber Fallkonstellationen – die Kollegin hat darauf hingewiesen –, in denen weder der Versicherungsnehmer noch ein Angehöriger und auch nicht die Risikoperson in den Genuss einer Versicherungsleistung kommt, die Versicherungsprämien aber dennoch steuerfrei sind. Hier geht es beispielsweise um diese Sportinvaliditätsversicherung mit Marktwertabdeckung, die Profifußballvereine abschließen und bei der die Versicherungsleistung nicht dem Spieler, sondern dem Verein zufließt. Wenn eine Steuer aber nicht nur eine gezielte Lenkungswirkung ausüben soll, sondern auch gerecht gestaltet werden soll, dann bedarf es der fortlaufenden Überprüfung durch den Gesetzgeber. Gerade an diesem Punkt setzt das zu beratende Gesetz an. Es schafft Klarheit, Sicherheit und Steuergerechtigkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den intensiven parlamentarischen Beratungen und beim Austausch mit den beteiligten Verbänden wurden tatsächlich die einzelnen Reformpunkte teils kontrovers und sehr intensiv diskutiert. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher äußerten die Befürchtung, dass die Überprüfung, die Dokumentation und die Abwicklung einer möglichen Steuerpflicht zu unverhältnismäßig hohem Aufwand und am Ende auch zu höheren Kosten führen. Da wir als Koalition Gesetze nicht für uns, sondern für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes machen, haben wir die vorgebrachten Argumente sehr ernst genommen und mit dem Ministerium intensiv beraten.
Auch wenn wir uns zukünftig eine realitätssichere Aufwandsschätzung der Gesetzesfolgen wünschen würden, darf ich sagen, dass nahezu alle Befürchtungen ausgeräumt werden konnten. Mit dem erläuternden Begleitschreiben des BMF geben wir der Finanzverwaltung eine gute Orientierung an die Hand, die mögliche Fallkonstellationen einer Steuerpflicht klar darstellt und beschreibt. Änderungen am Entwurf haben wir auch in Bezug auf eine mögliche Steuerbarkeit von nicht begünstigten Vertragskonstellationen erzielt. Frau Kollegin Arndt-Brauer hat darauf verwiesen: Diese gelten erst für Neuabschlüsse ab dem 1. Januar 2022. Damit haben wir für eine längere Übergangsfrist für die Versicherer gesorgt. Diese Regelung passt auch besser in die administrativen Abläufe der Unternehmen und reduziert damit auch den Umstellungsaufwand.
Die Angst vieler Versicherer, alle bestehenden Verträge – immerhin sind das 80 Millionen Stück – in die Hand nehmen und auf ihre Steuerpflicht überprüfen zu müssen, konnte ausgeräumt werden. Klar ist, dass bestehende Altverträge von den Regelungen nicht betroffen sind.
Irritationen gab es anfänglich mit den Begriffen der im Gesetz benannten nahen Angehörigen und der Risikoperson. Aber durch entsprechende Verweise auf § 15 Abgabenordnung und § 7 Pflegezeitgesetz konnte auch hier eine Klärung erzielt werden. Die Versicherer können zukünftig schon bei Antragsaufnahme durch klare Fragestellungen erkennen, ob es sich um einen steuerpflichtigen Vertrag handelt oder nicht. Eine fortlaufende Überprüfung der Vertragsdaten ist also nicht erforderlich. Dem Versicherungsnehmer entsteht auch nach Vertragsabschluss kein signifikanter Mehraufwand. Eine Steuerpflicht entsteht für den Versicherer erst dann, wenn er Kenntnis von wesentlichen Veränderungen bei der Bezugsperson beim Versicherungsnehmer erhält.
In der Anhörung geltend gemachte Sorgen der Kommunen – darauf ist verwiesen worden –, die sich um die Steuerfreiheit der Beihilfeablöseversicherung Gedanken gemacht haben, konnten im parlamentarischen Verfahren ebenfalls entkräftet werden; denn die Kommunen sind im Regelfall verpflichtet, ihren Beamten im Krankheitsfall Beihilfeleistungen zu gewähren. In Erfüllung dieser Fürsorgepflicht sind sie ebenfalls von der Versicherungsteuer befreit. Also auch kein Problem!
Die Sorgen der deutschen Reeder letztendlich, die bei der Bereederung von ausländischen Schiffen eine Co-assured-Problematik befürchtet haben, wurden ebenfalls durch ein erläuterndes Schreiben des BMF unseres Erachtens ausgeräumt.
Ich danke dem BMF an dieser Stelle ausdrücklich, dass die Fragen und Einwände im Rahmen der öffentlichen Anhörung und in den anschließenden Berichterstattergesprächen zufriedenstellend beantwortet und behandelt wurden. Das angesprochene Erläuterungsschreiben des BMF wird parallel veröffentlicht und schafft somit auch Rechtssicherheit.
Alles in allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, also ein gutes Stück Finanzpolitik der Koalition. Ich bedanke mich noch mal ausdrücklich für die konstruktive Diskussion mit allen Kolleginnen und Kollegen aller Parteien sowie die Begleitung durch das Ministerium. Gemeinsam legen wir ein gutes Gesetz vor, das zu einer notwenigen und angemessenen Anpassung des Steuerrechts führt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und empfehle Ihnen allen die Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])