Dr. Johann David Wadephul: Wir können uns jetzt nicht abwenden
Rede zum Bundeswehreinsatz EUTM Mali
Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lage im Sahel ist kritisch. Sie ist sogar sehr kritisch. Dort tobt der Kampf gegen internationale und regionale Terrorgruppen. Sie profitieren von einer fragilen Staatlichkeit vor Ort. Die Entwicklung der vergangenen Monate muss einen sehr besorgen. Die Streitkräfte Malis, Nigers und Burkina Fasos werden zunehmend Opfer immer komplexer und schwerer werdender Angriffe. Selbst befestigte Lager werden überrannt, und die Zahl der blutigen Verluste steigt erschreckend.
Immer mehr Regionen drohen in die Hände der Terrorgruppen zu fallen. Auch die Zahl der zivilen Opfer der Terroristen nimmt dazu. Dazu kommt noch die organisierte Kriminalität, in Teilen direkt im Bunde mit dem Terror. Sie nutzt die Region als Drogenumschlagsplatz und als Dreh- und Angelpunkt eines gigantischen Menschenhandels. Dazu kommen die Herausforderungen jenseits der Sicherheitspolitik: Der Klimawandel trifft die weitgehend noch bäuerliche Gesellschaft hart. In der Region liegen die Staaten mit den höchsten Geburtenraten. Und als wäre das alles nicht schon herausfordernd genug, schlägt jetzt Covid-19 zu.
Das Bild, das sich in der Region bietet, die Herausforderungen, die absehbar sind, lassen jeden Betrachter ernüchtern. Doch abwenden können wir uns jetzt nicht. Denn die Probleme der Sahelzone sind jetzt schon unsere Probleme, um die wir uns kümmern müssen. Deswegen, Herr Kollege Otten, will ich zu Ihrer Aussage, dies sei quasi zwanghaft, schon noch etwas sagen. Es bestehen gegenseitige Abhängigkeiten zwischen dieser Region und Europa. Wir – Deutschland und Europa – müssen uns um den Sahel kümmern.
Wer sollte es sonst tun? Die USA und China werden es nicht in dem Maße tun, in dem wir es tun. Denn zum einen sind es wir und nicht sie, die von den Auswirkungen der Probleme in der Region – Migration und Terror – betroffen sind. Zum anderen gewichten insbesondere die Chinesen ein stabiles, friedliches und langfristig wirtschaftliches Florieren Afrikas ganz anders als wir in Europa, Afrikas Nachbarkontinent. Das heißt im Ergebnis: Unsere Sicherheitsinteressen, unsere langfristigen ökonomischen Interessen und – ein Gesichtspunkt, der Ihnen offensichtlich fern ist – unsere humanitäre Verantwortung gebieten es, dass wir im Sahel handeln,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
und dies im Übrigen natürlich nicht nur – der Kollege Schmid hat das ausgeführt – militärisch, sondern in einem sehr umfangreichen vernetzten Ansatz.
Unser Engagement hat in den vergangenen Jahren nicht ausgereicht; Herr Kollege Schmid hat das ausgeführt. Natürlich ist Afghanistan auch bei dieser Diskussion der unsichtbare Elefant im Raum. Nach über 18 Jahren des Engagements im Hindukusch sind natürlich manche ernüchtert trotz großer Erfolge für die Humanität, die wir dort erzielt haben. Diese Ernüchterung und diese Skepsis sind wichtig. Denn selbstverständlich müssen wir hinterfragen, was gut lief, was schlecht lief, was wir anders und was wir besser machen können. Aber heute ist der Sahel der drängendste Krisenpunkt. Wir müssen etwas tun, und wir müssen es richtig tun, und zwar in einem breiten Ansatz mit diplomatischen, wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen, militärischen Mitteln und in einer breiten Phalanx von Staaten, im Übrigen zuallererst an der Seite Frankreichs.
Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, denken wir zurück an die Situation, als der malische Staat kurz vorm Zusammenbruch stand. Ich höre hier auch manche Kritik an der militärischen Strategie. Herr Kollege Trittin, wenn ich an die erste Lesung denke, muss ich klar sagen: Frankreichs Strategie ist nicht unsere Strategie. Wir haben eine andere militärische Strategie. Wir glauben, dass wir eine nachhaltigere haben. Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist auch etwas wohlfeil, sich hier hinzusetzen und die französische militärische Strategie zu kritisieren, während es schlicht und ergreifend die Franzosen gewesen sind, die in einer Notsituation den malischen Staat vor dem völligen Kollaps gerettet haben. Das müssen wir anerkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Dies gilt auch in einer Situation, in der die Franzosen sagen: Wir kommen an die Grenze dessen, was wir dort leisten können. – Ich sage auch: In Zeiten, wo wir über europäische Solidarität reden, wo wir über die Handlungsfähigkeit Europas reden, wo Tschechen sagen: „Wir sind dabei“, wo Esten sagen: „Wir sind dabei und unterstützen die Franzosen“, da muss Deutschland an der Seite Frankreichs stehen und diese Auseinandersetzung gemeinsam mit Frankreich angehen und gemeinsam zu schultern versuchen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
In der Tat: Wir brauchen dafür einen langen Atem. Natürlich werden Einsätze immer für einen bestimmten Zeitraum vom Deutschen Bundestag auf Antrag der Bundesregierung legitimiert und laufen nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Wir haben in diesen Antrag ausdrücklich reingeschrieben, dass wir nach sechs Monaten einen Zwischenbericht der Bundesregierung haben wollen, weil wir natürlich wissen: Wenn wir dieses Problem angehen wollen, dann brauchen wir einen langen Atem.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Koalition der CDU/CSU und SPD ist wichtig, dass wir zwischendurch auch einen Schulterblick werfen und schauen, was gemeinsam erreicht worden ist. Wir vergrößern nicht einfach unser Engagement und sagen: Hoppla, jetzt kommen wir, und jetzt wird alles gut. – Der Kollege Schmid hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Franzosen schon sehr lange dort ausbilden und der Erfolg bisher mäßig ist. Nein, wir machen das abgestuft. Wir sind dabei, aber wir schauen uns auch an, was Erfolg bringt und ob es nachhaltig ist. Deswegen ist es wichtig, dass es ein Mandat für ein Jahr ist. Wir werden eine Zwischendiskussion führen. Aber wir sind auch alle aufgefordert, der deutschen Öffentlichkeit, unseren Wählerinnen und Wählern zu erläutern, dass wir für Humanität, für Menschlichkeit vor Ort sorgen und dass wir die europäischen Sicherheitsinteressen im Sahel originär verteidigen. Dazu kann ich uns nur alle aufrufen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen eine Diskussion über die Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten führen. Dazu gehören Kampfstiefel, Schutzwesten und auch medizinische Versorgung. Hierin besteht immer große Einigkeit.
(Zuruf von der SPD)
– Liebe Frau Kollegin, es tut mir leid; Sie wissen, dass das Thema für die SPD-Fraktion etwas schwieriger ist als für uns. – In einer militärischen Situation, in der man verantwortbar vorgeht, gehören zur Ausrüstung aber auch bewaffnete Drohnen. Das sind Waffen, die von den Soldatinnen und Soldaten in schwierigen Lagen defensiv eingesetzt werden können. Wir müssen die Diskussion über deren Einsatz immer vor dem Hintergrund führen: Was ist der beste Schutz? Der BundeswehrVerband, das Bundesverteidigungsministerium und die CDU/CSU-Fraktion stehen auch hier für die beste Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen bald zu einer entsprechenden Entscheidung kommen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)