Josef Oster: "Das Petitionsrecht ist einer der bedeutendsten Angebote"
Rede zum Tätigkeitsbericht 2018 des Petitionsausschusses
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bleibe bei meiner Linie, dass ich nicht wesentliche Teile meiner Redezeit darauf verwende, auf die Legendenbildung eines AfD-Kollegen einzugehen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)
Ich will mich auf das Thema konzentrieren, um das es heute hier geht.
Ich darf sagen: Ich bin ja in meiner ersten Wahlperiode Mitglied des Deutschen Bundestages, und ich war und bin weiterhin erstaunt, mit welchem Aufwand der Deutsche Bundestag sich jeder einzelnen Petition annimmt. Das Petitionsrecht ist damit nach meiner Überzeugung eines der bedeutendsten Angebote, das der Deutsche Bundestag zu bieten hat, und es ist vor allen Dingen ein starker Baustein in Sachen direkter Demokratie.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)
Der Petitionsausschuss interessiert sich dabei sowohl für Petitionen, die von sehr vielen Menschen unterzeichnet und unterstützt werden, aber eben auch für Einzelpetitionen. So hat jeder die Chance, Einfluss auf die Politik in unserem Lande zu nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Onlinepetitionen, öffentliche Petitionen, öffentliche Sitzungen: All dies sind Beispiele dafür, dass der Deutsche Bundestag die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. Natürlich – jetzt muss ich doch ein bisschen auf das eingehen, was wir gerade eben gehört haben – ist es deshalb ausgesprochen kritikwürdig, wenn der Petitionsausschuss benutzt wird, um damit parteipolitische Zwecke zu verfolgen, und wenn der Petitionsausschuss missbraucht wird.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es ist natürlich nicht im Sinne der Väter und Mütter des Grundgesetzes, wenn aus Abgeordnetenbüros heraus Petitionen geschrieben werden und sich daran parteipolitische Kampagnen anschließen. Das ist nicht Sinn und Zweck des Petitionsausschusses, und so ist es bei der AfD ja geschehen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das gefährdet das Instrument des Ausschusses.
Meine Damen, meine Herren, natürlich hat nicht jede Petition Aussicht auf Erfolg. Nicht selten aber werden durch Petitionen politische Themen gesetzt und auch die Meinungsbildung im Parlament beeinflusst.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Oster, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hebner?
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Josef Oster (CDU/CSU):
Ja, ausnahmsweise. Normalerweise mache ich es nicht, aber wir haben ja Zeit; das ist der letzte Tagesordnungspunkt heute. Von daher: Auf geht’s, Herr Hebner!
Martin Hebner (AfD):
Herzlichen Dank für die Zulassung der Frage.
Josef Oster (CDU/CSU):
Gerne.
Martin Hebner (AfD):
Sie haben gerade den Globalen Pakt für Migration und die Petitionen angesprochen, und Sie haben ganz klar erklärt, dass Sie jede Petition ernst nehmen.
(Timon Gremmels [SPD]: Haben Sie sich eigentlich bei den Mitarbeitern entschuldigt? Nutzen Sie die Gelegenheit, sich zu entschuldigen! Wäre eine gute Gelegenheit!)
Es gibt ein Interview Ihres Kollegen Herrn Wendt, seines Zeichens Ausschussvorsitzender, der am 19. November letzten Jahres gesagt hat, die vorliegenden Petitionen zum Globalen Pakt für Migration seien volksverhetzend oder falsch.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entschuldigen Sie sich mal beim Petitionsausschuss!)
Unter anderem lag eine Petition von Frau Lengsfeld vor. War die Petition von Frau Lengsfeld volksverhetzend? War das in dem Fall eine Bürgerrechtlerin, die schon in der DDR aufgetreten ist und plötzlich auc h hier, von Ihrer Seite – sprich: von Ihrem Kollegen –, als volksverhetzend dargestellt wird,
(Timon Gremmels [SPD]: Chance nicht genutzt! Entschuldigen Sie sich endlich! Das haben Sie immer noch nicht gemacht!)
oder wurde sie als falsch dargestellt? Die Petition wurde übrigens unter anderem von Herrn Dr. habil. Vosgerau mit erstellt.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD] gewandt: Herr Gauland, sorgen Sie dafür, dass sich Ihr Kollege entschuldigt! Das wäre Ihr Job! – Gegenruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]: Regen Sie sich doch nicht so auf!)
Also, war die Frau Lengsfeld volksverhetzend, oder ist Herr Dr. Vosgerau falsch gelegen? Können Sie das erläutern?
Herzlichen Dank.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ungeheuerlich!)
Josef Oster (CDU/CSU):
Wir haben klare Regeln, wann Petitionen zugelassen und freigeschaltet werden, und an diese Regeln halten wir uns. Das gilt für alle Fraktionen. Klar ist aber: Das ist Ihr Lieblingsthema. Das wissen wir ja; es gibt ja keine Debatte, in der Sie nicht irgendwann auf das Thema Migration zu sprechen kommen.
Das hat auch die Debatte im Petitionsausschuss geprägt, aber es waren eben nicht nur Petitionen, die in Ihrem Sinne und mit Ihrer Zielsetzung eingegangen sind, sondern es sind auch sehr viele andere Petitionen eingegangen. Ich finde, das ist ein Beispiel dafür, wie vielfältig, aber auch wie konträr die Arbeit des Petitionsausschusses sein kann, gerade weil das Thema Migration natürlich auch unsere Arbeit im Petitionsausschuss geprägt hat.
(Zuruf von der AfD: Ja!)
Ich will mich an Ihrer Legendenbildung hier jetzt aber nicht beteiligen. – Das muss reichen
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD: Keine Antwort! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Martin Hebner [AfD] gewandt: Keine Redezeit gekriegt, was?)
Ich will ein Beispiel erwähnen, das vielleicht auch einen ganz anderen Eindruck erweckt und zeigt, dass die Arbeit im Petitionsausschuss auch sehr konkret sein kann: Wir haben unter anderem eine Petition gehabt, die sich mit den Funktionen unseres Personalausweises befasst hat. Es ging darum, dass im Ausland lebende Deutsche bislang nicht die Möglichkeit hatten, ihre Auslandsadresse im Personalausweis zu hinterlegen. Das führt zu vielen Benachteiligungen im praktischen Ablauf, insbesondere wenn es um Onlinefunktionen geht. Diese Petition hat Eingang in den parlamentarischen Prozess gefunden, und gerade aktuell wird das Personalausweisgesetz geändert, mit der ganz konkreten Möglichkeit, in Zukunft auch Auslandsadressen eintragen zu können. – Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Petitionen direkt Eingang ins Gesetzgebungsverfahren finden.
Ich will darüber hinaus natürlich auch den Aspekt erwähnen – das haben wir gerade schon kurz diskutiert –, dass sich auch die großen gesellschaftlichen Debatten im Petitionsausschuss widerspiegeln, und natürlich hat das Thema Migration auch unsere Beratungen im vergangenen Jahr ein Stück weit geprägt.
Es gab Petitionen, die die Forderung nach Verschärfungen der Migrationspolitik, nach einer Begrenzung der Anzahl der Flüchtlinge, nach schnelleren Abschiebungen und nach einem stärkeren Schutz der Binnen- und EU-Außengrenzen beinhaltet haben. Es gab aber auch eine ganze Reihe von Petitionen, die sich mit der Integration von Flüchtlingen, mit Beschäftigungsmöglichkeiten und mit der Frage des Familiennachzuges auseinandergesetzt haben.
Das zeigt eben – ich habe es gerade schon erwähnt –, wie konträr die Eingaben im Petitionsausschuss sein können.
Gerade wenn ich mir diese Petitionen anschaue, bin ich froh, dass wir jetzt endlich über das Geordnete-Rückkehr-Gesetz und über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Bundestag diskutieren werden. In diese beiden Gesetzentwürfe sind eben auch Erkenntnisse aus unserem Petitionsausschuss eingeflossen.
Ich will ein weiteres Beispiel erwähnen, das unsere Diskussionen geprägt hat: Viel Aufmerksamkeit hat eine Petition erhalten, die sich mit der Arbeitszeit der Bundesbeamten beschäftigt hat. Die wöchentliche Arbeitszeit soll demnach von derzeit 41 Stunden auf 39 Stunden reduziert werden. Das betrifft in Deutschland rund 181 000 Menschen, die bei uns als Bundesbeamte beschäftigt sind.
Dazu hat aufgrund der großen Unterstützerzahl bereits eine öffentliche Anhörung stattgefunden. Demnächst wird es dazu dann auch die Debatte im Ausschuss geben. Im Moment, wenn ich das richtig sehe, verzögert allerdings die Fraktion der Linken den weiteren Ablauf dieser Petition. Wir hoffen, dass wir bald auch ihre Berichterstattung zurückbekommen und über diese Petition im Ausschuss reden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Beispiele zeigen, dass durch dieses demokratische Mittel der Bürgerbeteiligung wichtige Erkenntnisse aus Petitionen in den Gesetzgebungsprozess einfließen können. Darüber hinaus – auch das darf ich erwähnen – kann man aus der Anzahl der Eingaben zu einzelnen Themengebieten auch gewisse Rückschlüsse ziehen.
Im März dieses Jahres hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem sie sich für die Einrichtung eines zusätzlichen Polizeibeauftragten ausgesprochen hat. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit vom Deutschen Bundestag abgelehnt – aus gutem Grund, wie die aktuellen Zahlen aus dem Jahresbericht belegen. In gerade einmal 29 Petitionen ging es um Themen rund um die Bundespolizei, in sechs Fällen um Personalangelegenheiten. Zehn Beschwerden wurden zur Arbeit der Bundespolizei vorgetragen, elf Anliegen waren allgemeiner Natur. Einen Bedarf für eine teure zusätzliche Beschwerdestelle kann ich aus diesen Zahlen nicht erkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen, meine Herren, zum Abschluss möchte ich betonen, dass ich die Arbeit im Petitionsausschuss als ausgesprochen bereichernd empfinde. Über 13 000 Petitionen im Jahr 2018 belegen die große Resonanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Bei dieser großen Anzahl – auch das muss man sagen – bleibt gerade auch die schnelle Abwicklung der Verfahren eine zentrale Herausforderung, der wir uns weiter stellen müssen.
Umso mehr möchte ich auch im Namen der Unionsfraktion allen, den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusses, für ihre engagierte Arbeit herzlich danken. Ich beziehe in diesen Dank auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den einzelnen Abgeordnetenbüros mit ein und natürlich auch unsere Fraktionsreferentin.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])