Wir brauchen konkrete Ideen und Projekte
Brinkhaus und Puttrich warnen vor einer reinen Transferunion
„Oft ist Europa zu abstrakt und erschöpft sich in der Debatte um Geldströme. Dann geht es um Gewinner und Verlierer. Das darf nicht unser Anspruch sein.“ In ihrem Gastbeitrag in der FAZ warnen Fraktionschef Ralph Brinkhaus und die hessische Landesministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich, davor, dass aus der Europäischen Union eine reine Transferunion wird.
Am 17. und 18. Juli 2020 steht ein erster Höhepunkt der deutschen Ratspräsidentschaft an. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich in Brüssel, um über finanzielle Themen zu sprechen. Auf dem Programm stehen der mehrjährige Finanzrahmen und der Wiederaufbaufonds, der die Mitgliedstaaten in der Bewältigung der Corona-Krise unterstützen soll. Wie dieser Fonds ausgestaltet werden soll ist unter den Mitgliedstaaten umstritten.
Brinkhaus und Puttrich haben dazu eine klare Position: „Ist Europa erst einmal zu einer Transferunion mutiert, wird der Funken, der gemeinsame, konkrete Projekte wie Krebsbekämpfung oder Supercomputing anfacht, verglimmen. Wir wollen unsere großartige Union nicht auf eine Transferunion reduzieren. Europa ist keine Versicherung, Europa ist Heimat für über 500 Millionen Menschen, die gemein sam auf eine erfolgreiche Zukunft setzen. Wir brauchen konkrete Ideen und Projekte, bei denen Europa einen Mehrwert für jeden von uns bringt. Wir wollen gemeinsam stolz auf etwas gemeinsam Erreichtes sein können.“
Wohlstand von morgen stärken
Vielmehr plädieren sie dafür, dass mehr über gemeinsame Ideen und Projekte gesprochen werden muss. Dies gelte vor allem bei den Diskussionen um den Wiederaufbaufonds. „Oft folgte man der Strategie, erst Mittel zu fordern und sich dann zu überlegen, wofür man sie einsetzt. Wir dürfen diesen Fehler beim Wiederaufbaufonds nicht wiederholen. Der 750-Milliarden-Vorschlag der EU-Kommission birgt das Risiko einer gigantischen Fehlallokation von Mitteln. Ohne verbindliche Zweckbindungen, etwa an Reformen, besteht die Gefahr, dass die Gelder neuer Wein in alten Schläuchen sind und damit Strukturen begünstigen, die Europa geschadet haben.
Die Gelder dürfen also gerade nicht dazu genutzt werden, alte, bröckelnde Wirtschaftsstrukturen oder verstaubte Sozialtransfers für ein paar weitere Jahre im komatösen Zustand zu erhalten. Stattdessen sollten wir in gemeinsamen Projekten den Wohlstand der nächsten Generationen sichern. Das schließt die Förderung von Wasserstofftechnologien, neuen Mobilitätsformen oder europäische Cloud-Lösungen mit ein.
Die wirtschaftliche Situation der Europäischen Union hänge auch von einem funktionierenden Binnenmarkt und wirtschaftlich leistungsfähigen Partner ab. Dazu gehörten insbesondere die angrenzenden Partnerstaaten wie das Vereinigte Königreich aber auch die Türkei.
Deutschland als Brückenbauer und Vorbild
Beide fordern auch einen Wechsel in der Afrikastrategie der Europäischen Union. Viel zu oft sei man in Europa nur an Migrationsströmen interessiert. Man müsse vielmehr den Fokus auch auf wirtschaftliche Aspekte legen und Chancen nutzen.
Aber auch die bisherigen Verfahren innerhalb der Europäischen Union kritisieren beide. Die Umsetzungsdauer sei ein Problem, wenn man künftig entschlossener handeln wolle. „Manchmal fehlt es am gegenseitigen Verständnis zwischen Brüssel und einem Mitgliedstaat. Die Folge sind Blockbildungen, Isolierungen, Unverständnis. Deutschland darf da nicht mitmachen, sondern muss Brückenbauer und Vorbild sein.“
Engere Zusammenarbeit von Bundestag und Bundesrat
Eine bessere Zusammenarbeit sei aber auch auf nationaler Ebene wünschenswert. Bundestag und Bundesrat müssten verzahnter arbeiteten und auf die Expertise des jeweils anderen auch zugreifen. „Die Länder verfügen nicht nur über ein gewaltiges Bewertungspotential europäischer Vorlagen durch ihre Fachressorts, sondern auch über praktische Erfahrungen in der Umsetzung und Wirkung europäischen Rechts. Der Bundestag verfügt über intensive Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union.“ Daher sollten Stellungnahmen gemeinsam vorbereitet werden oder auch gemeinsame Ausschusssitzungen stattfinden.
Denn was man sich für Europa wünsche, sollte man doch auch in Deutschland beherzigen: „gemeinsam handeln, weil es jeder allein nicht schafft.“
Den kompletten Artikel FAZ-Artikel lesen Sie hier: Eine Transferunion würde Europas Kreativität ersticken