Horst Seehofer: "Stärkere Kontrolle an den Grenzen ist notwendig"
Rede zum Einzelplan 06 - Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 30 Jahren erlebe ich die Generaldebatten am jeweiligen Mittwoch der Haushaltswochen im Deutschen Bundestag.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute ist aber Donnerstag! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So schön war es noch nie!)
Ich habe noch nie eine Generaldebatte erlebt, bei der die Fragen der inneren Sicherheit und der Migration so gut wie keine Rolle gespielt haben; anders dieses Mal.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Was? Sie haben Herrn Ruppert nicht gehört! Sie haben an der Debatte nicht teilgenommen!)
Das ist ein gutes Zeichen, weil die Dinge dort in Ordnung sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Für den zuständigen Minister ist nicht entscheidend, was prognostiziert und gedichtet wird, sondern wie in den einzelnen Zuständigkeitsfeldern die Realität tatsächlich ausschaut.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Aber im Dichten sind Sie auch ganz gut!)
Ich beginne bei der Migration. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres haben wir eine Zuwanderung – Asylerstanträge – von 96 000 Menschen. Sie lesen manchmal noch andere Zahlen; aber in diesen Zahlen sind 26 000 Kinder enthalten, die im ersten Lebensjahr sind und hier, in der Bundesrepublik Deutschland, geboren sind. Ich sage: 96 000 Menschen. Wenn Sie sich einmal zurückerinnern, welche Größenordnungen in den letzten Jahren maßgeblich waren: Da ging es um 1 Million, über 500 000 usw. – Daher stelle ich zuallererst einmal fest: Was diese Koalition in letzter Zeit an Maßnahmen der Steuerung und der Ordnung entschieden hat, hat in der Praxis eine große, positive Wirkung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Null Steuerung!)
Da ich gerade „Null Steuerung!“ höre, möchte ich Ihnen ein Thema entgegenhalten, über das manche besonders gerne diskutieren – aber auch das haben wir im Griff –, die sogenannte Seenotrettung, die viele in eine emotionale Stimmung versetzt hat. Es ist so, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in eineinhalb Jahren weniger Menschen aus der Seenotrettung in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen haben, als an einem Tag auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland kommen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das jetzt ein Erfolg, oder was?)
Deshalb war es eine verantwortliche Entscheidung, Menschen vor dem Ertrinken zu retten und unseren Anteil zu erbringen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP])
Die zweite Lebensrealität ist die Sicherheitslage in unserem Lande. Sie wird manchmal überschattet von grässlichen Verbrechen, von Schwerverbrechen. Aber die Polizeiliche Kriminalstatistik weist auch für dieses Jahr einen Rückgang der Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland aus, und das ist ein Rückgang im dritten Jahr in Folge. Deshalb besteht aller Anlass, unseren Sicherheitsbehörden Dank auszusprechen. Das, was Sie von den Koalitionsfraktionen an Investitionen in Personal, in Sachausstattung für unsere Sicherheitsbehörden eingesetzt haben – dafür bin ich sehr, sehr dankbar –, zahlt sich aus durch eine höhere Sicherheit in unserem Land. Wir gehören zu den sichersten Ländern auf dieser Erde. Dafür Danke!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Lachen der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Wir haben auch schwierige Situationen bewältigt. Der Fall Miri ist hier genannt worden. Es ist ärgerlich,
(Leif-Erik Holm [AfD]: Das ist nicht ärgerlich! Das ist peinlich!)
wenn jemand mit einer Liste von 19 Strafeinträgen, der des Landes verwiesen wurde – das habe ich übrigens im Sommer veranlasst; den Bremern bin ich dafür dankbar, dass sie da sehr gut mit uns zusammengearbeitet haben –, trotz Einreisesperre wieder einreist. Er wurde wieder verhaftet und von den Behörden erneut ausgewiesen. Beteiligt waren das BAMF, das die Beurteilung, ob der Asylantrag berechtigt ist oder nicht, an sich gezogen hat,
(Beatrix von Storch [AfD]: Der Mann darf nicht einreisen!)
die Polizei, die Sicherheitsbehörden, aber auch die Justiz, die die Entscheidungen der Sicherheitsbehörden bestätigt hat. Miri ist jetzt erneut ausgewiesen worden. Das ist ein großer Erfolg für die Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaates, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
In diesem Zusammenhang habe ich eine stärkere Überprüfung der deutschen Grenzen angeordnet.
(Lachen bei der AfD)
Dafür brauchen wir übrigens mehr Personal. Diese stärkere Kontrolle an den Grenzen ist notwendig – ich muss das dem Parlament hier so mitteilen –, solange die Kontrollen an den Außengrenzen Europas und – das füge ich ausdrücklich hinzu – das Schengen-System nicht so funktionieren, wie das funktionieren sollte.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Seit über 30 Jahren haben wir Schengen!)
Ich werde demnächst dem Parlament eine Erkenntnis aus den wenigen Tagen der Grenzkontrollen vorlegen. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin immer wieder beeindruckt – nein, das wäre zu wenig –, ich bin erschüttert, wie viele Menschen, die mit Haftbefehl gesucht werden, in welch kurzer Zeit im deutschen Grenzraum aufgegriffen werden. Innerhalb von elf Tagen wurden 40 mit Haftbefehl gesuchte Menschen von der Polizei aufgegriffen, und annähernd 100 Menschen, die eine Einreisesperre haben, sind trotzdem illegal nach Deutschland eingereist. Das macht deutlich, wie richtig der Satz ist: Die Sicherheit beginnt an der Grenze. – Es wird zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Europäischen Kommission gehören, sich dieser Aufgabe so zuzuwenden, dass wir unserer Bevölkerung sagen können: Wir gewährleisten die Sicherheit an den Außengrenzen der Europäischen Union. – Aber solange das nicht gemacht ist, müssen wir unsere Binnengrenzen stärker beobachten und das Recht durchsetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: „Beobachten“!)
Ich freue mich außerordentlich über den Aufwuchs im Bereich Sport. Ich war letzte Woche bei einer großen Veranstaltung der Sporthilfe, zusammen mit Frau Freitag, die, glaube ich, auch hier ist. Ich denke, dass die Sportlerinnen und Sportler und die Verbände den Aufwuchs sehr positiv aufgenommen haben. Ich darf den Dank weitergeben an das Parlament. Ich habe mit 160 Millionen Euro begonnen, wir sind jetzt bei fast 280 Millionen Euro. Hinzu kommt das Programm zur Sanierung von Sportstätten, Kultureinrichtungen etc. Das ist alles großartig.
Das dritte Thema, das ich ansprechen möchte, gerade an die Adresse der FDP gerichtet, ist das Wohnen. Sie werden in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kein Programm finden, das so viele Punkte umfasst wie das, das wir auf dem Wohngipfel beschlossen haben,
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Papier ist ja auch geduldig, Herr Minister!)
und die auch alle umgesetzt sind. Jetzt sage ich Ihnen etwas zum Papier: Wir haben 700 000 Bauanträge, die genehmigt, aber noch nicht realisiert sind. Wir haben im Jahr um die 300 000 neue Baugenehmigungen. Das differiert mal um 0,4 Prozent, mal um 1 Prozent nach oben oder unten. Die Bauwirtschaft brummt.
Vielleicht darf ich einmal darauf hinweisen, dass das schmale Wachstum, das wir derzeit haben, vor allem durch die Bauwirtschaft gespeist wird; das muss man deutlich sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mich freut besonders, dass sich das nicht nur in höheren Preisen widerspiegelt, sondern dass auch die Beschäftigtenzahl in der Bauwirtschaft deutlich gestiegen ist. Da die Unternehmen ihre offenen Stellen oft gar nicht besetzen können, wird es sehr wichtig sein, das Fachkräftezuwanderungsgesetz im Frühjahr kraftvoll umzusetzen; denn es wäre eine Wachstumsbremse, wenn wir das Beschäftigungspotenzial in diesem Bereich nicht ausschöpfen könnten. Dem dient das Fachkräftezuwanderungsgesetz.
Das heißt, die Bauwirtschaft brummt wie schon lange nicht mehr: mehr Beschäftigte, mehr Wohnungen. Linie der Koalition ist, dass wir einen sozialen Mieterschutz vorsehen. Das Wohngeld haben wir übrigens auch erhöht, und zwar schon zum zweiten Mal in meiner Amtszeit. Bei all dem folgen wir aber den Regeln der sozialen Marktwirtschaft, ohne Enteignungen und solche Dinge. Der andere Ansatz ist: Bauen, bauen, bauen. Keine Regierung hat seit langer Zeit so viel auf dem Wohnungsmarkt veranlasst wie diese. Keine!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich bedanke mich für eine außerordentlich gute Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuss und mit den Berichterstattern.
Ich gestehe zu, dass es Probleme bei der IT-Konsolidierung gibt; aber diesen Beschluss habe ich nicht gefasst, sondern ich habe ihn vorgefunden. Ich kann nicht etwas weiterführen, was ich für falsch halte, ich kann nicht eine Zuständigkeit ausüben, die ich in Wahrheit gar nicht habe. Sie wurde dem Innenministerium durch einen Beschluss im Jahre 2015 zugeordnet.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und was machen wir jetzt damit?)
Ich habe zum Beispiel keinen Zugriff auf die Rechenzentren der Bundesregierung. Die hat der Finanzminister. Deshalb war es höchste Zeit, dass wir die Verantwortlichkeiten wieder klar zugeordnet haben.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1 Milliarde Euro mehr!)
Wer die Zuständigkeit für die Rechenzentren hat, der soll auch dieses Projekt realisieren.
Ich habe die Zuständigkeit für die Digitalisierung der Verwaltung, und die läuft auf Hochtouren. Wir werden die meisten öffentlichen Dienstleistungen des Bundes bereits im nächsten Jahr digitalisiert haben. Weil ich gestern gehört habe, wir müssten das Tempo erhöhen: Dies läuft auf Höchsttouren.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Elektronische Akte!)
Ich lade jeden aus dem Parlament zu mir ein, um sich genau darüber zu informieren, was unsere Labore hier voranbringen. Ein Beispiel: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt am 1. März 2020 in Kraft. Dann muss die Visaerteilung natürlich digital erfolgen. Ich habe mich jetzt in unseren Laboren vergewissert und gesehen: Sie sind hier schon sehr, sehr weit.
Danke für die Zusammenarbeit. Eine Welturaufführung ist, dass der Herr Perli zum ersten Mal meinen Rücktritt nicht gefordert hat.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Er hat offensichtlich vom Baum der Erkenntnis gegessen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Er hat sich eingerichtet! – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie haben ihn überzeugt! Das sollte Ihnen zu denken geben!)
Lieber Herr Gröhler und lieber Herr Gerster, herzlichen Dank; das waren gute Beratungen – übrigens mit allen Berichterstattern. Die Reden, die hier gehalten werden, hören sich immer ganz anders an, als die Zusammenarbeit tatsächlich war. Insbesondere Herr Gerster und Herr Gröhler: Danke für die sehr gute Zusammenarbeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)