Albert Rupprecht: "Wir sind im Forschungs- und Bildungsbereich auf einem sehr guten Weg"
Rede zum Einzelplan 30 - Bundesministerium für Bildung und Forschung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Stumpp, Sie haben einen kurzen Vorgeschmack darauf gegeben, wie, sollten die Grünen irgendwann mal hier in der Regierung sein,
(Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann geht es aufwärts!)
die Diskrepanz zwischen Realität, Übernehmen von Verantwortung und Sonntagsreden sein wird.
(Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie doch gerade!)
Sie haben den Versuch gemacht, sich rauszumogeln und durchzuwurschteln. Das wird Ihnen auf Dauer nicht gelingen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Herr Sattelberger, ich persönlich glaube, dass Sie in der Tat das Thema Innovationskraft sehr ernst nehmen. Ich möchte trotzdem darauf hinweisen: Bei der zentralen Frage, der Innovationskraft unseres Mittelstandes, diskutieren wir seit Jahren ein Instrument, nämlich die steuerliche Forschungsförderung, von dem wir uns all die Jahre so viel erwartet und das wir letztendlich auch beschlossen haben.
(Christian Dürr [FDP]: Weil wir hier im Haus den ersten Vorschlag gemacht haben!)
Die FDP hatte vor zehn Jahren in der schwarz-gelben Koalition die Möglichkeit, das mit uns zu beschließen. Wir haben Monate daran gearbeitet.
(Christian Dürr [FDP]: Die Unternehmer hätten damals eine steuerliche Entlastung gebraucht, die Sie verhindert haben, Herr Altmaier, die Bundeskanzlerin voran! Schon zweimal: 2009 und 2017! Und jetzt machen Sie wieder nichts!)
Ihr Kollege, Herr Solms, war es, der am Schluss ein Veto eingelegt hat, weil er beleidigt war, dass es nicht zu Steuervereinfachungen kommt. Er hat eine Steuerentlastung für unsere Unternehmen im Sinne von mehr Forschung und Innovation verhindert. Wir wären zehn Jahre weiter, hätte die FDP damals das getan, wovon Sie heute reden, sehr geehrte Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Christian Dürr [FDP]: Das ist sehr lustig!)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, eine Anmerkung zur Debatte um den Bildungsrat: Natürlich ist Schulbildung Kernkompetenz der Länder. Zumindest ich persönlich leite aus den Formulierungen im Koalitionsvertrag, den ich in den Verhandlungen mitformuliert habe
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Oh, toll! – Sören Pellmann [DIE LINKE]: Ist das jetzt gut? – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da waren die Besten drin!)
– genau; so war es –,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)
nicht ab, dass sich die Länder Sorgen machen müssten. Die Sorgen, die die Länder da haben, teile ich nicht, zumindest aus den Formulierungen heraus.
(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])
Wie die Verhandlungen gelaufen sind, dazu kann ich nichts sagen; daran war ich nicht beteiligt. Trotzdem respektiere ich die Position, dass die Ländervertreter, was ihre Kernkompetenz betrifft, Sorge haben, dass ihnen vonseiten des Bundes reinregiert wird.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Zu Recht!)
Noch mal: Ich teile diese Furcht nicht; aber ich respektiere die Sorge. Ich habe Respekt vor denjenigen, die sagen: Im Zweifelsfall müssen wir da noch mal auf null.
Das ändert aber nichts daran – das gehört zur Wahrheit dazu –, dass auch der Bund in vielen Bereichen Zuständigkeiten in der Bildung hat. Wenn wir in diesem Haushalt unseres Ministeriums 6,7 Milliarden Euro für Bildung ausgeben, dann zeigt das: Wir geben das Geld aus, nicht weil wir nichts anderes zu tun haben, sondern weil wir verfassungsgemäße Zuständigkeiten haben, beispielsweise in der beruflichen Bildung, in der Hochschulbildung, bei dem Megathema „lebenslanges Lernen“ oder aktuell bei dem Projekt DigitalPakt mit 5 Milliarden Euro insgesamt und allein in diesem Haushaltsjahr 2020 mit beinahe 1 Milliarde Euro. Das zeigt, dass wir Zuständigkeiten haben. Das heißt für mich auch, dass es notwendig ist, dass zwischen Bund und Ländern Abstimmungen und gemeinsame verlässliche Vereinbarungen zwingend notwendig sind.
(Beifall des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])
Anderenfalls wird Bildung in unserem Land nicht gelingen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, braucht es auch Formate, und es braucht Institutionen. Und wenn der Bildungsrat nicht gewollt ist, dann muss über andere Formate diskutiert werden. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Bildungsgipfel aus dem Jahr 2008 ein Riesenerfolg war, weil dort genau das, was im kooperativen Föderalismus notwendig ist, gemacht wurde: Es wurden gemeinsame Ziele vereinbart, anspruchsvolle Ziele.
(Christian Dürr [FDP]: Und warum ist Herr Söder dann ausgestiegen?)
Es wurden entsprechend der verfassungsgemäßen Zuständigkeit die Aufgaben verteilt. Man hat über Jahre den Prozess begleitet, sich wieder zusammengesetzt, nachgesteuert, geschaut, wie weit man bei der Umsetzung ist.
(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Und wie weit sind wir damit?)
Im Ergebnis war der Bildungsgipfel ein großer Erfolg, wenn man sich die Auswertungen anschaut. Deswegen plädiere ich persönlich für eine Neuauflage des Bildungsgipfels von 2008.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, der Bildungsgipfel ist ein Paradebeispiel, um zu lernen, wann Forschung und Bildung in Deutschland erfolgreich ist. Es ist erfolgreich, wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen, und es ist erfolgreich, wenn wir über die Säulen hinweg zusammenarbeiten, nicht indem jeder alles macht – manche in diesem Parlament hätten gern, dass jeder für alles zuständig ist, was aber organisierte Verantwortungslosigkeit bedeuten würde –, sondern indem gemeinsame Leitbilder und Ziele formuliert werden und auf Basis der eigenen Zuständigkeiten und Stärken entsprechend der verfassungsgemäßen Zuständigkeit und dem Subsidiaritätsprinzip jeder seinen Beitrag leistet. Dann wird aus Vielfalt, die wir in unserem Land haben, Stärke und Schlagkraft.
Es entsteht Stärke in unserem Land in den Bereichen Forschung und Bildung, wenn wir diese Versäulung aufbrechen und über die Säulen hinweg zusammenarbeiten. Das sehen wir an den großen Projekten. Das sehen wir am Pakt für Forschung und Innovation. Die Ministerin hat es gesagt: Er ist ein Meilenstein, 120 Milliarden Euro Verlässlichkeit für die nächsten zehn Jahre,
(Beifall des Abg. Stephan Albani [CDU/CSU])
gemeinsam in der GWK von Bund und Ländern erarbeitet, herausragend, einzigartig. So was gibt es auf der ganzen Welt in dieser Dimension und in dieser Qualität nirgendwo. Ich glaube, das ist der richtige Weg, wie wir das machen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zentraler Inhalt ist auch bei diesem Pakt für Forschung und Innovation, die Versäulung aufzubrechen, dahin gehend, dass Transfer bzw. Transformation stärker, als das bisher der Fall war, gelingt.
Auch bei der Exzellenzstrategie sehen wir, dass durch das Zusammenwirken in einer gesunden Breite, finanziert vor allem durch die Länder, aber durch den Bund unterstützt, die Spitze erreicht wird. Der Bund kann durch seinen Beitrag einen Mehrwert liefern, damit wir im weltweiten Wettbewerb mithalten können und an vorderer Stelle mit dabei sind.
Ich nenne ein anderes Beispiel bei den Fachprojekten: die deutschen Zentren für Gesundheitsforschung. Eine Vielzahl von Standorten, von den Ländern wesentlich finanziert, wird, unterstützt durch den Bund, zusammengeführt. Daraus entstehen – dauerhaft finanziert – Qualität und Mehrwert in einem institutionalisierten Verbund. Früher wurde Deutschland in Boston, dem Nukleus der weltweiten Medizinforschung, gar nicht beachtet. Heute, im Jahr 2019, schaut man mit Wertschätzung auf Deutschland, auf die deutschen Zentren für Gesundheitsforschung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werden diesen Bereich in dieser Legislatur auf Kinderkrankheiten und psychische Erkrankungen ausweiten.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, umgekehrt gilt aber auch: Wo Versäulung und Fragmentierung existieren, bleiben wir hinter unseren Möglichkeiten. Wir haben noch mehr Potenzial, beispielsweise bei der digitalen Medizin; da sind wir zweitklassig. Wir haben alles an Know-how, was man am Standort braucht. Wir haben Akteure, die das können. Aber es gibt zu wenig rechtliche und politische Verlässlichkeiten und Grundlagen für die Akteure, damit das am Standort Deutschland umgesetzt wird.
Deswegen war es ein Meilenstein und ein richtiger und wichtiger Schritt, dass Minister Spahn es mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz erstmalig erreicht hat, dass die Kette vom Patienten zum Arzt, vom Arzt zur Forschung und zurück eine geschlossene Kette ist und dass der Innovationskreislauf jetzt funktionieren kann. Das ist ein Meilenstein für die Behandlung von Krebs, Demenz und vielen anderen Krankheiten.
Ich nenne ein weiteres Beispiel: Energieforschung. Auch da gibt es etwas zu tun. Wir haben die Grundlagenforschung im BMBF und die angewandte Forschung im Wirtschaftsministerium. Nicht selten gelingt es nicht, die Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die angewandte Forschung zu übertragen. Da spielen auch Ressortbefindlichkeiten und Abstimmungsschwierigkeiten mit hinein. Die Hightech-Strategie war vom Grundansatz her absolut richtig und ist aktueller denn je; sie muss nur weiterentwickelt werden.
(Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Deswegen eine deutsche Transfergemeinschaft!)
Zu oft wird auf Ministerial- und auf Abteilungsleiterebene abgestimmt, aber es fehlt letztendlich die politische Durchschlagskraft. Ich bin deswegen der Meinung, dass die Hightech-Strategie weiterentwickelt werden muss, um diese Versäulung aufzubrechen. Ich bin auch der Meinung, dass im Zweifelsfall das Kanzleramt bei Schlüsselfragen nicht nur koordinierend oder primär koordinierend, sondern entscheidend und durchregierend wirken muss, um zu Ergebnissen zu kommen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben, wenn wir uns die aktuellen Zahlen anschauen, eine positive Entwicklung. Wir sind im Forschungs- und Bildungsbereich insgesamt auf einem sehr guten Weg. Wir haben einen neuen Rekord bei den Forschungsausgaben: 3,13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist ein erstklassiger Wert. Wir haben damit die USA überholt und sind weit vor Frankreich und Großbritannien. Herr Sattelberger, die steuerliche Forschungsförderung wird einen weiteren Schub bringen. Wir werden, wenn es so weitergeht, das Ziel, 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Bildung auszugeben, 2025 erreichen.
Entscheidend ist in den nächsten Jahren für den Innovationsstandort Deutschland, dass wir die Versäulung aufbrechen, dass wir die starken Assets, die wir haben, in einer Kette aneinanderreihen, über die Säulen hinweg zusammenarbeiten, egal ob zwischen Einzelunternehmen, zwischen Forschung und Wirtschaft oder zwischen Bund und Land. Dann kann das auch gelingen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)