Marian Wendt: "Die bestmögliche Lösung für alle Petenten finden"
Rede zum Tätigkeitsbericht 2018 des Petitionsausschusses
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2018 war für den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages nicht nur ein überaus ereignis- und arbeitsreiches Jahr, sondern auch ein durch eine Reihe kontroverser, aber auch lebendiger Diskussionen gekennzeichnetes Jahr. Auch wenn solche Diskussionen emotional sein können, weil jeder von uns nur das Beste für unsere Bürgerinnern und Bürger erreichen will, behandeln wir immer alle Anliegen der Petenten sorgfältig. Die mitgeteilten Sorgen und Nöte nehmen wir sehr ernst.
Jedermann, egal welchen Alters oder welcher Staatsangehörigkeit, hat das Recht, sich mit Bitten zur Gesetzgebung oder Problemen mit Bundesbehörden an uns zu wenden. Wir als Petitionsausschuss sind dazu verpflichtet, die Petition anzunehmen, sie sorgfältig zu prüfen und zu entscheiden. Zugleich dienen Petitionen dem Parlament als wichtiger Gradmesser für die Umsetzung von Gesetzen, weil sie aufzeigen, wo es Unstimmigkeiten und Handlungsbedarf gibt.
Bevor ich diesbezüglich auf ein paar Fakten eingehe, möchte ich kurz ein Thema ansprechen, das mir besonders am Herzen liegt. Als stolzer Vorsitzender des Petitionsausschusses lege ich Wert darauf, dass alle von Petenten angesprochenen Themen mit Ernst und Respekt behandelt werden. Ich fordere aber auch, dass meine Kollegen, so wie die Petenten, trotz unterschiedlicher Positionen unsere Arbeit fair behandeln. Es hat mich deshalb umso mehr entsetzt, als manche Kollegen der Opposition die Petition zum Thema „Global Compact for Migration“ für eigene politische Zwecke zu missbrauchen versuchten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP und der Abg. Kersten Steinke [DIE LINKE])
Dieses Verhalten hat zudem die Konsequenz ausgelöst, dass einige Anhänger dieser Petition, meine Mitarbeiter im Büro und ich von Tausenden beleidigenden E-Mails und Anrufen – in einer teilweise ausgesprochen vulgären Sprache – überwältigt wurden. Anzeigen bei der Bundestagspolizei und Hausdurchsuchungen waren die Folge. Meine Damen und Herren, ein solches Verhalten verurteile ich aufs Schärfste. Auch wenn wir Diskussionen leidenschaftlich führen, muss der Umgang miteinander respektvoll bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was mich besonders erfreut, ist, dass die Zahl der eingegangenen Petitionen im Vergleich zum Vorjahr um fast 15 Prozent auf 13 189 Petitionen angestiegen ist.
(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Das ist kein Grund zur Freude!)
Als starker Befürworter der Digitalisierung begrüße ich es ausdrücklich, dass sich die Zahl der Mitzeichnungen auf der Onlineplattform des Ausschusses gegenüber dem Vorjahr vervierfacht hat, auf 685 000. Diese Anstiege zeigen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wieder stärker engagieren und von den demokratischen Möglichkeiten der Mitbestimmung Gebrauch machen.
Die Mehrzahl der Petitionen bezieht sich auf den Bereich Arbeit und Soziales – sie machen circa 16 Prozent aus –, gefolgt – auch infolge des zu Beginn dieser Wahlperiode vorgenommenen Zuständigkeitswechsels – von Petitionen zum Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat: 15 Prozent aller Petitionen. An dritter Stelle, knapp dahinter, liegt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.
Im Berichtszeitraum haben sich mehr als eine halbe Million Personen neu im Portal des Petitionsausschusses angemeldet. Mit 2,6 Millionen registrierten Nutzerinnen und Nutzern ist es nach wie vor der Spitzenreiter unter den Internetangeboten des Deutschen Bundestages. Ich glaube, wir fordern zu Recht die Nutzung von Responsive Design, sodass bald auch per Smartphone eine Petition eingereicht werden kann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)
Sehr wichtig finde ich, dass es einzelne Berichterstattergespräche mit Vertretern einzelner Behörden und Ministerien gab und die Abgeordneten im Rahmen dieser Berichterstattergespräche sensible und oft schwierige Einzelfälle klären konnten. Diese Gespräche finden nicht im öffentlichen Raum, in der öffentlichen Debatte statt. Es ist vielmehr die Kernarbeit des Ausschusses, für den Bürger im Kleinen zu streiten und gute Lösungen zu erreichen. Themen dieser Gespräche waren zum Beispiel Visaangelegenheiten, Asylverfahren, der Schutz vor Fluglärm, die geplante Schließung einer Wetterwarte des Deutschen Wetterdienstes oder auch die Berufszulassung von Ärzten.
Wenn wir den Fall auf Basis der Aktenlage einmal nicht genau erkennen und entscheiden können, begeben wir uns vor Ort. Bei zwei Ortsterminen haben wir versucht, Lösungen zu finden. Die historische Eisenbahnbrücke von Albbruck im Süden unseres Landes sollte abgerissen werden. Gemeinsam mit der Bürgerinitiative haben wir geprüft, ob das ganze Verfahren so weit in Ordnung war. In einem zweiten Ortstermin wurde die Trasse der B 87 bei Lübben geprüft; es ging um Fragen des Lärmschutzes. Auch dieser Termin verlief sehr erfolgreich für den Ausschuss.
Ich darf erwähnen, dass auf der Petitionsplattform des Deutschen Bundestages insgesamt 886 Petitionen veröffentlicht wurden, 183 Petitionen mehr als im Vorjahr. Unsere Bürger haben die Möglichkeit, die Petitionen auf der Internetplattform zu diskutieren und durch elektronische Mitzeichnung zu unterstützen. Ich sage aber auch – Stichwort: Respekt –: Auf dieser Plattform haben Hass und Hetze keine Chance. Deswegen gehen wir rigoros dagegen vor, wenn jemand unsere Spielregeln dort missbraucht.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, „Hass und Hetze“! Ja, klatschen! Ihr kriegt alle die Wahlquittung!)
– Getroffene Hunde bellen, sage ich mal.
Im letzten Jahr wurden circa 22 500 Diskussionsbeiträge abgegeben und sieben Petitionen wurden mehr als 50 000-mal elektronisch mitgezeichnet. Das bedeutet, für die Kenner unter Ihnen, dass diese Petenten in einer öffentlichen Sitzung angehört wurden. Auf große Resonanz stießen diese öffentlichen Sitzungen des Petitionsausschusses nicht nur bei den Petenten, sondern auch bei vielen Bürgern. Die Petenten konnten ihr Anliegen den Ausschussmitgliedern und den Vertretern der Bundesregierung direkt vortragen. Diese Petitionen haben wir in drei öffentlichen Beratungen behandelt. Die Themen reichten von Cannabis über Migration bis hin zu Tierversuchen. Die Themen spiegelten die gesamte Breite der politischen Debatte wider, die wir auch aus dem Parlament kennen.
Die Petition zum Terminservice- und Versorgungsgesetz hatte die meisten Mitzeichnungen, 217 000 Unterstützer. Der Zweitplatzierte hatte 100 000 Unterstützer weniger. Ohne dem Bericht über das laufende Jahr vorzugreifen, kann ich sagen, dass die Petition zum Terminservice- und Versorgungsgesetz dahin gehend erfolgreich war, dass wir als Gesetzgeber dieses Anliegen unterstützen und den Gesetzentwurf dahin gehend geändert haben, dass der Zugang zu einer Behandlung durch einen Psychotherapeuten einfach bleibt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
In einer weiteren öffentlichen Sitzung wurden sechs Sachverständige zu einer Petition angehört, in der es um die sogenannten gestohlenen Kinder in der DDR ging. Darunter versteht man Kinder, die gegen den Willen ihrer Eltern zur Adoption freigegeben wurden. Teilweise wurde dabei sogar der Tod von Säuglingen durch die staatlichen Stellen der DDR vorgetäuscht. Aktueller Stand ist – das kann uns, glaube ich, auch wenn die Sache insgesamt sehr schwer ist, erfreuen –, dass die Mehrheit dieses Hauses eine Lösung für die Betroffenen finden möchte. Dieses Thema ist, finde ich, von besonderer Bedeutung, gerade auch, wenn es um die historische Verantwortung und die Aufarbeitung des DDR-Unrechts geht.
Die Mitglieder des Petitionsausschusses bemühen sich immer mit großem Engagement darum, die bestmögliche Lösung für alle Petenten zu finden. In manchen Fällen besteht eine über die Fraktionsgrenzen hinausgehende konstruktive Zusammenarbeit. Einstimmige Voten sind dabei selten, aber nicht die Ausnahme; das haben wir beispielsweise heute früh wieder praktiziert. Das prägt den besonderen Geist im Petitionsausschuss. Es wäre schade, wenn dieser Geist der gemeinsamen Zusammenarbeit weiter durch Hass und Hetze negativ beeinflusst wird.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Oftmals führt bereits das Einholen einer Stellungnahme durch den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages bei den zuständigen Behörden zu einem positiven Ergebnis. Man würde sagen: Ein kurzer Anruf reicht. Zwei Beispiele hierzu:
Eine schwerbehinderte Petentin wandte sich an uns, da die Deutsche Rentenversicherung die Bezuschussung eines senioren- und behindertengerechten Autos abgelehnt hatte. Im Rahmen der Überprüfung wurde die Entscheidung korrigiert und ihr dieser Zuschuss in Höhe von 5 920 Euro gewährt. Der Fall konnte positiv abgeschlossen werden.
Ebenso haben wir erreicht, dass deutsche Staatsangehörige, die im Ausland leben, nun einfacher an unseren Wahlen teilnehmen können. Der zur Versendung der Briefwahlunterlagen zur Verfügung stehende Zeitraum wurde dafür verlängert. Zumindest in diesem Punkt konnten wir die Wahl vereinfachen. Wir hoffen, dass bei künftigen Wahlen – am 26. Mai und bei anderen – viele deutsche Staatsangehörige, die im Ausland leben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.
Dies war nur ein Überblick über die Vielzahl kleinerer und größerer Erfolge der Arbeit des Peti tionsausschusses im Jahr 2018. Auch wenn wir nicht alle Wünsche der Petentinnen und Petenten erfüllen können, versucht der Ausschuss, die staatlichen Entscheidungen hilfreich zu erläutern und nachvollziehbar zu machen.
Ganz besonders möchte ich allen Mitgliedern der Arbeitsgruppen des Ausschusses, den Mitarbeitern des Ausschusssekretariates, die hinter uns Platz genommen haben,
(Beifall im ganzen Hause)
sowie unseren Mitarbeitern in den Büros für die Zuarbeit und für das tiefe Aktenstudium danken.
(Beifall des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP])
Ich freue mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschusssekretariates schließen wir uns, denke ich, bevor wir die Aussprache fortsetzen, an.
(Beifall im ganzen Hause)